unterlassungserklaerung-vertragsstrafe

Wenn der Anwalt aus Versehen in einer Unterlassungserklärung eine Vertragsstrafe von 100.000,00 Euro formuliert….

 

…und daraufhin 300.000 € Vertragsstrafe geltend gemacht werden…

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Wettbewerbsrecht ist kein einfaches Feld. Nicht umsonst gibt es in diesem Bereich einen Fachanwaltstitel. Immerhin geht es im Wettbewerbsrecht auch um Viel. Dies hängt insbesondere mit den Vertragsstrafen bei Unterlassungserklärungen zusammen.

Es gibt jedoch manchmal Fälle, in denen in erster Linie der Anwalt der Abgemahnten das Problem darstellt und zwar nicht deshalb, weil er unter Umständen gar keine Ahnung vom Wettbewerbsrecht hat, sondern deshalb, weil erhebliche Flüchtigkeitsfehler den Abgemahnten ins Unglück reißen.

Einen derartigen Fall hat das Landgericht Oldenburg durch Urteil vom 08.07.2009, Az.: 5 O 2546/08 (für die Übersendung danken wir den Rechtsanwälten Frauenheim, Enzmann & Kollegen) entschieden.

In der Klage selbst ging es um Vertragsstrafenansprüche nach Abgabe einer Unterlassungserklärung. Den Vertragsstrafenansprüchen vorausgegangen war eine einstweilige Verfügung des Abmahners. Im Rahmen der außergerichtlichen Abmahnung hatte der Abmahner – wie üblich – eine Vertragsstrafe von 5.100,00 Euro gefordert.

Der Rechtsanwalt des Abgemahnten hatte im einstweiligen Verfügungsverfahren jedoch folgende Unterlassungserklärung abgegeben:

“Die Antragsgegnerin verpflichtet sich gegenüber dem Antragsteller, es bei Meidung einer für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung fälligen Vertragsstrafe in Höhe von 100.000,00 Euro im geschäftlichen Verkehr zum Zwecke des Wettbewerbes gegenüber privaten Endverbrauchern bei Fernabsatzverträgen auf der Internetplattform eBay Autofelgen anzubieten und keine verschiedenen Widerrufsbelehrungen zu verwenden.”

Die eingeräumte Vertragsstrafe war somit 20-mal höher als ursprünglich gefordert. Abgesehen davon scheint dem Kollegen nicht bekannt gewesen zu sein, dass sich bei der Abgabe von Unterlassungserklärungen in gerichtlichen Verfahren Formulierungen der Vertragsstrafe durchaus vermeiden lassen.

Sie ahnen es schon – es kam wie es kommen musste – der Abgemahnte verwirkte in drei Fällen die Vertragsstrafe, der Abmahner forderte eine Vertragsstrafe – wie angeboten – von 300.000,00 Euro.

In dem Zusammenhang schien dem Anwalt des Beklagten ebenfalls aufgefallen zu sein, dass die eingeräumte Vertragsstrafe wohl irgendwie ein wenig zu hoch war. In einem Antwortschreiben hieß es:

“Wird wegen offensichtlichem Übermittlungsfehler die mit Schriftsatz vom … auf Seite 3. abgegebene Unterlassungserklärung dahingehend berichtigt, dass es richtigerweise heißen muss:

“Die Antragsgegnerin verpflichtet sich für die Zukunft gegenüber dem Antragsteller es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Vertragsstrafe in Höhe von 10.000,00 Euro im geschäftlichen Verkehr ……

Auf Grund aktuellen Anlasses ist die Erklärung mit Schriftsatz vom ….. nochmals geprüft worden. Dabei stellte sich heraus, dass ganz offensichtlich bei Erfassung dieses Schriftsatzes ein Schreibfehler unterlaufen ist. Dieser Schreibfehler ist offensichtlich, zumal die Antragsteller selbst lediglich eine Vertragsstrafe von 5.100,00 Euro verlangt haben.

Rein vorsorglich wird die Vertragsstrafenerklärung im Hinblick auf die Höhe der Vertragsstrafe namens und in Vollmacht der Antragsgegnerin angefochten.”

Der Abmahner blieb bei der Ansicht, es sei zumindestens eine Vertragsstrafe von 100.000,00 Euro verwirkt worden und macht im Wege der Teilklage einen Betrag von 30.000,00 Euro für drei Verstöße geltend.

Unter dem Strich hat das Landgericht in fast salomonischer Art und Weise den Beklagten zu einer Zahlung von 10.000,00 Euro verurteilt. In den Entscheidungsgründen heißt es insofern:

1.

Die Beklagte hat den Abschluss der Vereinbarung unter dem 15.02.2008 durch Schriftsatz an das Landgericht Dortmund angeboten. Der Vertrag ist dann in der Zeit zwischen der Abgabe dieses Angebotes und dem Zugang der in dem Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 19.03.2008 zugleich liegenden Annahmeerklärung bei der Beklagten zustande gekommen. Ein Zugang der Annahmeerklärung bei der Beklagten war jedenfalls nicht erforderlich. Ausreichend war, dass das Angebot nicht durch eine nach außen erkennbare Willensbetätigung abgelehnt worden war (vgl. BGH NJW 2000, 276). Damit war der Vertrag spätestens am 19.03.2008 wirksam.

 

2.

Der Wirksamkeit des Vertrages ab dem 19.03.2008 steht der Inhalt des Schriftsatzes des Beklagtenvertreters an das Landgericht Dortmund vom 01.04.2008 nicht entgegen.

 

Zwar teilt das Gericht die Auffassung der Beklagten, dass die Erklärung vom 15.02.2008 einen zur Anfechtung nach § 119 Abs. 1 BGB berechtigten Fehler enthielt, soweit dort dem Wortlaut nach eine Vertragsstrafe von 100.000 € angeboten wurde. Es handelte sich dabei offenkundig um einen Schreibfehler und damit um einen Erklärungsirrtum.

 

Jedoch hat die Beklagte eine Anfechtungserklärung abgegeben, die bei objektiver Auslegung dahin zu verstehen ist, dass das Vertragsstrafenangebot der Beklagten vom 15.02.2008 nicht vollständig “ex nunc” beseitigt werden, sondern lediglich insoweit, als versehentlich ein um 90.000 € zu hoher Betrag angegeben worden ist. Damit bestand seit dem 19.03.2008 eine Unterlassungsverpflichtung, die mit einer Vertragsstrafe in Höhe von 10.000 € bewehrt war. Eine solche geltungserhaltende Reduktion einer Willenserklärung durch Teilanfechtung ist in entsprechender Anwendung des § 138 BGB möglich (vgl. Soergel-Hefermehl, BGB, 13. Aufl., § 139 Rz. 28).

 

Einer insoweit erfolgreichen Anfechtung steht entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht entgegen, dass die Beklagte das angefochtene Rechtsgeschäft bestätigt hätte (§ 144 BGB). Der Beglaubigung der Abschrift des Schriftsatzes  vom 15.02.2008 kann eine solche Bedeutung nicht beigemessen werden. Hier wäre allenfalls die Vermutung gerechtfertigt, dass die Beglaubigung nicht mit der nötigen Sorgfalt durchgeführt worden ist. Es besteht jedoch kein Anhaltspunkt dafür, dass der Prozessbevollmächtigte der Beklagten das Anfechtungsrecht bei der Beglaubigung kannte oder mit ihm rechnete, was erforderlich gewesen wäre (PWW-Ahrens, BGB; 3. Aufl., § 144 Rz 2 mN).

Unter dem Strich nahm das Gericht somit eine wirksam vereinbarte Vertragsstrafe von 10.000,00 Euro für jeden Fall der Zuwiderhandlung an. Die drei Verstöße wurden als ein Verstoß gewertet, mit der Folge, dass 10.000,00 Euro zu zahlen waren.

Auch dieser Betrag ist zu hoch:

Es bleibt vollkommen unklar, weshalb der Anwalt des Abgemahnten die Anfechtung auf einen verbleibenden Betrag einer Vertragsstrafe von 10.000,00 Euro reduziert hat, wo ursprünglich doch nur 5.100,00 Euro gefordert wurden.

Dass die Möglichkeit einer Vertragsstrafenvereinbarung nach dem sogenannten neuen Hamburger Brauch dem Beklagtenvertreter vollkommen unbekannt war, mag ja noch angehen. Unabhängig davon hat der Abgemahnte unter dem Strich 4.900,00 Euro zu viel bezahlt. Dies hätte bei richtiger Formulierung der Vertragsstrafenhöhe in der Unterlassungserklärung problemlos vermieden werden können. Rätselhaft bleibt auch, weshalb der Anwalt des Abgemahnten die Anfechtung auf 10.000,00 Euro beschränkt hat, anstatt die Gesamterklärung anzufechten.

Schreib- und Übertragungsfehler können im anwaltlichen Alltag durchaus vorkommen, wobei dies natürlich einen Anwalt nicht davon entbindet, sich seine Schriftsätze noch einmal durchzulesen.

In diesem Fall bestehen doch ganz erhebliche Indizien für eine Anwaltshaftung.

Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Johannes Richard, Rostock

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