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EuGH: Bei Textilien, die nur aus einer Textilfaser bestehen, sind die Angaben “rein”, “ganz” oder “100 %” nicht verpflichtend

Nach Textilkennzeichnungsverordnung ist sowohl bei entsprechenden Angeboten von Textilien im Internet, wie aber auch an der Textilie selbst, über die Textilfaser zu informieren, wie bspw. “70 % Baumwolle, 30 % Polyester”.

Besteht ein Textilerzeugnis ausschließlich aus einer einzigen Faserart, regelt Art. 7 der Textilkennzeichnungsverordnung (EU Verordnung 1007/2011):

“Reine Textilerzeugnisse

Nur Textilerzeugnisse, die ausschließlich aus einer Faser bestehen, dürfen den Zusatz “100 %”, “rein” oder “ganz” auf dem Etikett oder der Kennzeichnung tragen.”

In der Praxis bedeutet dies, dass eine Textilie, die ausschließlich bspw. aus Baumwolle besteht, gekennzeichnet werden kann mit:

100 % Baumwolle

reine Baumwolle

ganze Baumwolle

Muss “100 %”, “rein” oder “ganz” angegeben werden?

Dem Europäischen Gerichtshof (EuGH, Urteil vom 05.07.2018, Az.: C-339/17) wurde die Frage vorgelegt, ob diese Information zwingend bei der Textilkennzeichnung anzugeben ist.

Kläger war der uns bekannte Abmahnverein “Verein für lauteren Wettbewerb”. Dieser hatte einen Internetanbieter wegen einer seiner Auffassung nach falschen Kennzeichnung von Textilien abgemahnt.

Vorlagefrage war, ob Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1007/2011 dahingehend auszulegen ist, dass die Verwendung eines der drei in dieser Bestimmung genannten Zusätze “100 %”, “rein” oder “ganz” auf dem Etikett oder der Kennzeichnung von Textilerzeugnissen verpflichtend ist.

Da in Art. 7 Abs. 1 der Textilkennzeichnungsverordnung der Begriff “dürfen” steht, kommt der EuGH nachvollziehbar zu dem Ergebnis, dass es hier keine Verpflichtung gibt. Es ist lediglich eine fakultative Möglichkeit, “so erlaubt diese Bestimmung, die Nennung der Bezeichnung der Textilfaser, aus der das fragliche reine Textilerzeugnis besteht, ohne Angabe eines dieser drei Zusätze”, so der EuGH.

Gleiches gilt auch hinsichtlich der Angabe der Gewichtsanteile der Textilfaser nach Art. 9 der Textilkennzeichnungsverordnung. Bei “reinen” Textilerzeugnissen wären dies “100 %”. Auch hier ist der EuGH konsequent:

“Auch die Verpflichtung, den Gewichtsanteil aller im Erzeugnis enthaltenen Fasern in absteigender Reihenfolge anzugeben, kann auf ein reines Textilerzeugnis keine Anwendung finden, da ein solches Erzeugnis definitionsgemäß ausschließlich aus einer Faser besteht.”

Praktische Folgen

Eine fehlerhafte Textilkennzeichnung ist, wie wir aus unserer Beratungspraxis wissen, ein durchaus häufiger Abmahngrund. Bei Textilerzeugnissen, die tatsächlich nur aus einer Textilfaser bestehen (und auch nur dann!), reicht die Faserangabe bspw.:

Baumwolle

Ein weiterer Zusatz kann mit aufgenommen werden, muss jedoch nicht.

Nach unserer Erfahrung ist es bei eBay zum Teil so, dass in den Artikelmerkmalen mehrere Textilfasern angegeben sind, bspw. “Baumwolle / Polyester”. In diesem Fall muss natürlich in absteigender Reihenfolge über den prozentualen Anteil informiert werden.

Im Endergebnis vereinfacht diese EuGH-Entscheidung die Textilkennzeichnung ganz erheblich.

Stand: 23.08.2018

Es berät Sie: Rechtsanwalt Johannes Richard

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