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Leitsätze

1. Auch bei Nutzung pornographischer Internetseiten durch einen Arbeitnehmer am Arbeitsplatz ist eine fristlose Kündigung nur dann gerechtfertig, wenn ein audrückliches Verbot des Arbeitgebers oder eine Nutzungsvereinbarung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber vorhanden ist.

2. Ein Hinweis im Intranet eines Betriebes ist insoweit nicht ausreichend

Landesarbeitsgericht Rheinland Pfalz, AZ 7Sa 1243/03

(4 Ca 3959/02 LU ArbG Ludwigshafen) vom 12.07.2004

Hinweis: Siehe auch  Internetnutzung und Überwachung am Arbeitsplatz – was ist erlaubt?

Tenor:

1.      Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 21.08.2003 – 4 Ca 3959/02 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2.      Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Arbeitgeberkündigung, die auf den Vorwurf des unerlaubten privaten Surfens im Internet während der Arbeitszeit und den Zugriff auf pornografische Seiten gestützt wird.

Der 1962 geborene, geschiedene und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtete Kläger ist bei der Beklagten seit dem 03.01.1985 zuletzt als Chemikant und sogenannter Erstmann in der X. zu einer durchschnittlichen Bruttomonatsvergütung von 2.891,57 € beschäftigt. Der Kläger arbeitet in vollkontinuierlicher Wechselschicht. Die Pausenzeit beträgt je 12-Stunden-Schicht eine Stunde, wobei die Lage der Pausen nicht festliegt. Bei der Beklagten existiert ein Betriebsrat.

Auf der Intranet-Startseite der Beklagten befindet sich seit seiner Einrichtung im September 1999 oben links eine rot unterlegte Schrift, die besagt: “Intranet und Internet nur zum dienstlichen Gebrauch”. Wird diese Schrift angeklickt, erfolgt ein weiterer Warnhinweis, wonach jeder von der Beklagten aus vorgenommene Zugriff auf Internetseiten mit pornografischem, gewaltverherrlichendem oder rassistischem Inhalt registriert und gespeichert wird; Mitarbeiter die entsprechende Internetseiten aufrufen müssen mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen. Die Beklagte hat zudem sowohl über ihre Werkszeitung als auch über den sogenannten Online-Reporter auf das entsprechende Verbot hingewiesen.

Für die Mitarbeiter der X. wurde das Internet erstmals Anfang 2002 freigeschaltet, ohne dass es diesem Anlass eine Schulung über die Internetnutzung stattfand. Nach einer zeitweiligen Sperre im ersten Quartal 2002 wurde das Internet im Mai 2002 erneut freigeschaltet.

Dem Betriebsleiter der X. war im Oktober 2002 aufgefallen, dass die Internet-Nutzungskosten seines Betriebes von 13,83 € im Juni 2002 auf ca. 400,00 € im Oktober 2002 angestiegen war. Der Betriebsleiter hatte den Verdacht, dass das Internet in verstärktem Maße privat genutzt wurde und werkseigenen Ermittlungsdienst ein. Dieser stellte fest, dass im Zeitraum von September bis November 2002 von den Schichtführerzimmern D 309 und D 311 auf Internetseiten mit erotischen und pornografischen Inhalten zugegriffen worden war und zwar in Zeiten, in denen der Kläger und/oder der stellvertretende Schichtführer R. bzw. der Schichtführer C, im Betrieb anwesend waren. Bei der Überprüfung der Rechner in den Schichtführerzimmern wurde zudem auch festgestellt, dass die vom System automatisch angelegte Liste der im Internet angewählten Seiten gelöscht war.

Bei der ersten Befragung durch den Ermittlungsdienst vom 26.11.2002 gab der Kläger an, dass er den Rechner im Schichtführerzimmer D 309 des öfteren zum privaten Surfen im Internet benutzt habe. Aufgerufen habe er vorrangig Seiten mit erotischem Inhalt, wobei er manchmal über diese auch auf Seiten gelangt sei, die als pornografisch bezeichnet werden könnten. Der Zugang zum Internet sei in unregelmäßigen Abständen erfolgt und vorrangig in den Pausenzeiten geschehen. Der Kläger räumte ein, dass er am 03.10.2002 und am 16.10.2002 auch über eine Stunde im Internet war, als vom betrieblichen Ablauf her nicht viel Arbeit angefallen war. Ihm sei nicht bewusst gewesen, dass der Beklagten durch das Surfen Kosten entstehen, und es sei nicht seine Absicht gewesen, die Beklagte zu schädigen.

 In einer zweiten Befragung durch den Ermittlungsdienst am 16.12.2002 gab der Kläger auf Vorhalt an, dass er zeitweise per Internet auch kurz Videosequenzen mit pornografischem Inhalt sowie einzelne Bilder der gleichen Art angeschaut habe. Er habe über die Suchmaschine “google” nach den Begriffen “kostenlose Sexbilder” gesucht. Er sei der Meinung, dass es sich dabei um maximal 30 bis 45 Minuten gehandelt habe. Die ihm vorgehaltene Zeit von fast 3 ½ Stunden erscheine ihm sehr lang, könne aber der tatsächlichen Zeit entsprechen. Auch die 22 Minuten davon, die im Gebäude D 311 auf solchen Seiten gesurft worden sind, seien ihm zuzuordnen. Auf die Seiten mit den Videosequenzen sei er mehr oder weniger durch Zufall gelangt. Seine Neugier habe ihn dazu bewegt, sich die Videos auch mehrmals anzuschauen.

Im Abschlussbericht des Ermittlungsdienstes vom 17.12.2002 hielt der Ermittlungsleiter folgendes fest: Der Kläger habe nicht abgestritten, von der diesbezüglichen Bestimmung der Beklagten gewusst zu haben, die ein solches Verhalten untersage. Der befragte Mitarbeiter R. habe zugegeben, dass ihm bekannt gewesen sei, dass das Surfen zu privaten Zwecken nicht erlaubt sei. Auch dem Mitarbeiter G. sei der Warnhinweis bezüglich der Nutzungsbedingungen des Internets bekannt gewesen.

Die Beklagte hörte den Kündigungsschutzschutz-Ausschuss des Betriebsrats mit Schreiben vom 17.12.2002 zu der beabsichtigten Kündigung des Klägers an. Dieser erhob mit Schreiben vom 20.12.2002 Bedenken gegen die beabsichtigte fristlose Kündigung und widersprach der hilfweisen ordentlichen Kündigung.

Mit Schreiben vom 20.12.2002 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fristlos, hilfsweise unter Einhaltung der Kündigungsfrist zum 31.03.2003. Dagegen hat der Kläger mit am 27.12.2002 beim Arbeitsgericht Ludwigshafen eingegangenem Schriftsatz Kündigungsschutzklage erhoben.

Der Kläger hat vorgetragen,

er räume ein, etwa 5 bis 5 ½ Stunden privat gesurft zu haben, wobei zwischen 55 bzw. 70 Minuten von dieser Zeit Seiten mit pornografischem Inhalt von ihm aufgerufen worden seien. Zeiten, die darüber hinausgingen, seien ihm nicht zuzurechnen, weil zu berücksichtigen sei, dass alle 24 Mitarbeiter der Schicht 2 sowie die dort regelmäßig tätigen Sicherheits- und Qualitätsmanagementbeauftragten Zugriff auf die PC-Arbeitsplätze in den Schichtzimmern hätten. Ihm sei nicht bekannt gewesen, dass der Zugang zum Internet den Mitarbeitern nur zu dienstlichen Zwecken gestattet sei. Der Hinweis auf der Intranet-Startseite sei nicht bekannt, da er grundsätzlich über die Windows-Schaltfläche auf das Windows-Startzeichen unten links drücke und dann über die Auswahl “suchen” eine erneute Auswahl erhalte. Etwa im Mai oder Juni 2002 sei auf dieser Funktion “suchen” aufeinmal unangekündigt die Auswahl “Internet” erschienen. Eine Ankündigung innerhalb des Betriebes, ein Hinweis, entsprechende Schulungen oder auch ausdrückliche Anweisungen habe es diesbezüglich nicht gegeben. Auch für die Nutzung des sogenannten Mitarbeiterkiosks, der als Funktion im Intranet hinterlegt ist, sei es nicht erforderlich gewesen, zunächst die Intranet-Startseite anzuklicken. Als er den Kiosk erstmals habe nutzen wollen, sei bereits ein entsprechender Schaltbutton zum Anklicken auf dem Desktop hinterlegt gewesen.

Der Kläger hat beantragt,

1.      festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 20.12.2002 nicht aufgelöst worden ist;

2.      die Beklagte zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Chemikant weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen,

der Kläger habe in der Zeit vom 09.09.2002 bis 30.11.2002 insgesamt 18 Stunden und 14 Minuten vom Rechner des Schichtführerzimmers D 309 und 22 Minuten vom Rechner des Schichtführerzimmers D 311 zu privaten Zwecken auf das Internet zugegriffen. Davon seien 4 Stunden 53 Minuten auf Seiten mit pornografischen Inhalten entfallen. Die Mitarbeiter der X. seien im Rahmen der Schulung zur Anwendung des Pergamon-Programms von dem zuständigen EDV-Verantwortlichen auf die Warnhinweise der Intranet-Startseite und des Verbotes des Zugriffs auf Internet-Seiten mit pornografischem Inhalt ausdrücklich aufmerksam gemacht worden. Durch die erstmalige Freischaltung des Internets im Jahr 2002 sei die Internet-Nutzung Gesprächsthema in der X. gewesen, sowohl im Austausch der Mitarbeiter mit der Betriebsleitung und den Systemadministratoren als auch unter den Mitarbeitern. Der Kläger könne nicht ernsthaft geltend machen, ihn habe als einzigen diese Diskussion nicht erreicht.

Das Arbeitsgericht hat im Kammertermin vom 21.08.2003 Beweis erhoben über die Behauptung der Beklagten, die Mitarbeiter X. seien im Rahmen der Schulung zur Anwendung des Pergamon-Programms von dem zuständigen EDV-Verantwortlichen auf die Warnhinweise der Intranet-Startseite und das Verbot des Zugriffs auf Internet-Seiten mit pornografischem Inhalt ausdrücklich aufmerksam gemacht worden, durch Vernehmung der Zeugen W., V., U., T. und S.; hinsichtlich des Inhalts des Beweisbeschlusses wird auf Blatt 84 der Akte, hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme auf die Sitzungsniederschrift vom 21.08.2003 (Bl. 125 ff. d. A.) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht Ludwigshafen hat daraufhin durch Urteil vom 21.08.2003 – 4 Ca 3959/02 – festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 20.12.2002 nicht aufgelöst worden ist und die Beklagte verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Chemikant weiterzubeschäftigen. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Blatt 133 bis 144 der Akte Bezug genommen.

Gegen das ihr am 09.09.2003 zugestellte Urteil hat die Beklagte durch am 30.09.2003 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Sie hat die Berufung durch am 05.11.2003 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.

 Die Beklagte wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, die erklärten Kündigungen seien rechtswirksam, weil sich der Kläger während seiner Arbeitszeit in einem von seinem Arbeitgeber nicht tolerierbarem Ausmaß und entgegen eindeutiger Verbote Zugang zu Internetseiten mit erotischen und pornografischen Inhalten verschafft habe. Eine Abmahnung sei verzichtbar gewesen, weil dem Kläger die Rechtswidrigkeit seines Tuns ohne weiteres erkennbar gewesen sei. Der Kläger verfüge über ausgezeichnete EDV-Kenntnisse; das betriebliche Verbot der Internet-Nutzung zu privaten Zwecken bzw. entsprechende Warnhinweise auf der Intranet-Startseite sei dem Kläger ebenso wie seinen Schichtkollegen bekannt gewesen. Dieses Verbot werde nicht dadurch in Frage gestellt, dass ein nachgeordneter Mitarbeiter (der Zeuge W.) auf entsprechende Fragen der Mitarbeitern erklärt haben wolle, die private Nutzung des Internets sei zwar grundsätzlich verboten, aber “man” habe gewiss nichts dagegen, “wenn man” nur kurz ins Internet gehe. Es habe dem Zeugen überhaupt nicht zugestanden, das unbeschränkte Verbot seines Arbeitgebers in ein eingeschränktes aufzuweichen. Selbst dieses durch den Zeugen W. “interpretierte” Verbot habe der Kläger zudem missachtet. Kein vernunftbegabter Arbeitnehmer könne annehmen, dass ein Arbeitgeber Ausflüge ins Internet von bis zu 134 Minuten nonstop hinnehme, selbst wenn darin in einem gewissen Umfang Pausenzeiten enthalten seien. Zudem habe der Kläger durch sein Verhalten massiv gegen die Sicherheitsbestimmungen der Beklagten verstoßen. Er habe in gröbster Weise die ihm obliegende Aufsichtspflicht bezüglich des ihm vertrauen Anlagenteils missachtet. Der Beklagten sei durch das private Internetsurfen des Klägers ein Schaden in Höhe von 234,13 €, zumindest aber in Höhe von 102,74 € entstanden. Hinsichtlich der Berechnung des Schadens wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 24.03.2004 (Bl. 253 ff. d. A.) Bezug genommen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 21.08.2003 mt dem Az.: 4 Ca 3959/02 wird abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens und hebt insbesondere hervor, ohne vorherige Abmahnung seien die streitgegenständlichen Kündigungen rechtsunwirksam. Das Verhalten der Beklagten im hier maßgeblichen Zusammenhang sei nicht so eindeutig gewesen, wie von ihr dargestellt. Der Kläger habe zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungen keinerlei Kenntnisse von dem von der Beklagten hinterlegten Warnhinweis auf der Intranet-Startseite gehabt und diese Intranet-Startseite habe er auch zu keinem Zeitpunkt benutzt. Desweiteren sei das Ausmaß der von der Beklagten behaupteten Privatnutzung zu bestreiten. Desweiteren sei nicht ersichtlich, dass der Beklagten ein finanzieller Nachteil entstanden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

Das Rechtsmittel der Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Denn das Arbeitsgericht ist sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger die begehrte Feststellung der Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Kündigung sowie die Verurteilung der Beklagten zur einstweiligen Weiterbeschäftigung verlangen kann.

Denn mit dem Arbeitsgericht ist vorliegend davon auszugehen, dass die Voraussetzungen des § 626 BGB für die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vorliegend nicht gegeben sind.

Ein wichtiger Grund im Sinne der Generalklausel der § 626 Abs. 1 BGB für eine außerordentliche Kündigung liegt dann vor, wenn Tatsachen gegeben sind, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und in der Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Frist für eine ordentliche Kündigung nicht zugemutet werden kann. Damit wird der wichtige Grund zunächst durch die objektiv vorliegenden Tatsachen bestimmt, die an sich geeignet sind, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar zu machen. Kündigungsgrund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB ist deshalb jeder Sachverhalt, der objektiv das Arbeitsverhältnis mit dem Gewicht eines wichtigen Grundes belastet (vgl. BAG AP-Nr. 4, 42, 63 zu § 626 BGB). Entscheidend ist nicht der subjektive Kenntnisstand des Kündigenden, sondern der objektiv vorliegende Sachverhalt, der objektive Anlass. Berücksichtigt werden können nur die bis zum Ausspruch der Kündigung eingetretenen Umstände bei der Überprüfung der Frage, ob sie als Kündigungsgrund an sich geeignet sind.

Die danach zu berücksichtigenden Umstände müssen nach verständigem Ermessen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zumutbar erscheinen lassen (BAG AP-Nr. 4 zu § 626 BGB). Bei der Bewertung des Kündigungsgrundes und bei der nachfolgenden Interessenabwägung ist ein objektiver Maßstab anzulegen, so dass subjektive Umstände, die sich aus den Verhältnissen der Beteiligten ergeben, nur aufgrund einer objektiven Betrachtung zu berücksichtigen sind. Die danach maßgeblichen Umstände müssen sich konkret nachteilig auf das Arbeitsverhältnis auswirken; da der Kündigungsgrund zukunftsbezogen ist und die Kündigung keine Sanktion für das Verhalten in der Vergangenheit darstellt, kommt es auf seine Auswirkungen auf die Zukunft an. Da es um den zukünftigen Bestand des Arbeitsverhältnisses geht, muss dessen Fortsetzung durch objektive Umstände oder die Einstellung oder das Verhalten des Gekündigten im Leistungsbereich, im Bereich der betrieblichen Verbundenheit aller Mitarbeiter, im persönlichen Vertrauensbereich (der Vertragspartner) oder im Unternehmensbereich konkret beeinträchtigt sein (BAG EzA § 626 BGB Nr. 11, EzA § 626 BGB n.F. Nr. 7).

 Die erforderliche Überprüfung gem. § 626 Abs. 1 BGB vollzieht sich folglich zweistufig:

Zum einen muss ein Grund vorliegen, der unter Berücksichtigung der oben skizzierten Kriterien überhaupt an sich geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Insoweit handelt es sich um einen Negativfilter, d. h., dass bestimmte Kündigungsgründe eine außerordentliche Kündigung von vornherein nicht rechtfertigen können.

Zum anderen muss dieser Grund im Rahmen einer Interessenabwägung unter besonderer Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere auch des Verhältnismäßigkeitsprinzips zum Überwiegen der berechtigten Interessen des Kündigenden an der – in der Regel – vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen.

Entscheidender Zeitpunkt ist der des Ausspruchs der Kündigung.

Die in den aufgehobenen gesetzlichen Vorschriften der §§ 123, 124 Gewerbeordnung, 71, 72 HGB nach altem Recht genannten Beispiele für wechselseitige wichtige Gründe (z. B. Arbeitsvertragsbruch, beharrliche Arbeitsverweigerung) sind als wichtige Hinweise für typische Sachverhalte anzuerkennen, die an sich geeignet sind, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung zu bilden und die Kündigung in der Regel auch zu rechtfertigen, wenn keine besonderen Umstände zugunsten des Gekündigten sprechen (vgl. BAG AP-Nr. 99 zu § 626 BGB). “Absolute Kündigungsgründe”, die ohne eine besondere Interessenabwägung eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen, bestehen andererseits jedoch nicht (BAG SAE 1986, S. 5).

Systematisch kann nach Störungen im Leistungsbereich, im betrieblichen Bereich der Verbundenheit aller Mitarbeiter, im persönlichen Vertrauensbereich der Vertragspartner und im Unternehmensbereich unterschieden werden.

Die Kammer teilt die Auffassung des Arbeitsgerichts, dass vorliegend ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB nach Maßgabe des zuvor dargestellten Prüfungsmaßstabes nicht vorgelegen hat. Denn der Kläger hatte entgegen der Auffassung der Beklagten keine positive Kenntnis von der ausdrücklichen Anweisung, das Internet nur zum dienstlichen Gebrauch zu benutzen und keinesfalls Seiten mit pornografischen Inhalten aufzurufen.

 Inwieweit eine private Nutzung des betrieblichen Internetanschlusses eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung darstellt, die eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen kann, ist, wie das Arbeitsgericht zu Recht angenommen hat, nicht abschließend geklärt. Es liegt nahe, einen an den Folgen ungenehmigter Privattelefonate während der Arbeitszeit angelehnten Maßstab zu verwenden. Dabei ist mit dem Arbeitsgericht davon auszugehen, dass derartige Privattelefonate im Regelfall nicht ohne ein ausdrückliches Verbot oder eine vorausgegangene einschlägige Abmahnung eine Kündigung rechtfertigen können (vgl. insbesondere LAG Niedersachsen LAGE § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 63; LAG Köln, 02.07.1998 LAGE § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 66). Diese Auffassung beruht darauf, dass die Gestattung von Privattelefonaten im angemessenen Umfang eine im Privat- und Arbeitsleben sozial typische Erscheinung ist und das Telefonverhalten des Arbeitnehmers durch die dem Arbeitgeber zur Verfügung stehenden Verbindungsnachweise kontrollierbar ist. Auf dieser Grundlage besteht, solange der Arbeitnehmer nicht einem eindeutigen Verbot des Arbeitgebers zuwiderhandelt oder die Verbindungsnachweise dem Arbeitgeber verborgen sind, regelmäßig kein Sachverhalt, der auf einen strafbaren Versuch einer rechtswidrigen Bereicherungshandlung schließen lassen könnte. Gleichermaßen muss ein Arbeitnehmer ohne ein ausdrückliches Verbot nicht davon ausgehen, dass der Arbeitgeber ein solches Verhalten auf keinen Fall hinnehmen würde, solange er nicht Kosten auslöst, mit deren Duldung durch den Arbeitgeber er nicht rechnen durfte.

 Geht man von diesen Grundsätzen aus, ergeben sich mit dem Arbeitsgericht für die durchaus ähnlich gelagerten Fälle des privaten Internetsurfens vom Arbeitsplatz folgende Prüfungskriterien: Nutzt der Arbeitnehmer das Internet entgegen einer einschlägigen Abmahnung oder eines ausdrücklichen Verbots des Arbeitgebers für private Zwecke, so stellt dies eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung dar, die eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen kann. Hat der Arbeitgeber dagegen die private Nutzung genehmigt bzw. über einen längeren Zeitraum hinweg widerspruchslos geduldet, kommt eine Kündigung nur in Ausnahmefällen in Betracht, nämlich dann, wenn die Nutzung in einem Ausmaß erfolgt, von dem der Arbeitnehmer nicht mehr annehmen durfte, sie seien auch von dem Einverständnis des Arbeitgebers gedeckt.

Im vorliegenden Arbeitsverhältnis hatte der Kläger bislang keine Abmahnung wegen privaten Internetsurfens erteilt bekommen. Die Beklagte konnte auch nicht nachweisen, auch insoweit folgt die Kammer dem Arbeitsgericht, dass der Kläger Kenntnis hatte von einer ausdrücklichen Anweisung der Beklagten, wonach die Zugangsmöglichkeit zum Internet nur zum dienstlichen Gebrauch eröffnet und der Zugriff auf pornografische Seiten unter Androhung arbeitsrechtlicher Konsequenzen verboten ist. Denn der Kläger hat einen Weg von der Windowsoberfläche ins Internet dargelegt, durch dessen Nutzung er nicht mit dem Warnhinweis der Beklagten auf der Intranet-Startseite konfrontiert wird. Die Beklagte hat eingeräumt, dass es diesen Zugangsweg auch tatsächlich gibt. Dabei mag es sich nicht um den Standardweg handeln. Zu dessen Verwendung ist der Kläger aber nicht verpflichtet, zumal es eine Schulung zur Einführung des Internets nicht gegeben hat. Der Kläger hat auch dargelegt, dass zum Besuch des sogenannten Mitarbeiterkiosks das Aufrufen der Intranet-Startseite nicht erforderlich war. Er hat insoweit vorgetragen, dass zum Zeitpunkt, als er diese Funktion erstmals nutzen wollte, bereits ein Startbutton auf der Windowsoberfläche hinterlegt war, den er nur noch anzuklicken hatte. Von daher hatte der Kläger auch in diesem Zusammenhang keine Kenntnis von der Intranet-Startseite mit dem dort hinterlegten Warnhinweis erhalten.

Mit dem Arbeitsgericht ist auch entgegen der Behauptung der Beklagten davon auszugehen, dass der Hinweis, dass die Privatnutzung des Internets verboten ist, auch nicht Inhalt der Schulung zur Anwendung des Pergamon-Programms war. Im Rahmen der Beweisaufnahme im Kammertermin vom 21.08.2003 hat der Zeuge W. als der damalige Schulungsleiter der Beklagten unmissverständlich ausgesagt, dass das Internet als solches und damit auch die bestehenden Verbotshinweise für die private Nutzung kein Schulungsbestandteil gewesen seien. Er hat vielmehr ausgeführt, dass er auf die Anfrage einzelner Mitarbeiter, inwieweit das Internet privat genutzt werden könne, geantwortet hat, dies sei zwar grundsätzlich verboten, könne aber in angemessenem Umfang erfolgen, solange sich der Nutzer nicht anmelde oder Daten herunterlade. Soweit sich die Beklagte im Verlauf der weiteren Verhandlungen diese Äußerungen nicht zurechnen lassen wollte, hat das Arbeitsgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass die Beklagte selbst den Zeugen W. als den zuständigen Schulungsverantwortlichen benannt hat und sich auf den von ihm angeblich weitergegebenen Warnhinweis beziehen wollte. Von daher ist auch die entgegen gesetzte Äußerung des Zeugen, mit welchem er das bestehende Verbot zur privaten Nutzung des Internets in starkem Umfang relativierte, vorliegend zu verwerten.

Die Kenntnis des Klägers von dem Verbot des Aufrufs pornografischer Seiten kann mit dem Arbeitsgericht auch nicht daraus abgeleitet werden, dass es entsprechende Hinweise der Beklagten in ihrer Werkszeitung oder in ihrem Online-Reporter gegeben hat. Die Beklagte hat insoweit nicht nachgewiesen, dass der Kläger die entsprechenden Medien tatsächlich erhalten und gelesen hat.

Die Kammer teilt desweiteren die Auffassung des Arbeitsgerichts, dass der Bezug der Beklagten darauf, dass das Thema Internet nur zum Jahr 2002 zu einer Fülle von Gesprächen zwischen Mitarbeitern und Betriebsleitung sowie unterhalb der Mitarbeiter Anlass gegeben hat, nicht ausreicht, dem Kläger eine Kenntnis von den betrieblichen Verboten der privaten Internetnutzung unterstellen zu können. Die Vielzahl der geführten Gespräche sind im Gegenteil ein klares Indiz dafür, dass es eine eindeutige Handhabe durch die Beklagte gerade nicht gegeben hat und die Mitarbeiter daher nicht wussten, was letztendlich gelten sollte. Dazu passt es auch, dass der Zeuge W. eine gewisse private Nutzung des Internets noch für tolerabel erklärt hat und der Kündigungsschutzausschuss des Betriebsrats in seiner Stellungnahme zur beabsichtigten Kündigung auf den vollkommen uneinheitlichen Informationsstand im Betrieb verwiesen hat.

Soweit die Beklagte darauf verwiesen hat, dass bei Überprüfung der Rechner die automatisch angelegten Listen der im Internet angewählten Seiten gelöscht waren, konnten nicht nachgewiesen werden, dass die Löschung nicht vom Kläger durchgeführt worden ist. Nicht nur der Kläger hatte Zugriff auf die Rechner, sondern weitere sechs Mitarbeiter der Schicht 2, die einen Schlüssel für die Schichtführerzimmer haben und damit für die Löschung ebenso in Betracht kommen.

Wenn bereits keine Kenntnis des Klägers vom ausdrücklichen Verbot der privaten Internetnutzung bestand, kann das Surfen des Klägers mit dem Arbeitsgericht auch keine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen.

Das Vorbringen der Beklagten im Berufungsverfahren rechtfertigt keine abweichende Beurteilung des maßgeblichen Lebenssachverhaltes.

Zum einen hebt die Beklagte hervor, das Verbotensein des privaten Internetsurfens sei für den Kläger ohne weiteres erkennbar gewesen, eine Hinnahme seines Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen, so dass eine Abmahnung entbehrlich gewesen sei. Diese Auffassung teilt die Kammer vorliegend nicht. Eine Abmahnung “an den, den es angeht” aufgrund von Bekanntgaben durch betriebsübliche und jedermann zugänglichen Informationsquellen lehnt die Kammer ab. Mit dem Arbeitsgericht ist vielmehr davon auszugehen, dass das der Beklagten zuzurechnende Gesamtverhalten z. B. des Mitarbeiters W. ebenso wie die vom Betriebsrat in der Anhörung dargestellten zahlreichen Gespräche unter den Mitarbeitern nur so zu verstehen sind, dass eben keine Klarheit für die betroffenen Mitarbeiter über die Abgrenzung zwischen erlaubt und nicht erlaubt im Hinblick auf privates Internetsurfen gegeben war. Das Arbeitsgericht hat demgegenüber völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass der Zeuge W. als der zuständige Schulungsverantwortliche ausgesagt hat, dass er auf die Anfrage einzelner Mitarbeiter, inwieweit das Internet private genutzt werden könne, geantwortet hatte, dies sei zwar grundsätzlich verboten, könne aber in angemessenem Umfang erfolgen, solange sich der Nutzer nicht anmelde oder Daten herunterlade. Die Kammer geht insoweit davon aus, dass bei Unklarheiten wie vorliegend eine Kündigung erst dann in Betracht kommt, wenn der Arbeitgeber zuvor die Beurteilung der Situation aus seiner Sicht eindeutig klargestellt hat bzw. eine einschlägige Abmahnung erteilt hat. Soweit die Beklagte z. B. im Schriftsatz vom 04.11.2003 versucht hat, die Kenntnis des Klägers von dem Verbot bezüglich der Intranet-Startseite mit dem roten Warnhinweis zu belegen, ist darauf hinzuweisen, dass es sich insoweit im Wesentlichen um Mutmaßungen handeln, die eine konkrete Erkenntnis des Klägers letztlich nicht belegen. Unerheblich ist im Übrigen, ob es dem Zeugen W. zustand, das unbeschränkte Verbot seines Arbeitgebers in ein beschränktes zu realisieren, denn unabhängig von einer etwaigen Befugnis belegt seine Aussage, wie bereits dargelegt, ebenso wie die Stellungnahme des Betriebsrats die offensichtlich erhebliche Unsicherheit unter den Mitarbeitern der Beklagten, die sich die Beklagte letztlich zurechnen lassen muss. Wegen dieser Unklarheiten ist auch nach Auffassung der Kammer irrelevant, dass der Kläger das betriebliche Verbot auch in der eingeschränkten “Version W.” verletzt hat. Soweit die Beklagte grundsätzlich völlig zu Recht darauf hingewiesen hat, dass kein vernunftbegabter Arbeitnehmer annehmen darf, dass ein Arbeitgeber Ausflüge ins Internet von bis zu 134 Minuten nonstop hinnehme, selbst wenn darin in einem gewissen Umfang Pausenzeiten enthalten sein sollten, ist andererseits zu berücksichtigen, dass die bestehende Unklarheit im Hinblick auf die Internetnutzung, die das Arbeitsgericht nach Auffassung der Kammer völlig zutreffend gewürdigt hat, dies keineswegs ausschließt. Die Möglichkeit der privaten Internetnutzung auch während der Arbeitszeit ist inzwischen teilweise sozialadäquat, so dass es Sache des Arbeitgebers bzw. der Betriebspartner ist, durch entsprechende eindeutige Hinweise, arbeitsvertragliche Regelungen, Betriebsvereinbarungen dieses Thema eindeutig und umfassend zu regeln. Gerade wegen dieser Unklarheiten ist letztlich auch unerheblich, ob und in welcher Höhe der Beklagten ein bezifferbarer Schaden entstanden ist.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

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