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Telefonnetzbetreiber haften für ungesetzliche 0190-Dialer

Das Kammergericht Berlin hat am 27.01.2003 (Az.: 26 U 205/01) zur Thematik Mithaftung des Telefonnetzbetreibers bei illegalen 0190-Dialern getroffen.

Hintergrund waren Ansprüche eines Berliner Telefonnetzbetreibers gegenüber einem Kunden, deren Sohn über einen 0190-Dialer Verbindungsentgelte von insgesamt 15.770,92 DM verursacht hatte.

Der Sohn hatte einen Internetdialer heruntergeladen, der ihm einen “Highspeed-Zugang in bester Bildqualität durch neuster Streamingtechnologie” versprach. Die entsprechenden Internetseiten enthielten die Aufforderung eine Gratiszugangssoftware herunterzuladen. Nachdem der Sohn festgestellt hatte, dass die entsprechende Software dazu diente, eine Verbindung zum Betreiber zum Preis von 3,36 DM pro Minute herzustellen, wie sich aus einem Hinweisfenster ergab, löschte er das entsprechende Programm. Er war jedoch nicht darauf hingewiesen worden, dass durch das Programm im DFÜ-Netzwerk des Windows-Betriebssystems eine neue DFÜ-Verbindung eingerichtet worden war, die als Standardverbindung zum Internet im Betriebssystem eingestellt wurde. Da er die Verbindungsoptionen der Software “Internetexplorer” gewählt hatte, immer “Standardverbindungen wählen” erfolgte in der Folgezeit jede Einwahl über das Internet über die 0190-Nummer.

Bei dem Diensteanbieter handelte es sich um eine nicht näher erreichbare Firma im Spanien.

Die erste Instanz hatte der Klage überwiegend stattgegeben. Es hatte zur Begründung ausgeführt, die Anwahl der Nummer sei von den Eltern zu vertreten, da sie ihrem Sohn den ungehinderten Zugang zum Computer ermöglicht haben. Zudem müßten sich die Eltern das Verhalten des Sohnes nach den Regeln über die Anscheinsvollmacht zurechnen lassen. Eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung greife nicht durch, da die Klägerin das Verhalten des Diensteanbieters sich nicht zurechnen lassen müsse.

Das Oberlandesgericht hat auf die Berufung der Eltern das Urteil aufgehoben und die Klage zum größten Teil abgewiesen.

Interessant ist sowohl der vertragliche Hintergrund wie auch die rechtliche Begründung. Der Netzbetreiber hatte mit der Telekom einen sogenannten Interconnection-Vertrag geschlossen, demzufolge der Netzbetreiber an die Telekom Mehrwertdiensteverbindungen zahlt und dabei durch einen geringen Aufschlag auch noch etwas verdient.

Der Netzbetreiber muß sich nach Ansicht des Gerichtes das Verhalten des Diensteanbieters, d.h., des Inhabers der 0190-Nummer gemäß § 278 BGB als Verhandlungsgehilfe anrechnen lassen.

Durch den Interconnection-Vertrag mit der Telekom hat der Netzanbieter dabei grundsätzlich das Risiko in Kauf genommen, sich Einwendungen ihrer Anschlussinhaber auszusetzen, da schon im Jahr 1999 bekannt war, dass auch unseriöse Anbieter in nicht unerheblichem Umfang das System der Mehrwertdienste nutzt.

Berücksichtigt hat das Gericht dabei insbesondere, dass der Netzbetreiber ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Herstellung von Mehrwertdienstetelekommunikationsverbindungen hat, da sie hieran verdient. Auch die Werbung des Diensteanbieters muß sich der Netzbetreiber zurechnen lassen.

Insbesondere hat der Netzbetreiber von der falschen Information profitiert, dass die Software des Dialers als kostenlos angepriesen wurde und die versprochene Leistung nicht erbracht wurde.

Besonders interessant sind die Ausführungen des Oberlandesgerichtes zu den Sorgfaltspflichten, die der 0190-Dienstebetreibern vorliegend verletzt hat.

Zum einen nimmt das OLG an, dass die Nummer im Internet fehlerhaft beworben wurde. Das Angebot läßt nicht zwingend ersehen, dass die Software dazu dienen sollte, das Angebot über das Internet abzurufen. Weder aus der Werbung noch aus zusätzlichen Hinweisen ergab sich zudem, dass die Software einen Standard-DFÜ-Eintrag vornahm. Darüber hinaus wurde nicht darauf hingewiesen, dass ein bloßes Löschen der Software nicht ausreicht, um sämtliche von der Software verursachten Änderungen im Betriebssystem rückgängig zu machen. Der Hinweis, es müsse ein weiteres Programm heruntergeladen werden, um die komplette Deinstallation zu bewirken, macht nicht deutlich, dass allein durch das Starten des Programmes Manipulationen am Betriebssystem vorgenommen werden.

Der Anbieter hat insoweit gegen seine Aufklärungspflichten verstoßen, da er nicht deutlich gemacht hat, dass allein durch den einmaligen Aufruf der Software eine neue Standard-DFÜ-Verbindung für alle Einwahlen in das Internet geschaffen wird.

Ein entsprechender Warnhinweis, wie vom Netzbetreiber vorgetragen, war für das Gericht nicht nachvollziehbar, in jedem Fall jedoch nicht ausreichend, um darzulegen, dass die Gefahr der unbeabsichtigten und sich ständig wiederholenden Verbindung zu den genannten Rufnummern damit beseitigt werden, zumal über die Gestaltung, die Deutlichkeit und die Dauer eines solchen Hinweises nichts vorgetragen wurde.

Für die Eltern ergibt sich somit ein Schadensersatzanspruch als culpa in contrahendo, der sich danach richtet, so gestellt zu werden, als wäre nicht das tatsächlich geschlossene sondern gewünschte Rechtsgeschäft zustande gekommen. Die Eltern wurden daher verurteilt, die normale Vergütung für eine Internetverbindung des Netzbetreibers zu zahlen, damals 0,03448 DM pro Minute.

Das Gericht hat gegen die Entscheidung des Senates die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen, “um die Rechtsfrage der Zurechnung der Werbung des Mehrwertdiensteanbieters einer höchstrichterlichen Überprüfung zugänglich zu machen. Die Frage ob unrichtige oder unlautere Angaben des Anbieters von Telekommunikations- Mehrwertdienstleistungen dem Netzbetreiber im Verhältnis zum Anschlussinhaber zuzurechnen ist, ist bisher nicht Gegenstand höchstrichterlicher Rechtsprechung gewesen ….. Die Rechtsfrage hat auch grundsätzliche Bedeutung, da die Zahl der sogenannten Internet-Dialer in den letzten Monaten zugenommen hat und sich das Problem der Haftung von Anschlussinhabern gegenüber ihren Teilnehmern, Netzbetreibern in erhöhtem Umfang stellt.”

Kommentar:

Das Urteil ist ausdrücklich zu begrüßen. Hält sich nach unserer Auffassung jedoch von der Praxisrelevanz in Grenzen.

Vorliegend war der Fall gegeben, dass der Netzbetreiber selbst das Inkasso für den Mehrwertdienst übernimmt. Diese Fälle sind heute eher selten geworden, da bspw. die Telekom das Inkasso in den meisten Fällen dem Netzbetreiber selbst überlässt und in der Praxis auf entsprechende Einwende gegen die Rechnung auch entsprechend reagiert.

Im vorliegenden Fall ist es nur richtig, den Netzbetreiber auf Grund des geschlossenen Interconnection-Vertrages mit in die Verantwortung zu nehmen. Dies gilt um so mehr, als dass der Netzbetreiber, wie dargelegt, ein eigenes finanzielles Interesse an dem Zustandekommen von Mehrwertdiensteverbindungen hat.

In der Praxis relevanter werden jedoch die Ausführungen des Kammergerichtes zu den Informationspflichten des Diensteanbieters gehalten.

Fehlende Informationen des 0190-Dialeranbieters über den entsprechenden Vertragsschluß und darüber, wie sich der Dialer in das System einnistet, können nach zutreffender Ansicht keinen Entgeltanspruch auslösen.

Auf die Frage, ob die versprochene Leistung eines Highspeedzuganges überhaupt gewährt wurde bzw. ob die Information bei dem ersten Aufruf des Dialers entsprechend den Verbraucherschutzvorschriften überhaupt ausreichend war, ist das Kammergericht leider nicht eingegangen.

Interessant ist auch die Ansicht, dass die Verbindung, die über den Dialer hergestellt wurde, entsprechend des üblichen Tarifes zu vergüten ist. Es gibt bereits amtsgerichtliche Rechtsprechung, die nachvollziehbar ausführt, dass sich ein entsprechender Anspruch mangels Vertragsschluß eigentlich nur aus Bereicherungsrecht ergeben könnte, der Kunde jedoch nicht bereichert ist und somit auch nichts zu zahlen ist.

Es bleibt zu hoffen, dass der Bundesgerichtshof, der Netzbetreiber hat bereits angekündigt, die Revision durchführen zu wollen, sich ausführlich mit der Frage der Informationspflichten und Vergütungspflichten von Mehrwertdiensteanbietern beschäftigt.

Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Johannes Richard, Rostock

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