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Die Schutzschrift – wann sie Sinn macht und wann nicht

Für den Fall, dass bei einer Abmahnung keine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben wird, kann der Abmahner vor Gericht Klage auf Unterlassung einreichen und zwar in der Regel durch den Antrag auf eine einstweilige Verfügung. Bei einer einstweiligen Verfügung handelt es sich um ein Eilverfahren. Die einstweilige Verfügung selbst ist ein Beschluss und wird in der Regel ohne Anhörung des Abgemahnten erlassen. Dieser hat später im Rahmen des Widerspruchsverfahrens die Möglichkeit, gegen die einstweilige Verfügung vorzugehen und seine Sicht der Dinge vorzutragen. Unabhängig davon ist die einstweilige Verfügung mit Zustellung sofort wirksam und kann somit sehr weitreichende Folgen haben. Der Abgemahnte hat zwar die Möglichkeit, bei einer späteren Aufhebung der einstweiligen Verfügung gemäß § 945 ZPO Schadenersatz geltend zu machen. Unabhängig davon kann es jedoch Einschränkungen durch die einstweilige Verfügung geben, die sich in Geld kaum aufwiegen lassen.

Die Schutzschrift

Um zu verhindern, dass eine einstweilige Verfügung erlassen wird, besteht die Möglichkeit, eine sogenannte Schutzschrift bei Gericht einzureichen. Im Rahmen einer Schutzschrift wird darum gebeten, dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht zu entsprechen oder zumindest nicht ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden. Eine Schutzschrift stellt sozusagen eine Klagerwiderung, eine Klage oder einen Antrag auf einstweilige Verfügung dar, die noch gar nicht eingereicht worden ist.

Das Gericht, das den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung bspw. zu entscheiden hat, muss ihm bekannte Schutzschriften dementsprechend berücksichtigen.

Tatsächliche Probleme der Schutzschrift-Hinterlegung

Die Frage einer Schutzschrift wird im Rahmen von Beratungen von Abmahnungen gegenüber unseren Mandanten regelmäßig angesprochen. Schutzschriften sind jedoch nicht so unproblematisch und zudem auf keinen Fall ein Allheilmittel gegen Abmahnungen, wie es auf ersten Blick erscheinen mag.

Das erste Problem bei Schutzschriften ist, dass gerade bei Verstößen im Internet die Abmahner über den sogenannten fliegenden Gerichtsstand die Möglichkeit haben, sich das Gericht, bei dem sie einen Antrag auf einstweilige Verfügung stellen wollen, frei auszusuchen. Faktisch gibt es über 50 Landgerichte in Deutschland, die bei Wettbewerbsverstößen entscheiden können. Eine eingereichte Schutzschrift nützt nur wenig, wenn das Gericht, das hinterher tatsächlich über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung entscheidet, diese Schutzschrift nicht kennt. Natürlich ist es so, dass es immer wieder gleiche Gerichte gibt, die bspw. gerade bei Fragen des Wettbewerbsrechts im Internet gern durch Abmahner angerufen werden. Zu nennen ist hier bspw. Hamburg, Berlin, Bochum oder München. Allein aus dem Umstand, dass diese Gerichte häufig von Abmahnern gewählt werden oder bestimmte Rechtsanwaltskollegen gern bestimmte Gerichte anrufen, lässt sich jedoch nicht schlussfolgern, dass eine Schutzschrift auch tatsächlich zum Einsatz kommt.

Im Internet gibt es unter https://www.schutzschriftenregister.de/Default.aspxeinen Anbieter, der ermöglicht, dass Schutzschriften zentral im Internet hinterlegt werden. Die teilnehmenden Gerichte sind jedoch überschaubar. U. a. gehören die Landgerichte Frankfurt, Hamburg oder Nürnberg-Fürth dazu. Ob zudem tatsächlich in jedem Wettbewerbsverfahren dieses Register abgefragt wird, wissen wir nicht.

Somit bleibt das Problem, dass es gerade bei Verstößen im Internet eine unüberschaubare Anzahl von möglichen Gerichten gibt, was zu einem erheblichen logistischen Aufwand bei der Einreichung von Schutzschriften führen kann.

Wann eine Schutzschrift Sinn macht

Die Einreichung einer Schutzschrift hat noch lange nicht zur Folge, dass eine beantragte einstweilige Verfügung nicht erlassen wird. In der Regel wird eine einstweilige Verfügung ohne mündliche Verhandlung und ohne Anhörung des Abgemahnten erlassen. Das Gericht kennt somit die Sachverhaltsdarstellung und die Argumente des Abgemahnten nicht und kann diese naturgemäß bei Erlass der einstweiligen Verfügung auch nicht berücksichtigen. Folge ist, dass rein statistisch gesehen die Quote der Aufhebungen von einstweiligen Verfügungen im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens relativ hoch ist.

Eine Schutzschrift macht nur dann Sinn, wenn sie tatsächlich gute Argumente enthält, die gegen den Erlass einer einstweiligen Verfügung sprechen. Nach unserer Erfahrung sind es eher faktische als denn rechtliche Argumente, die verhindern können, dass eine einstweilige Verfügung erlassen wird. Über die Rechtslage wird sich das Gericht schon selbst Gedanken machen. Fälle, in denen auf Grund einer abwegigen Rechtslage eine einstweilige Verfügung erlassen wird, sind eher selten. Es sind eher faktische Informationen zum Sachverhalt, die den Erlass einer einstweiligen Verfügung verhindern können. Hierbei muss schon die Mühe aufgewandt werden, sich so konkret wie möglich unter Beifügung der geeigneten Beweismittel mit dem Sachverhalt auseinanderzusetzen. Das Landgericht Hamburg hat bspw. mit Beschluss vom 30.06.2009, Az.: 308 O 315/09, darauf hingewiesen, dass Schutzschriften im Bereich des Filesharings einen geltend gemachten Anspruch nicht entkräften können, wenn hier lediglich Rechtsausführungen enthalten sind, jedoch zum Fall selbst nicht substantiiert vorgetragen wird.

Eine Schutzschrift lohnt daher nach unserer Auffassung nur dann, wenn tatsächlich Informationen und Umstände vorliegen, die der Antragsteller bei Beantragung einer einstweiligen Verfügung mutmaßlich nicht vortragen wird, die jedoch für die Entscheidung der Sache von Bedeutung sind.

Der Antragsteller auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hat im Übrigen keinen Anspruch darauf, dass das Gericht ihm mitteilt, ob eine entsprechende Schutzschrift vorliegt.

Die Schutzschrift – sinnvoll im Einzelfall

Gerade in Fällen, in denen zum einen bei Erlass einer einstweiligen Verfügung ein erheblicher faktischer Nachteil droht und zum anderen auf Grund des Sachverhaltes, ggf. auf Grund der Rechtslage, ernsthafte Chancen bestehen, dass durch die Einreichung einer Schutzschrift der Erlass einer einstweiligen Verfügung verhindert werden kann, bietet sich die Einreichung einer Schutzschrift an. Dies ist im Einzelfall zu prüfen.

Wir beraten und vertreten Sie gern.

Ihre Ansprechpartner: Rechtsanwalt Johannes Richard und Rechtsanwalt Andreas Kempcke, Rostock

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