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Sonderbare Pressemitteilung des Amtsgerichtes München zu Tauschbörsen-Schadenersatzklagen “Geb ich dir, gibst du mir (…) Das kann teuer werden.”

Das Amtsgericht München hat am 16.11.2011 eine Pressemitteilung mit der Überschrift “Geb ich dir, gibst du mir (…) Das kann teuer werden.” veröffentlicht.

Ganz offensichtlich versucht man der Arbeitsbelastung Herr zu werden, da mutmaßlich 1.400 Schadenersatzklagen beim Amtsgericht München anhängig sind.

Die Pressemitteilung lautet wie folgt:

16. November 2011 – Pressemitteilung 54/11

Geb ich Dir, gibst Du mir… das kann teuer werden

Das Amtsgericht München warnt vor der Teilnahme an Musik- und Filmtauschbörsen. Derzeit sind bereits über 1400 Klagen anhängig, weitere sind angekündigt.

Große Unternehmen, die Musikstücke, Hörbücher oder Videos vermarkten, klagen derzeit in einer Vielzahl von Fällen vor dem Amtsgericht München. 1400 solcher Klagen sind bereits anhängig, weitere werden erwartet.

Ausgangspunkt sind die sogenannten Online-Tauschbörsen. Hier werden von den Benutzern Musikdateien o.ä. angeboten, im Gegenzug laden sie Dateien anderer herunter.

Das birgt aber ein hohes Risiko. Es ist mittlerweile möglich, den digitalen Fingerabdruck des Urheberrechtsverletzer zu finden und an seine IP-Adresse zu kommen. Nach Einleitung eines Ermittlungsverfahrens bei der Staatsanwaltschaft ist der Internetprovider dann verpflichtet, dieser den Namen des Nutzers herauszugeben.

Dieser kann dann von den Unternehmen unabhängig von einem Verschulden zur Unterlassung verpflichtet werden. Hatte er seinen Internetzugang nicht ausreichend gesichert, entsprach der Schutz zum Zeitpunkt der Einrichtung auch nicht dem Stand der Technik, kann er auch auf Schadenersatz verklagt werden. Dieser bemisst sich im Regelfall nach der ansonsten angefallenen Lizenzgebühr. Aber auch die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten fallen darunter. Bei einem Streitwert von im Regelfall 10 000 Euro können hier gleich mal 651 Euro netto verlangt werden.

Da nützt auch die neue Vorschrift des § 97 Absatz 2 im Urhebergesetz nichts. Danach sind bei Streitigkeiten nach dem 1.9.2008 die Abmahnkosten für den Rechtsanwalt bei einer ersten Abmahnung auf 100 Euro gedeckelt worden. Das gilt aber nur, sofern von einer unerheblichen Rechtsverletzung auszugehen ist. Da bei den Tauschbörsen die Konsequenzen des illegalen ins Netzstellen von Werken nicht abzuschätzen sind, man insbesondere die Anzahl der Abrufe nicht vorhersagen kann, verneint die Rechtsprechung das Vorliegen einer unerheblichen Rechtsverletzung.

Unabhängig davon, dass die Künstler ein Recht darauf haben, für ihre Leistung bezahlt zu werden, kann das vermeintliche Schnäppchen also ganz schön teuer werden. Geiz ist somit nicht immer geil.

(Quelle: Pressemitteilung AG München)

Dies gibt schon Anlass zur Verwunderung. Witzig geht anders. Zudem hat man allen Grund, sich Sorgen um eine ordnungsgemäße Entscheidung zu machen, da das Amtsgericht offensichtlich den technischen Hintergrund nicht ganz verstanden hat. Zunächst einmal erscheint es sonderbar, eine IP-Adresse als digitalen Fingerabdruck zu bezeichnen. Hierdurch findet der Urheber im Übrigen nicht den Urheberrechtsverletzer, sondern lediglich den Inhaber eines Internetanschlusses. Dieser kann, muss jedoch nicht, identisch sein mit dem tatsächlichen Urheberrechtsverletzer, sprich dem Nutzer der Tauschbörse.

Auch die Annahme, dass bei einem Streitwert von “im Regelfall” 10.000,00 Euro “hier gleich mal 651,00 Euro netto verlangt werden können”, wirft die üblichen interessanten Fragen auf, ob die Abmahner ihre Rechtsanwälte überhaupt bezahlt haben. Der mittlerweile abgeschmackte Werbespruch “Geiz ist geil” wird als konklusio abgewandelt in “Geiz ist somit nicht immer geil”.

Rechtlich gesehen halten wir diese Pressemitteilung für nicht ganz unproblematisch, da sie doch eine gewisse Vorverurteilung beinhaltet. Nicht nur, dass der Urheberrechtsverletzer nach Ansicht des Gerichtes offensichtlich immer der Anschlussinhaber des Internetanschlusses ist (was wiederum interessante Haftungsfragen aufwirft), auch die Frage der Rechtsanwaltskosten scheint relativ unstreitig zu sein. Gleiches gilt für die Anwendung des § 97 Abs. 2 Urheberrechtsgesetz, der Deckelung der Abmahnkosten auf 100,00 Euro.

Überspitzt gesagt möchten wir die Überschrift der Pressemitteilung einmal abwandeln in:

“Gibst du mir diese Pressemitteilung, gebe ich dir vielleicht einen Befangenheitsantrag.”

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