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Ersatzansprüche nicht durchsetzbar? Schadenersatzansprüche wegen rechtsmissbräuchlicher Abmahnung verjähren innerhalb von sechs Monaten (LG Bochum)

Aufgrund der vielfachen rechtsmissbräuchlichen Abmahnungen, gerade bei Wettbewerbsverstößen im Internet, hat der Gesetzgeber bereits vor Jahren reagiert: Gemäß § 8 Abs. 4 Satz 2 UWG kann der Abgemahnte bei einer rechtsmissbräuchlichen Abmahnung Ersatz der für seine Rechtsverteidigung erforderlichen Aufwendungen verlangen.

In der Praxis sind dies die Anwaltskosten, die der Abgemahnte aufwenden muss, um die Abmahnung abzuwehren.

In der Praxis, die wissen wir aus jahrelanger Erfahrung, ist Rechtsmissbrauch nicht einfach nachzuweisen. Einer rechtsmissbräuchlichen Massenabmahnung geht immer ein Schwung von allerersten Abmahnungen voraus. Gerade die Abgemahnten, die ganz am Anfang einer Abmahnwelle eine Abmahnung erhalten, können zu diesem Zeitpunkt noch nicht einschätzen, ob es sich tatsächlich um Rechtsmissbrauch im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG handelt.

Aus unserer Beratungspraxis ist uns ebenfalls bekannt, dass es äußert mühsam und arbeitsaufwändig ist, einem Abmahner Rechtsmissbrauch nachzuweisen.

Eine Vielzahl von Indizien müssen zusammengetragen werden (zu 11 einschläigigen Indizien siehe hier das OLG Hamm). Einige Gerichte sind auch trotz aktueller BGH-Rechtsprechung immer noch sehr hartleibig darin, Rechtsmissbrauch anzunehmen. Häufig gibt es zudem in diesen Fällen keine rechtskräftige Entscheidung, da ein Oberlandesgericht in nächster Instanz nach unserer Erfahrung häufig den Abmahner kurz vor der mündlichen Verhandlung vor dem OLG darauf hinweist, dass hier Vieles für Rechtsmissbrauch spricht. Folge ist, dass der Abmahner, bspw. seinen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, zurücknimmt. Ein Urteil mit Entscheidungsgründen gibt es in diesen Fällen nicht, aus dem der Abgemahnte einen Rechtsmissbrauch nachweisen könnte.

LG Bochum: Schadenersatzansprüche des Abgemahnten verjähren innerhalb von sechs Monaten

Das Landgericht Bochum (LG Bochum, Urteil vom 26.03.2019, Az. I – 12 O 4/19) hatte über die Schadenersatzklage eines Abgemahnten aufgrund eines behaupteten Rechtsmissbrauchs zu entscheiden.

Das Gericht entschied nicht in der Sache selbst. Vielmehr hatte sich der Abmahner mit dem Argument der Verjährung verteidigt. Es heißt insofern in § 11 UWG:

§ 11 Verjährung

Die Ansprüche aus §§ 8, 9 und 12 Abs. 1 Satz 2 verjähren in sechs Monaten.

Zugegebenermaßen sind die Ersatzansprüche in § 8 Abs. 4 Satz 2 UWG geregelt.

Es heißt jedoch auch in § 11 Abs. 2 UWG:

Die Verjährungsfrist beginnt, wenn

1. der Anspruch entstanden ist
und

2. der Gläubiger (d.h. der Abgemahnte) von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

Dies sieht das Landgericht Bochum jedoch anders:

Als Beginn der Verjährungsfrist wird der Zeitpunkt angesehen, in dem die ursprüngliche Abmahnung zugegangen sei. Alle andere sei unverhältnismäßig.

Die Entscheidung liegt nach unserer Auffassung komplett neben der Sache:

In der Regel ist es schlichtweg nicht möglich, einen Rechtsmissbrauch zu dem Zeitpunkt sicher anzunehmen, zudem die Abmahnung ausgesprochen wird. Der den Anspruch begründende Umstand ist der Rechtsmissbrauch. Eine derartige Erkenntnis ergibt sich häufig erst später und zwar in einer Form, die auch ausreichend ist, um dem Gericht einen Rechtsmissbrauch darzulegen.

Die Ansicht des LG Bochum ist daher wenig überzeugend. Zudem hätte sie zur Folge, dass Ersatzansprüche gegenüber dem Abmahner selbst kaum durchsetzbar wären.

Schadenersatzansprüche gegenüber dem Abmahnanwalt möglich

Eine rechtsmissbräuchliche Abmahnung ist in der Regel nicht denkbar, ohne dass nicht auch der Abmahnanwalt aktiv am Rechtsmissbrauch mitgewirkt hat. Sei es, dass er die Abmahnkosten zu keinem Zeitpunkt gegenüber seinen eigenen Mandanten abgerechnet hat oder sich der Anwalt bspw. selbst die Wettbewerbsverstöße aus dem Netz herausgesucht hat.

In diesem Fall besteht die Möglichkeit, auch den Abmahnanwalt persönlich in Anspruch zu nehmen. So hat bspw. das Kammergericht Berlin (KG Berlin, Urteil vom 02.02.2018, Az.: 5 U 110/16) neben dem Abmahner auch drei Rechtsanwälte zur Zahlung von Schadenersatz aufgrund rechtsmissbräuchlicher Abmahnungen verurteilt. Das Gericht sieht hier eine sittenwidrige Schädigung im Sinne des § 826 BGB durch die Anwälte an. Diese Ansprüche verjähren nicht innerhalb von sechs Monaten, die nach unserer Auffassung unzutreffende Ansicht des LG Bochum einmal zugrunde gelegt.

Geschädigte sollte sich daher durch die Entscheidung des LG Bochum nicht abschrecken lassen.

Wir beraten Sie bei Rechtsmissbrauch.

Stand: 02.07.2019

Es beraten Sie: Rechtsanwalt Johannes Richard und Rechtsanwalt Andreas Kempcke

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