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Das war zuviel: Über 1.000 Abmahnungen innerhalb einer Woche sind rechtsmissbräuchlich

Einen besonders krassen Fall von Rechtsmissbrauch hat das Landgericht Regensburg (LG Regensburg Urteil vom 02.09.2014 Az: 2 S 194/13) entschieden. Ein Abgemahnter hatte gegen einen Abmahner Schadenersatz aufgrund einer rechtsmissbräuchlichen Abmahnung geltend gemacht. Das Landgericht Regensburg hatte über die Angelegenheit als Berufungsinstanz entschieden.

Verklagt wurde der Abmahner sowie sein Rechtsanwalt. In der Entscheidung heißt es:

“Frei von Rechtsfehlern ist schon die Annahme des Amtsgerichtes, dass im Zeitraum 08.08.2012 bis 17.08.2012 die Beklagte zu 1. im Auftrag des Beklagten zu 2. insgesamt 1.043 Abmahnungen versandt hat, davon eine gerichtet an die Klägerin… Die Beklagten haben diese Interpretation nicht in ausreichender Weise entkräftet. Nur sie allein wissen, wie viele Abmahnungen tatsächlich versandt wurden… Es wäre ein Einfaches gewesen, durch Nennung der wahren Zahl an Abmahnungen den klägerischen Vortrag zu korrigieren bzw. zu entschärfen… Dies gilt auch für die Beklagte zu 1. Dass sie sich auf ihre rechtsanwaltliche Verschwiegenheitspflicht berufen hat, ändert daran nichts. Denn die Schweigepflicht schützt nur das Mandatsverhältnis mit dem Beklagten zu 2., da dieser aber seinerseits im Zivilprozess hierzu eine Erklärung hätte abgeben müssen, muss die Beklagte zu 1. die mit dem Schweigen eingehende Geständnisfiktion gegen sich wirken lassen. Anderenfalls wäre das sich Berufen auf die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht ein juristischer Kunstgriff, der die Wirkung der sekundären Darlegungs- und Beweislast aushebeln würde.”

Es wäre ja auch noch schöner: Erst zwar als Anwalt abmahnen und sich dann hinter der Schweigepflicht verschanzen

Das Gericht führt ferner feinsinnig aus, dass es letztlich unter dem Strich Aufgabe des Abgemahnten ist, Indizien für einen Rechtsmissbrauch vorzutragen und es dann eigentlich Aufgabe der Abmahner ist, diese zu entkräften. Dass Massenabmahnern bei über 1.000 Abmahnungen in einer Woche hier die Argumente ausgehen, verwundert nicht weiter. Im Übrigen entspricht diese Beweiswürdigung den Vorgaben des Bundesgerichtshofes.

Wenn viele Indizien zusammenkommen

Der Fall ist schon heftig und wir vermuten auch zu wissen, um welchen Massenabmahner es ging. Das Gericht führt letztlich folgende Indizien für einen Rechtsmissbrauch auf:

  • Noch bevor überhaupt der Online-Handel richtig angelaufen war, wurden bereits Wettbewerbsverstöße ermittelt und eine Rechtsanwaltskanzlei beauftragt
  • Durch die Abmahnungen entstanden Anwaltsgebühren von über 80.000,00 Euro. Derzeit erzielte das Unternehmen jedoch nur einen Gewinn von unter 3.000,00 Euro.
  • Ein überzeugendes Geschäftskonzept war nicht erkennbar. Die breite Produktpalette sprach vielmehr dafür, zu möglichst vielen Konkurrenzunternehmen ein Wettbewerbsverhältnis aufzubauen.
  • Nur 5 Monate nach Firmengründung wurde Insolvenz angemeldet.

Derartige Massenabmahnungen sind mittlerweile selten geworden. Nach aktueller Rechtslage kann eine Massenabmahnung jedoch nicht nur für den Abmahner, sondern auch für seinen Rechtsanwalt zum Boomerang werden. Auch dieser haftet unter Umständen bei einer rechtsmissbräuchlichen Abmahnung persönlich auf Schadenersatz.

Die Frage, ob ein Rechtsmissbrauch vorliegt, besprechen wir natürlich bei jeder Beratung einer Abmahnung mit Ihnen.

Stand: 21.09.2015

Ihre Ansprechpartner: Rechtsanwalt Johannes Richard und Rechtsanwalt Andreas Kempcke, Rostock

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