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Ein Sachverhalt, 2 Abmahnungen: Rechtsmissbrauch, wenn aus einem identischen Sachverhalt sowohl markenrechtlich wie auch wettbewerbsrechtlich abgemahnt wird

Im gewerblichen Rechtsschutz besteht zum Teil die Qual der Wahl: Es gibt einen Sachverhalt. Und es gibt unterschiedliche rechtliche Möglichkeiten, wie man dagegen vorgehen kann.

Ein Klassiker ist hier bspw. das Anhängen bei Amazon und zwar insbesondere an eine ASIN mit einer Markenbezeichnung. Wird ein anderes Produkt, als das beschriebene ausgeliefert, sind zwei Ansprüche denkbar:

  • Zum einen können markenrechtliche Ansprüche geltend gemacht werden, wenn es sich bei dem gelieferten Produkt nicht um ein Original-Markenprodukt handelt.
  • Eine weitere Möglichkeit sind wettbewerbsrechtliche Ansprüche. Wenn etwas anderes geliefert wird, als angeboten wird, spricht man im Wettbewerbsrecht von einer Irreführung. Es handelt sich um eine Irreführung gem. § 5 UWG über die Eigenschaft der Ware.

Beide Anspruchsgrundlagen sind denkbar. Diese kann man theoretisch auch nebeneinander geltend machen.

OLG Düsseldorf: Zweimal klagen wegen eines Sachverhalts ist Rechtsmissbrauch

Das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.10.2015, Aktenzeichen I-20 U 200/14) hatte sich mit genau so einem Fall zu befassen.

Es ging um kennzeichenrechtliche Ansprüche aus der Bezeichnung eines Geschäftsbetriebes. Die Ansprüche erstrecken sich sowohl auf den Internetshop des Abgemahnten wie auch auf die Bezeichnung eines Amazon-Händlershops.

Aus diesem Umstand war ganz offensichtlich aus Kennzeichenrecht wie aber auch aus Wettbewerbsrecht vorgegangen worden. Ein derartiges Vorgehen ist nach Ansicht des OLG Düsseldorf jedoch Rechtsmissbrauch; entsprechende Unterlassungsansprüche sind unzulässig.

OLG Düsseldorf: So nicht

“Ein Missbrauch liegt vor, wenn der Anspruchsberechtigte mit der Geltendmachung des Anspruches überwiegend sachfremde, für sich gesehen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele verfolgt … Ein solches sachfremdes Ziel ist auch das Kostenbelastungsinteresse, also das Interesse des Gläubigers, den Verletzer mit möglichst hohen Prozesskosten und Risiken zu belasten und seine persönlichen und finanziellen Kräfte zu binden.”

Ist ein schonenderes Vorgehen möglich?

“Ein Indiz für das Vorliegen eines Kostenbelastungsinteresses ist es, wenn ein schonenderes Vorgehen im Einzelfall möglich und zumutbar ist. Geht der Gläubiger z. B. bei einem einheitlichen Wettbewerbsverstoß mit mehrfachen Klagen vor und erhöht er dadurch die Kostenlast erheblich, obwohl ein einheitliches Vorgehen für ihn mit keinerlei Nachteilen verbunden wäre, ist dies ein Anhaltspunkt für Rechtsmissbrauch.

Dieser Grundsatz gilt auch dann, wenn es um die getrennte Verfolgung kerngleicher Verletzungshandlungen geht. Denn die Stellung mehrerer nahezu identischer Unterlassungsanträge, die sich auf kerngleiche Verletzungshandlungen beziehen und ohne inhaltliche Erweiterung des begehrten Verbotsumfang zu einer Vervielfachung des Streitwertes führen in getrennten Verfahren, ist ein Indiz für Rechtsmissbrauch, wenn dem Kläger im Einzelfall ein schonenderes Vorgehen durch die Zusammenfassung seines Begehrens in einem Antrag möglich und zumutbar ist.”

Was damit gemeint ist, ist folgendes:

Ein Unterlassungsantrag, sei es im Wettbewerbs- oder Markenrecht, beschreibt ein sog. Verletzungsmuster. Dies hat zur Folge, dass, vereinfacht gesagt, so ähnliche Verstöße von dem Unterlassungsantrag umfasst werden. Ein Unterlassungsantrag im Wettbewerbsrecht sieht etwas anders aus, als im Markenrecht. Im Endergebnis kommt es jedoch meistens auf das gleiche heraus.

Argument Schadenersatz?

Der Abmahner hatte im vorliegenden Verfahren, es war aus Kennzeichenrecht und Wettbewerbsrecht vorgegangen worden, vorgetragen, dass bei Ansprüchen aus Kennzeichenrecht sich ein Schadenersatz leichter errechnen lässt. Dieses Argument ließ das Gericht nicht gelten:

“Um diesem Umstand Rechnung zu tragen, hätte es sogar gereicht, eine Klage anhängig zu machen, diese vorrangig die im Rahmen des Schadenersatzes weitergehenden Ansprüche aus Markenrecht zu stützen und die Ansprüche aus UWG nur hilfsweise geltend zu machen … Es war nicht notwendig, zwei getrennte Verfahren einzuleiten.

Vielmehr steht es dem Gläubiger (gemeint ist der Abmahner) in einem solchen Fall auch frei, die verschiedenen Aspekte der Beanstandung ein- und derselben Handlung im Weg der kumulativen Klagehäufung zu jeweils getrennten Klagezielen zu machen. Die Kostenbelastung für den Schuldner ist dann geringer …”

Letzten Endes hat das OLG Düsseldorf dem Klägervertreter eine Nachhilfestunde zum Thema Prozessrecht erteilt.

Aus unserer Beratungspraxis

Eine sonderbare Häufung von gleichzeitig geltend gemachten Unterlassungsansprüchen ist uns aus unserer Beratungspraxis nicht ganz unbekannt.

Ob bei einer Abmahnung, einer einstweiligen Verfügung oder einer Unterlassungsklage möglicherweise ein Rechtsmissbrauch vorliegt, wird von uns im Rahmen einer Beratung oder Vertretung natürlich immer geprüft.

Wir beraten auch Sie.

Stand: 11.02.2016

Es beraten Sie: Rechtsanwalt Johannes Richard und Rechtsanwalt Andreas Kempcke

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