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Retouren im Internethandel: Welche Folgen hat eine geplante Gesetzesänderung und warum wird nicht auch der Verbraucher in die Pflicht genommen?

Schon seit Längerem wird in den Medien darüber berichtet, dass mit steigender Beliebtheit des Internethandels auch die Retouren steigen. Angeblich schicken Kunden eine dreistellige Millionenanzahl von Paketen an Amazon & Co. zurück. Insbesondere Amazon wurde vorgeworfen, massenhaft Neuware zu vernichten.

Neben dem Umweltaspekt ist es sicherlich auch ein moralischer Aspekt, der dagegen spricht, zurückgeschickte Neuware als Abfall zu entsorgen. Abgestraft im Rahmen der Berichterstattung werden in erster Linie Onlinehändler, insbesondere die großen Player wie Amazon oder Zalando. Dass es der Verbraucher ist, der millionenfach Waren nach einer Bestellung zurücksendet, wird ausgeblendet. Natürlich haben Verbraucher ein Widerrufsrecht. Es ist ein wichtiger vertrauensbildender Faktor, der es Verbrauchern ermöglicht, risikolos im Internet einzukaufen. Das Problem geht jedoch tiefer: Wenn Verbraucher Kleidung oder Schuhe in drei aufeinanderfolgenden Größen im Netz einkaufen, kann der Internethändler froh sein, wenn er von den drei Produkten nur zwei wieder zurückbekommt. Wenn der Verbraucher sich das Ladengeschäft nach Hause bestellt, belastet dies nicht nur die Umwelt, sondern auch – im Rahmen des rechtlich Möglichen zugegebenermaßen – den Verkäufer. Für derartige Exzesse war das Widerrufsrecht eigentlich nicht gedacht. Soweit zudem beklagt wird, dass Retouren vernichtet werden, lohnt auch hier ein etwas genauerer Blick:

Der Verbraucher trägt eine Mitverantwortung

Wenn Verbraucher von Ihrem Widerrufsrecht Gebrauch machen und Ware zurücksenden, ließe sich diese natürlich problemlos weiterverwenden, wenn sie nicht, wie häufig, in einem extrem schlechten Zustand wäre. Ganz unabhängig von der Rechtslage fehlt häufig die Verpackung oder die Verpackung ist beschädigt, das Produkt selbst ist benutzt, verdreckt, unvollständig, jedenfalls nicht wieder verkäuflich. In der Theorie kann der Internethändler in diesen Fällen häufig Wertersatz geltend machen. In der Praxis, so unser Eindruck, passiert dies jedoch nur höchst selten. Obwohl es Millionen von Rücksendungen seit Bestehen des Internethandels gibt und ein nicht unerheblicher Teil der zurückgesendeten Waren eigentlich aufgrund des Zustandes zur Folge haben müsste, dass der Verkäufer einen Wertabsatz abziehen darf, passiert dies in der Praxis häufig nicht. Dies mag damit zusammenhängen, dass gerade große Anbieter wie Amazon eigentlich immer den Kaufpreis ohne Abzug zurückzahlen oder Händler schlechte Bewertungen im Internet fürchten oder dass der Kunde nicht wiederkommt. Jedenfalls finden wir es angesichts der Vielzahl der Rücksendungen bemerkenswert, dass es zum Thema Wertersatz nur wenig Rechtsprechung gibt. Sollte im Einzelfall einmal Wertersatz geltend gemacht werden, dies ist uns aus unserer Beratungspraxis bekannt, wird deutlich, dass dem Verbraucher die Thematik Wertersatz in der Regel nicht bekannt ist. Er wurde halt noch nie damit konfrontiert.

Auch bei der Frage, ob zurückgesendete Ware wiederverwertbar ist, ist der Verbraucher somit nicht ganz unschuldig. In der Kritik steht jedoch ausschließlich der Online-Handel.

Wie Retouren wiederverwerten?

Bei der Wiederverwertbarkeit von Retouren muss man sich zudem die Frage stellen, ob retournierte Ware überhaupt wiederverwertbar ist. Der Verbraucher erwartet alles neu und unbenutzt. Allein das Fehlen einer Originalverpackung oder eine beschädigte Originalverpackung führt dazu, dass ein Verbraucher, wenn überhaupt, nur noch einen Bruchteil des ursprünglichen Kaufpreises zu zahlen bereit ist. Bei beschädigter oder unvollständiger Ware, gerade im kleinpreisigen Bereich, will die Ware niemand mehr haben. Es stellt sich daher die Frage, was in dieser Konsumgesellschaft eigentlich mit Waren geschehen soll, die eigentlich nur noch entsorgt werden können.

Kabinett beschließt Gesetzentwurf

Unter Führung von Umweltministerin Svenja Schulze hat das Kabinett am 12.02.2020 einen Gesetzentwurf beschlossen, der die Retourenflut eindämmen soll. Entgegen anderslautender Berichterstattung gibt es durch den Kabinettsentwurf noch keine gesetzliche Regelung, vielmehr wurde lediglich ein Gesetzgebungsverfahren in die Wege geleitet. Der Umfang der Medienberichterstattung zu diesem Thema war bemerkenswert und von unserer Auffassung von einer leichten moralischen Überheblichkeit geprägt. Der konsumfreudige Verbraucher wird jedenfalls durch die geplante Gesetzesänderung nicht eingeschränkt, es wird ausschließlich der Handel in die Pflicht genommen.

Änderung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes beabsichtigt

Das Umweltministerium plant eine Änderung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG) durch das „Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Bewirtschaftung von Abfällen“. Ansatzpunkt ist somit das Abfallrecht. In § 23 KrWG ist u. a. von „Produktverantwortung“ die Rede. Ganz konkret geregelt werden soll eine sogenannte Obhutspflicht. Die Produktverantwortung soll eine Obhutspflicht hinsichtlich der vertriebenen Erzeugnisse umfassen, insbesondere die Pflicht, bei einem Vertrieb der Erzeugnisse, auch im Zusammenhang mit deren Rücknahme oder Rückgabe, dafür zu sorgen, dass die Gebrauchstauglichkeit der Erzeugnisse erhalten bleibt und diese nicht zu Abfall werden.

Gem. § 24 der Neufassung des KrWG soll Konkreteres dann durch eine Rechtsverordnung festgelegt werden.

Es stellt sich die Frage, wie diese sogenannte Obhutspflicht später durch Internethändler umgesetzt werden kann. In die Pflicht genommen wird ausschließlich der Internethändler, der dafür zu sorgen hat, dass bei einer Rücknahme oder Rückgabe die Gebrauchstauglichkeit der Ware erhalten bleibt.

  • Was passiert mit zurückgesendeter Ware, die nicht mehr gebrauchstauglich ist?
  • Wie definiert sich die „Gebrauchstauglichkeit“?
  • Wie wird das Gesetz später einmal überprüft und sanktioniert?

Der Gesetzentwurf wurde in den Medien auch „Amazon-Gesetz“ genannt. Eine gesetzliche Verpflichtung trifft jedoch alle Internethändler.

Verschenken wäre im Übrigen für Internethändler keine Alternative, da es in diesem Fall nach unserer Kenntnis eine Mehrwertsteuerproblematik gibt, von der der deutsche Gesetzgeber aufgrund von EU-Recht nicht abweichen kann.

Letztlich, so unsere Ansicht, müssten alle Beteiligten mit ins Boot geholt werden: Die Retourenproblematik darf nicht nur am Internethandel hängen bleiben, auch der Verbraucher kann seinen Teil dazu beitragen und zwar ohne, dass man seine gesetzlichen Rechte einschränkt.


Wir werden über den weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens berichten.


Stand: 13.02.2020

Es berät Sie: Rechtsanwalt Johannes Richard