lg-dresden-10-o-2246-08

Leitsätze

1. Ein Rechtsanwalt, der nach einer Abmahnung einen Internetauftritt überprüft und zur Verwendung freigibt, ist kein Erfüllungsgehilfe eines Unterlassungsschuldners im Sinne des § 278 BGB.

2. Ein Unterlassungschuldner trifft kein Verschulden hinsichtlich der Verwirkung einer Vertragsstrafe, wenn er sich zur Vermeidung der Vertragsstrafe eines in Deutschland zugelassenen Rechtsanwaltes bedient, der ihm eine ausdrückliche Freigabe der Internetseite unter Bezug auf die vorangegangene Abmahnung mitteilt.

LG Dresden, Urteil vom 23.01.2009, Az.: 10 O 2246/08 (nicht rechtskräftig)

Landgericht Dresden

Aktenzeichen: 10 O 2246/08

Verkündet am: 23.01.2009

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

 

 

In dem Rechtsstreit

K. GmbH & Co.KG,

                                                                                              -Klägerin-

gegen

….

                                                                                               -Beklagte-

 

Rechtsanwälte S                                          

                                                                                              -Streithelferin des Beklagten-

wegen Vertragsstrafe

hat die 10. Zivilkammer des Landgerichts Dresden durch

…..

auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 15.12.2008 am 23.01.2009

für Recht erkannt:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Nebeninterventionen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung (§ 108 ZPO) in Höhe von 110% des   jeweils vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar.

4. Streitwert: 10.200,00 €.

T a t b e s t a n d

 

Die Parteien streiten um die Verwirkung von Ansprüchen aus einer vertragsstrafenbewehrten wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsverpflichtung.

Die Prozeßparteien sind Wettbewerber im Bereich von Waren aus dem Sortiment Batterien. Wegen Wettbewerbsverstoßes (ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung) hatte der Beklagte am 17.12.2007 eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben (K1) mit Vertragsstrafeversprechen in Höhe von 5.100,00 € je Verstoß.

Die Klägerin macht Ansprüche wegen verwirkter Vertragsstrafe geltend entsprechend Schreiben vom 16.01./11.02.2008 (zwei Fälle), Schreiben vom 22.02.2008 und 07.03.2008 (je ein weiterer Fall), fordert insgesamt zwei mal je 5.100,00 €.

Die Klägerin behauptet,

der Beklagte habe die Vertragsstrafe schuldhaft verwirkt und Wettbewerbs-/Vertragsverstöße begangen durch seine nachfolgenden Angebote:

I.                     (Handelsplattform ebay)

1.)

am 09.01.2008 veröffentlichtes ebay-Angebot mit der Art.-Nr. …, klagseits Vertragsstrafe einfordernd mit Schreiben vom 16.01.2008 (K3)

                                                                                                                   (K2)

2.)

am 03.02.2008 veröffentlichtes Angebot mit der Art.-Nr. ….

                                                                                                                    (K4)

3.)

am 07.02.2008 veröffentlichtes Angebot mit der Art.-Nr. ….

                                                                                                                    (K5)

4.)

und trotz entsprechenden klägerischen Hinweises vom 11.02.2008 am 11.02.2008 veröffentlichten Angebotes mit der Art.-Nr. …. vom 19.02.2008

                                                                                                                      (K6)

5.)

ungeachtet klägerischen Schreibens vom 25.02.2008 (K7) veröffentlichtes Angebot vom 07.03.2008 mit der Art.-Nr. …

                                                                                                                      (K8)

und ungeachtet klägerischen Schreibens vom 07.03.2008 (K9) veröffentlichtes Angebot vom 15.03.2008 mit der Art.-Nr. ….

                                                                                                                      (K10)

II. Handelsplattform ……

Angbeote im beklagtenseitigen online-shoop                                                  (K11)

Der Beklagte habe zweimal verwirkte Vertragsstrafe zu leisten (10.200,00 €) sowie vorgerichtliche Kosten (1.163,00 €).

Die Klägerin beantragt,

 

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 11.363,20€ nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit 31.10.2008 zu zahlen.

 

Der Beklagte hat den Rechtsanwälten S den Streit verkündet. Diese sind dem Rechtsstreit auf Seiten des Beklagten beigetreten.

Der Beklagte und die Streithelfer beantragen,

 

kostenpflichtig die Klage abzuweisen.

 

Der Beklagte und die Streithelfer bestreiten,

daß der Beklagte Vertragsstrafe verwirkt habe. Insbesondere sei die beanstandete Widerrufsbelehrung entgegen der klägerischen Auffassung rechtlich einwandfrei. Jedenfalls fehle es an einem schuldhaften Verhalten des Beklagten, weil er die Streitverkündeten mit der rechtlichen Prüfung beauftragt hatte und diese keine Beanstandungen, insbesondere Wettbewerbsverstöße, hatten (insb. B1). Selbst wenn die Streithelfer – wie nicht – rechtsfehlerhaft geprüft gehabt hätten, wäre deren Verschulden dem Beklagten nicht zurechenbar.

Die Klagseite repliziert (insb. auch Schriftsatz vom 07.01.2009) und untermauert ihren Vorwurf wettbewerbswidrigen Verhalten und meint, daß jedenfalls ein Verschulden der Streithelfer dem Beklagten zuzurechnen wäre.

Hinsichtlich des weiteren Sachvortrages wird auf die Akte, und die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, und das Verhandlungsprotokoll zu der Sitzung vom 15.12.2008 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung der Vertragsstrafe, weil der Beklagte sie nicht verwirkt hat.

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob – wie die Klagseite meint – der Wettbewerbsverstoß durch fehlerhafte rechtliche Belehrung tatsächlich vorliegt. Denn jedenfalls liegt weder ein für die Vertragsstrafeverwirkung erforderliches schuldhaften Verhalten des Beklagten selbst vor noch wäre ihm ein solches der Streithelfer zuzurechnen.

1.              Die Verwirkung der Vertragsstrafe setzt vorwerfbares (schuldhaftes) Verhalten auf Seiten des Beklagten als Schuldner voraus. Das Verschulden muß negativ vom Schuldner bewiesen werden, weil er sich für eine objektive Leistungsstörung zu entlasten hat (§§ 282, 285 BGB). Deshalb trifft ihn die Beweislast für die Unvertretbarkeit seines Zuwiderhandelns (BGH Urt. v. 30.03.1988 – I ZR 40/86, GRUR 1988, 561 [562]; Urt. v. 13.5.1982 – I ZR 205/80, MDR 1983, 29 = GRUR 1982, 688 [691]; OLG Saarbrücken,      Urt. v. 12.06.2002 – 1 U 810/01-185 OLGReport Saarbrücken 2002, 412 [413]; Staudinger/Rieble, 2001, § 345 BGB Rz. 8). Bei dem Verstoß gegen eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtung hat der Schuldner auch für das Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen i.S.v. § 278 BGB einzustehen (BGH Urt. v. 15.5.1985 – I ZR 25/83, MDR 1986, 115 = GRUR 1985, 1065 f.). f.). An den Entlastungsbeweis sind strenge Anforderungen zu stellen, (OLG Saarbrücken a.a.O. unter Hinweis auf Speckmann, Wettbewerbsrecht, 3. Aufl., Rz. 2013).

2.           

Eigenes Verschulden des Beklagten selbst kann nicht angenommen werden.

Zwar muß der Schuldner nach Abgabe einer verstragsstrafenbewehrten Unterlassungsverpflichtung alle ihm zu Gebote stehenden Möglichkeiten ausschöpfen, um eine Zuwiderhandlung auszuschließen (KG Urt. v. 30.03.1999 – 5 U 63/98, KGReport 2000, 59; OLG Köln Urt. v. 12.7.1985 – 6 U 19/85, GRUR 1986, 195; OLG Düsseldorf Urt. v. 12.7.1984 – 2 U 5/84, WRP  1985, 30).

Dies hat der Beklagte allerdings auch getan, indem er seine nunmehr beanstandeten werbenden Auftritte hinsichtlich der nunmehr beanstandeten Belehrungen zuvor von den Streithelfern, zugelassenen Rechtsanwälten, rechtlich überprüfen hat lassen und von diesen Verwendungsfreigabe erhielt (B1). Mehr kann nicht verlangt werden.

3.                Dem Beklagten könnte auch ein – unterstelltes – Verschulden der Streithelfer durch – unterstellt – rechtsfehlerhafte Verwendungsfreigabe (B1) nicht zugerechnet werden.

Maßgeblich für eine Zurechnung von Fremdverschulden wäre vorliegend nicht § 13 Abs. 4 UWG, weil Vertragsstrafeverpflichtungen in Rede stehen, die vorgenannte Norm aber nur für den wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch gilt (OLG Braunschweig Urt. v. 13.07.2000 – 2 U 52/00, OLGReport Braunschweig 2001, 134 [136] unter Hinweis auf Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 7. Aufl., Kap. 20 Rz. 15; Braumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 21. Aufl., § 13 UWG Rz. 60). Maßgeblich ist bei Vertragsstrafeversprechen vielmehr §278 BGB (BGH Urt. v. 22.01.1998 – I ZR 18/96, MDR 1998, 1427 = NJW 1948, 3342; OLG Braunschweig a.a.O.; Mellulis, Handbuch des Wettbewerbsprozesses, 2. Aufl., Rz. 640; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 21. Aufl., Einl. UWG Rz. 292).

Erfüllungsgehilfe im Sinne von § 278 BGB ist, wer mit dem Willen des Schuldners bei Erfüllung der Unterlassungspflicht als dessen Hilfsperson tätig wird (BGH a.a.O.; OLG Braunschweig a.a.O.; Mellulis a.a.O.; Baumbach/Hefermehl a.a.O.).

Vorliegend waren die Streithelfer aber nicht Erfüllungsgehilfen des Beklagten für dessen Unterlassungspflicht gegenüber der Klägerin tätig. Denn Rechtsanwälte, die – wie hier – auftragsgemäß die Rechtmäßigkeit eines Angebotes im Fernabsatz überprüft, sind keine Erfüllungsgehilfen, deren sich der Schuldner zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit gegenüber der Klagseite bedient, weil es keine ausschließliche schuldrechtliche Verbindlichkeit dieser gegenüber darstellt, wettbewerbsrechtlich beanstandungsfrei gegenüber allen beworbenen Verkehrskreisen aufzutreten.

4.               Eine Zurechnung gemäß § 831 BGB käme gleichfalls nicht in Betracht, weil – weiterhin eine unzutreffende Beratung durch die Streithelfer gedanklich unterstellt – der Beklagte auf die Richtigkeit der rechtsberatenden Tätigkeit der Streithelfer, in Deutschland zugelassene Rechtsanwälte, vertrauen durfte. Auswahlverschulden kann nicht angenommen werden.

II.

 

 

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 ZPO, die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 709, 108 ZPO.

 

 

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