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Nichts als Ärger? Der Internethandel mit Lebensmitteln

Seitdem der Versandhändler Amazon im Juli 2010 angekündigt hatte, auch Lebensmittel und Getränke zu verkaufen, ist der Lebensmittelhandel über das Internet in den öffentlichen Fokus gerückt. Auf erstem Blick klingt es beeindruckend, bspw. können Kunden bei Amazon aus über 30.000 Produkten in 25 Kategorien wählen. Amazon verspricht einen kostenlosen Versand ab einem Warenwert von 20,00 Euro sowie eine deutschlandweite Lieferung bis 12.00 Uhr am nächsten Tag per Overnight-Express. Dieser Service kostet wiederum 13,00 Euro Aufpreis. In Städten wie Berlin oder Frankfurt liefert Amazon vor 11.00 Uhr bestellte Waren noch am Abend desselben Tages aus.

Verkauf von frischen Lebensmitteln über das Internet – eine gute Idee?

Man kann nicht gerade behaupten, dass Deutschland keine besonders große Dichte an Lebensmittel-Discountern hat. Ein entsprechendes Angebot, Lebensmittel des alltäglichen Bedarfs über das Internet zu bestellen, macht nach unserer Auffassung nur dann Sinn, wenn entweder die Zeit fehlt, um einkaufen zu gehen oder bspw. bei der älteren Generation die faktische Möglichkeit. Der Onlinedienst Heise hat zutreffend darauf hingewiesen, dass bspw. in Großbritannien Lebensmittel im Internet bestellt werden bei einer großen Lebensmittelkette und die Mitarbeiter der zum Kunden am nächsten gelegenen Filiale die Lebensmittel zusammenstellen und die Ware mit eigenen Kühltransporten ins Haus liefern und das 7 Tage die Woche. Allein der britische Lebensmittelhändler Tesco hat nach eigenen Angaben zufolge im vergangenen Jahr auf diesem Weg über 1 Milliarde Artikel ausgeliefert bei steigender Tendenz.

Soweit in Deutschland von entsprechenden Zentrallagern Lebensmittel versendet werden, kostet dies nicht nur Versandkosten sondern führt auch zu erheblichen logistischen Problemen. Das Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik (IML) hat aktuell Online-Supermärkte in Deutschland getestet. Im Ergebnis kommen Waren zu spät an, sind zu teuer, beschädigt oder besonders schlimm – nicht kalt genug. Nach Angaben der IML-Sprecherin habe keine einzige Bestellung alle Anforderungen erfüllt. Teilweise seien bei frischen und tiefgekühlten Produkten die vorgeschriebenen Temperaturen nicht eingehalten worden, Lebensmittel seien teilweise beschädigt angekommen. Dies ist vor dem Hintergrund, dass es bspw. bei frischem Obst oder Gemüse sicherlich eines gewissen Aufwands bedarf, um die Ware einwandfrei zu verpacken, auch kein Wunder. Nach Angaben von IML liegt der Anteil online bestellter Lebensmittel hierzulande zurzeit bei lediglich 0,5 %. Wir gehen davon aus, dass es sich in erster Linie um spezielle Lebensmittel handelt, die man nicht einfach im Supermarkt bekommt, wie Delikatessen, besondere Weine oder Spirituosen etc.

Nach Ansicht von Experten des Handelsinformationsunternehmens Planet Retail ist ein Lebensmittel-Lieferservice mit Frischeprodukten in Deutschland nicht profitabel machbar, da Mehrkosten von durchschnittlich etwa 9,00 Euro entstehen im Vergleich zum Ladenpreis – eine Schmerzgrenze, die der Kunde in der Regel nicht akzeptiert.

Nicht einmal die Basic´s stimmen: Lebensmittelkennzeichnung

Wir hatten bereits darüber berichtet, dass bei dem Angebot von Lebensmitteln Kennzeichnungspflichten auch im Internet gelten. Die Verbraucherzentrale Hamburg sah sich bspw. dazu veranlasst, Lebensmittelangebote bei Amazon wettbewerbsrechtlich abzumahnen, da die Kennzeichnung der Lebensmittel nicht korrekt war.

Hinzukommen weitere Informationsverpflichtungen, wie bspw. eine ordnungsgemäße Grundpreisangabe und die ganzen üblichen Informationspflichten beim Online-Kauf.

Widerrufsrecht bei Lebensmittelkauf?

Grundsätzlich gilt das Widerrufsrecht des Verbrauchers bei einem Online-Kauf auch beim Kauf von Lebensmitteln. Der Gesetzgeber hat jedoch zwei Ausnahmen vorgesehen, die in der Praxis jedoch nur selten einschlägig sind:

Zum einen gelten die Vorschriften über Fernabsatzverträge gemäß § 312 b Abs. 3 Nr. 5 BGB nicht bei Verträgen

– über die Lieferung von Lebensmitteln, Getränken oder sonstigen Haushaltsgegenständen des täglichen Bedarfs, die am Wohnsitz, am Aufenthaltsort oder am Arbeitsplatz eines Verbrauchers von Unternehmern im Rahmen häufiger und regelmäßiger Fahrten ausgeliefert werden.

Dies dürfte letztlich dem britischen Modell entsprechen, bei dem der örtliche Lebensmittel-Discounter die Bestellung des Kunden ausführt und dann auch gleich ausfährt. Derartige Angebote spielen in Deutschland nach unserer Kenntnis kaum eine Rolle. Ein Praxisbeispiel wäre der Pizza-Lieferdienst.

Ein echter Ausschlussgrund des Widerrufsrechtes beim Angebot von Lebensmitteln findet sich in § 312 d Abs. 4 Nr. 1 BGB. Das Widerrufsrecht besteht nicht bei Produkten, die auf Grund ihrer Beschaffenheit nicht für eine Rücksendung geeignet sind oder schnell verderben können oder deren Verfallsdatum überschritten werden würde. Auch hier wird es wieder kompliziert. Während man bspw. bei einer Tüte Frischmilch davon ausgehen kann, dass das Verfallsdatum überschritten wird, ist die Frage, wann sich Produkte zur Rücksendung nicht eignen, nicht ganz leicht zu beantworten. Letztlich kommt es nicht darauf an, ob die Ware durch Ingebrauchnahme erheblich an Wert verliert, da hierdurch das Widerrufsrecht nicht ausgeschlossen wird.

In der Praxis führt dies unter dem Strich dazu, dass der Verbraucher in irgendeiner Form erkennen können muss, ob er bei einzelnen Produkten ein Widerrufsrecht hat oder nicht. Während dies bei einer frischen Gurke, einer Packung Eiscreme oder einem frischen Joghurt wohl zweifelhaft sein dürfte,  besteht bei einer Konserve, einer Flasche Wein oder einer Packung Knäckebrot durchaus ein Widerrufsrecht.

Die Frage, ob ein Wertersatz für ein “Ausprobieren”, d. h. Verzehren von Lebensmitteln geltend gemacht werden kann, ist ebenfalls noch ungeklärt. Sollte man dies annehmen, wäre dies eine preiswerte Möglichkeit, sich über den Internethandel quasi kostenfrei zu ernähren.

Perspektiven mit falscher Umsetzung?

Vor dem Hintergrund der Überalterung der Gesellschaft und der geforderten Flexibilität am Arbeitsplatz kann eine Lebensmittel-Lieferung auf Grund einer Internetbestellung nach Hause oder an den Arbeitsplatz durchaus das Geschäftsmodell der Zukunft sein. Hierbei wird man auch berücksichtigen müssen, dass auf Grund der sich ändernden Altersstruktur es für die ältere Generation durchaus eine Alternative sein kann, sich nicht mehr selbst mit Lebensmitteln abzuschleppen sondern diese nach Hause kommen zu lassen. Was fehlt, ist noch eine funktionierende wie auch preisgünstige Umsetzung.

Ob das Amazon-Modell hier den richtigen Weg beschreitet, können wir an dieser Stelle nicht genau beurteilen. Dies wird die Zukunft zeigen.

Fragen beim Verkauf von Lebensmitteln?

Wir beraten Sie.

Stand: 29.09.2010

Ihre Ansprechpartner: Rechtsanwalt Johannes Richard und Rechtsanwalt Andreas Kempcke, Rostock

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