kerntheorie

Unterlassungserklärung oder einstweilige Verfügung: Wann wird mit einer “ähnlichen Handlung” dagegen verstoßen?

Die höchste Kunst im Wettbewerbsrecht ist eine auf den Sachverhalt passende und gleichzeitig durch die Rechtsprechung anerkannte Formulierung des Unterlassungstenors. Hier kommt es darauf an, so genau wie möglich zu formulieren, um was es eigentlich geht und was der Abgemahnte zukünftig zu unterlassen hat. Je präziser der sogenannte Unterlassungstenor ist, desto geringer ist die Chance, dass der Abgemahnte später gegen das Urteil oder die Unterlassungserklärung verstößt.

Der Kern des ganzen – die Kerntheorie

Problematisch wird es immer dann, wenn nicht der gerügte Verstoß wiederholt wird sondern ein ähnlicher Verstoß nicht mit dem ursprünglich abgemahnten Verstoß identisch ist. Die Rechtsprechung hat in diesem Zusammenhang die sogenannte Kerntheorie entwickelt. Hintergrund ist, dass ein Unterlassungsantrag und das Verfügungsverbot nicht so weit gefasst sein dürfen, dass hierbei Handlungen unterfallen, die im Rahmen eines Rechtsstreites nicht geprüft wurden oder die gar nicht wettbewerbswidrig sind. Andererseits sollte der Unterlassungstenor so formuliert sein, dass der Kern der konkreten Verletzungshandlung zum Ausdruck kommt. Der Inhalt umfasst somit dann nicht nur gleichlautende oder gleich gestaltete Handlungen sondern bezieht sich nach der Kerntheorie auch auf alle zukünftigen Handlungen, in denen das Charakteristische der beanstandeten Werbung zum Ausdruck kommt. Gewisse Verallgemeinerungen sind erlaubt, Abstrahierungen jedoch unzulässig.

In der Praxis ist eine Differenzierung schwierig, wenn nicht zum Teil sogar unmöglich. Dies wird aus einer aktuellen Entscheidung des OLG Hamburg (Beschluss vom 08.01.2009, Az.: 5 W 1/09) deutlich. Dem Antragsgegner war es offensichtlich untersagt worden, die Domains “gübstiger.de” und “günstigert.de” zu nutzen. Im Rahmen eines Ordnungsgeldantrages ging es dann um die Domains “günstigef.de”, “günstiher.de” und “günatiger.de”. Dies sah der Senat nicht als identischen Verstoß an, mit der Folge, dass ein Ordnungsgeldantrag zurückgewiesen wurde. Es heißt insofern nachvollziehbar in der Entscheidung:”Anderenfalls wären gerichtliche Verbote erkennbar der Gefahr ausgesetzt, konturlos zu werden und könnten ihrem Primärzweck nicht mehr gerecht werden, Rechtssicherheit zu gewährleisten.”

Der Senat weist ferner darauf hin, dass die Antragstellerin offensichtlich ihren Antrag auf zwei gerügte Domains bezog und nicht auf eine Verallgemeinerung, die unzulässig gewesen wäre.

Letztlich ist dies jedoch eine Einzelfallrechtsprechung. So hat bspw. das OLG Naumburg (Beschluss vom 12.10.2006, Az.: 10 W 65/06) einen Verstoß gegen die Unterlassungsverfügung, bestimmte Werbeaussagen im Internet zu tätigen, dann angesehen, wenn die gleichen Werbeaussagen in einem gedruckten Katalog getätigt werden. Begründet wurde dies mit: “… lediglich kosmetischen Veränderungen der konkreten Verletzungsform, die Gegenstand des Verbotes sind, die den Gesamteindruck der verbotenen Werbung aber nicht berühren.”. Nur wenn die werbliche Maßnahme sich so verändert, dass sich deren Gesamteindruck bezogen auf den Kern des Verbotes ändert, unterfällt die Änderung nicht mehr dem Verbotskern des Titels.

Auf die Formulierung kommt es an

Die beiden Beispiele zeigen, dass es ganz stark auf den Einzelfall ankommt, wenn eine ähnliche Handlung in den Kernbereich einer Unterlassung fallen könnte. Während im Übrigen es die Regel sein sollte, dass bei zu weitgehenden Unterlassungsanträgen Gerichte diesen einen Riegel vorschieben, ist die Gefahr bei strafbewehrten Unterlassungserklärungen um so größer, dass absichtlich ein sehr weitgehender Verbotsumfang mit in die Unterlassungserklärung durch den Abmahner aufgenommen wird. In diesem Fall kommt es in erster Linie auf die konkrete Formulierung der Unterlassungserklärung an. Beliebt ist in diesem Zusammenhang bspw. die in Abmahnungen vorgegebene Formulierung: “… ordnungsgemäß über das Widerrufsrecht zu belehren.”. Wer so etwas unterschreibt, bekommt sehr schnell große Probleme, da bis zum heutigen Zeitpunkt unklar ist, wann eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung eigentlich vorliegt.

Wir kennen aus unserer Beratungspraxis jedoch durchaus Fälle, in denen auch Gerichte sehr weitgehende Unterlassungsanträge akzeptiert haben.

Jeder Abgemahnte sollte sich daher darüber im Klaren sein, was er zukünftig zu unterlassen hat, wenn er eine Unterlassungserklärung abgibt oder eine einstweilige Verfügung erhält. “So ähnliche Handlungen” können schnell zum Problem werden.

Wir beraten Sie gern.

Ihre Ansprechpartner: Rechtsanwalt Johannes Richard und Rechtsanwalt Andreas Kempcke, Rostock

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