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Keine wettbewerbswidrige Nachahmung bei Massenprodukt, bei dem sich Kunden keine Gedanken über die Herkunft machen (LG Düsseldorf)

Wenn ein Produkt nachgeahmt, böse gesagt könnte man auch plagiiert sagen, wird, kann es verschiedene Unterlassungsansprüche geben: Falls es ein Design gibt, kann eine Designrechtsverletzung vorliegen bzw. eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters. Eine weitere Anspruchsgrundlage bei Nachahmungen ist der sogenannte ergänzende wettbewerbsrechtliche Leistungsschutz gem. § 4 Nr. 3 UWG:

Unlauter handelt, wer

Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er

  1. eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt

Weitere Alternativen ist die Ausnutzung der Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder wenn für Nachahmung erforderliche Kenntnisse oder Unterlagen unredlich erlangt wurden.

Unterlassungsansprüche aufgrund einer Nachahmung im Rahmen des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes werden insbesondere dann geltend gemacht, wenn der Abmahner keine weiteren Schutzrechte hat oder diese bereits abgelaufen sind wie z. B. bei einem Design oder Gemeinschaftsgeschmacksmuster.

Notwendig für eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung im Rahmen des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes aufgrund einer „vermeidbaren Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft“ ist somit, dass die Käufer sich über die betriebliche Herkunft überhaupt Gedanken machen.

Keine Herkunftstäuschung bei einem Produkt für den Massenmarkt ohne wettbewerbsrechtliche Eigenart.

Das Landgericht Düsseldorf (LG Düsseldorf, Urteil vom 03.11.2022, Az: 14C O 21/21) hatte zu Unterlassungsansprüchen hinsichtlich einer Lichterkette zu entscheiden. Diese Lichterkette wurde u. a. über Discounter vertrieben.

Lichterkette Stern

Das Landgericht Düsseldorf hatte die Klage abgewiesen. Die Begründung des Gerichtes ist sehr klar und lesenswert:

„Indes lag keine vermeidbare Herkunftstäuschung im Sinne des § 4 Nr. 3 lit. a) UWG vor.

Gemäß § 4 Nr. 3 lit. a) UWG handelt unlauter, wer Waren anbietet, die eine Nachahmung der Waren eines Mitbewerbers sind, wenn er dadurch eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt.

Der Vertrieb eines nachahmenden Erzeugnisses kann wettbewerbswidrig sein, wenn das nachgeahmte Produkt über wettbewerbliche Eigenart verfügt und besondere Umstände hinzutreten, die die Nachahmung unlauter erscheinen lassen. So verhält es sich, wenn die Nachahmung geeignet ist, eine Herkunftstäuschung hervorzurufen und der Nachahmer geeignete und zumutbare Maßnahmen zur Vermeidung der Herkunftstäuschung unterlässt. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Art und Weise und der Intensität der Übernahme sowie den besonderen wettbewerblichen Umständen, so dass bei einer größeren wettbewerblichen Eigenart und einem höheren Grad der Übernahme geringere Anforderungen an die besonderen Umstände zu stellen sind, die die Wettbewerbswidrigkeit der Nachahmung begründen und umgekehrt. „

Keine Eigenart, da Massenware

“Die Lichterkette der Klägerin weist schon nicht die erforderliche wettbewerbliche Eigenart auf, weil es sich um eine „Massenware“ handelt, bei der der Verkehr keinen Wert auf die Herkunft aus einem bestimmten Betrieb legt.

Einem Erzeugnis kommt wettbewerbliche Eigenart zu, wenn seine konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale geeignet sind, die angesprochenen Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen. Maßgeblich für die Bestimmung der wettbewerblichen Eigenart ist der Gesamteindruck des nachgeahmten Erzeugnisses. Dieser kann auch durch Gestaltungsmerkmale bestimmt oder mitbestimmt werden, die zwar nicht für sich genommen, aber in ihrem Zusammenwirken geeignet sind, im Verkehr auf die Herkunft des nachgeahmten Produkts aus einem bestimmten Unternehmen .

Für die wettbewerbliche Eigenart kommt es nicht darauf an, dass die angesprochenen Verkehrskreise den Hersteller der Ware namentlich kennen; erforderlich ist aber, dass sie annehmen, die Ware stamme von einem bestimmten Hersteller, wie auch immer dieser heißen möge, oder sei von einem mit diesem verbundenen Unternehmen in Verkehr gebracht worden

Auf die Neuheit der Gestaltung kommt es ebenso wenig an, wie darauf, ob die zur Gestaltung eines Produktes verwendeten Einzelmerkmale originell sind. Entscheidend ist vielmehr, ob sie in ihrer Kombination den Produkten ein Gepräge geben, das dem angesprochenen Verkehr einen Rückschluss auf die betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten

Wettbewerbliche Eigenart liegt insbesondere dann vor, wenn sich das Erzeugnis aufgrund besonderer Gestaltungsmerkmale von anderen Produkten im Marktumfeld so abhebt, dass der Verkehr es einem bestimmten Hersteller zuordnet. Ein Erzeugnis hat hingegen keine wettbewerbliche Eigenart, wenn der angesprochene Verkehr die prägenden Gestaltungsmerkmale des Erzeugnisses nicht (mehr) einem bestimmten Hersteller oder einer bestimmten Ware zuordnet. Insoweit ist es erforderlich, dass der Verkehr – anders als dies bei „Allerweltserzeugnissen” oder „Dutzendware” der Fall ist – auf die betriebliche Herkunft des Erzeugnisses Wert legt und gewohnt ist, aus bestimmten Merkmalen auf die betriebliche Herkunft zu schließen  Denn die Funktion des (ungeschriebenen) Tatbestandsmerkmals der wettbewerblichen Eigenart besteht darin, den Schutz vor Nachahmung auf solche Leistungsergebnisse zu beschränken, die unter Berücksichtigung der Interessen der Mitbewerber, der Verbraucher, der sonstigen Marktteilnehmer und der Allgemeinheit schutzwürdig sind.

Angesprochene Verkehrskreise sind hier die Endverbraucher, die die Lichterkette erwerben. Die Kammermitglieder sind in der Lage, die sich insbesondere aus der Gestaltung ergebenden Herkunftsvorstellungen dieses Verkehrskreises aus eigener Sachkunde und Erfahrung zu beurteilen, da sie selbst Teil des angesprochenen Verkehrskreises sind und überdies als Mitglieder einer Spezialkammer für Wettbewerbssachen über besondere Expertise verfügen, die es ihnen ermöglicht, die Herkunftsvorstellungen des gesamten angesprochenen Verkehrskreises im Hinblick auf die streitgegenständlichen Produkte zu beurteilen.

Gleichwohl vermochten die Lichterketten keine wettbewerbliche Eigenart zu erlangen, weil es sich um ein „Allerweltserzeugnis“ handelt, bei dem der Verkehr keinen Wert auf die betriebliche Herkunft legt. Die Lichterkette ist ein eher niedrigpreisiger, saisonaler Dekorationsartikel, der beim Discounter ALDI vertrieben wurde. Bei einem solchen Produkt steht für den Verkehr im Vordergrund, zu einem niedrigen Preis ein Erzeugnis zu erwerben, das nur vorübergehend (saisonal) genutzt wird, der Mode unterliegt und vielleicht schon im Folgejahr durch einen anderen Dekorationsartikel ersetzt wird. Es bedarf deshalb auch keiner hervorgehobenen Qualität, sondern vornehmlich eines gefälligen Designs und eines nicht zu hohen Preises. Die Lichterkette wird daher – wie auch die Klägerin annimmt – ohne größere Prüfung und Beschäftigung erworben. Für den Verkehr, der davon ausgeht, dass die notwendige Produktsicherheit und ein Mindestmaß an Qualität durch die Einkaufsabteilung des Discounters sichergestellt werden, ist unerheblich, woher das Produkt kommt. So wird er zwar annehmen, dass das Produkt – wie solche Erzeugnisse häufig – wahrscheinlich in Fernost produziert wurde, sich über die Herkunft aus einem bestimmten Betrieb aber gerade keine Vorstellung machen. Damit geht auch einher, dass die Verpackung zwar einen Hinweis auf den Importeur aufweist, dies aber gänzlich untergeordnet, da die Herkunft den Verkehr regelmäßig nicht interessiert. Auffällig sind vielmehr die Handelsmarke des Discounters und die sich in die Produktlinie der unter dieser Handelsmarke vertriebenen Produkte einfügende Aufmachung, die der Verkehr ebenfalls dem Discounter und nicht etwa dem Hersteller des jeweiligen Erzeugnisses zuordnet.“

Keine Eigenart, Produkt bei Discountern von unterschiedlichen Lieferanten

“Insoweit weiß der Verbraucher auch, dass Discounter nicht nur einige wenige Lieferanten haben, sondern mit wechselnden Vertragspartnern erst niedrige Preise im Einkauf erzielen und an die Endkunden weitergeben können. Die üblichen Lieferantenwechsel zeigen sich auch darin, dass auch die Klägerin nunmehr ihr Produkt bei dem Discounter LIDL platziert hat und dort den Lieferanten ersetzt, während 2020 die Lichterkette der Beklagten das Produkt der Klägerin bei dem Discounter ALDI ersetzte, hiernach aber wieder die Klägerin lieferte.“

Im Ergebnis nahm das Gericht hier an, dass, wenn die Kunden auf die betriebliche Herkunft eines Produktes keinen Wert legen, das Produkt keine wettbewerbliche Eigenart hat. Folge ist wiederrum, dass eine Täuschung über die Herkunft nicht erfolgen kann.

Fazit

Eine Herkunftstäuschung gem. § 4 Nr. 3 UWG ist komplexes Feld. Nach unserem Eindruck ist die Rechtsprechung zu Gunsten der Abmahner in diesen Fällen sehr großzügig. So weit Massenware gerade bei unterschiedlichen Discountern angeboten wird, kommt es den Verbrauchern in erster Linie auf den Preis an und nicht auf die Herkunft.


Wir beraten Sie bei einer Abmahnung wegen einer Nachahmung und einer behaupteten Täuschung über die betriebliche Herkunft.

Stand: 30.01.2023

Es beraten Sie: Rechtsanwalt Johannes Richard und Rechtsanwalt Andreas Kempcke