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OLG Hamm: Keine Verpflichtung bei Abmahnung per E-Mail Dateianhang tatsächlich zu öffnen

Bei einem Wettbewerbsverstoß erfolgt eine Abmahnung, bevor ein gerichtliches Verfahren, in der Regel eine einstweilige Verfügung, beantragt wird. Ausnahmen gibt es im Markenrecht: Hier kann es zulässig sein, auch ohne vorherige Abmahnung eine einstweilige Verfügung zu beantragen. Nur wenn im Wettbewerbsrecht vorher abgemahnt wurde bzw. die Abmahnung auch zugegangen ist, trägt der Abgemahnte die Kosten des gerichtlichen Verfahrens.

Wenn einer Abmahnung per Post verschickt wird, reicht es aus, wenn der Abmahner den Versand der Abmahnung nachweist. Wenn eine Abmahnung nur per E-Mail versandt wird, erfolgt dies in der Regel so, dass es ein Anschreiben per E-Mail der Kanzlei gibt, mit einem Verweis auf die Abmahnung, die als PDF-Anlage der Mail beigefügt ist. Hier gelten nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichtes Hamm (OLG Hamm Beschluss vom 9.3.2022 Az. 4 W119/20) jedoch andere Regeln:

Leitsatz des OLG: „Wird ein Abmahnschreiben lediglich als Dateianhang zu einer E-Mail versandt, ist es in der Regel nur und erst dann zugegangen, wenn der E-Mail-Empfänger den Dateianhang auch tatsächlich geöffnet hat“

Eine Anwaltskanzlei hatte eine Abmahnung ausschließlich per E-Mail versandt. In der Mail wurde auf anliegende Dokumente verwiesen mit dem Hinweis, dass diese nur auf elektronischem Wege zur Verfügung gestellt werden. Der Mail beigefügt war eine PDF Datei mit dem kryptischen Dateinamen „2020000067EU12984.pdf“ und eine Datei mit dem Dateinamen „Unterlassungs.pdf“. Der Empfänger der Mail hatte behauptet, diese sei ihm nicht bekannt gewesen, weil sie im Spam-Ordner gelandet sei. Es wurde dann eine einstweilige Verfügung beantragt. Der Abgemahnte legte daraufhin Kostenwiderspruch ein.

Kostenwiderspruch bedeutet, dass man die einstweilige Verfügung als endgültige Regelung anerkennt (Abschlusserklärung), nicht jedoch die Kostenentscheidung des Gerichtes.

Keine Verpflichtung, E-Mail Anhänge zu öffnen

Das OLG Hamm legte dem Abmahner die Kosten der einstweiligen Verfügung auf:

„Die Kosten des Rechtsstreits sind in entsprechender Anwendung des § 93 ZPO dem Verfügungskläger aufzuerlegen. Der Verfügungsbeklagte hat dem Verfügungskläger durch sein Verhalten keine Veranlassung zur Anbringung des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegeben. Dem Verfügungsbeklagten kann in diesem Zusammenhang insbesondere nicht der Vorwurf gemacht werden, er habe auf die Abmahnung des Verfügungsklägers nicht reagiert. Denn das anwaltliche Abmahnschreiben vom 19.03.2020 ist dem Verfügungsbeklagten nicht zugegangen: Wird – wie im vorliegenden Falle – ein Abmahnschreiben lediglich als Dateianhang zu einer E-Mail versandt, ist es nur und erst dann zugegangen, wenn der E-Mail-Empfänger den Dateianhang auch tatsächlich geöffnet hat. Denn im Hinblick darauf, dass wegen des Virenrisikos allgemein davor gewarnt wird, Anhänge von E-Mails unbekannter Absender zu öffnen, kann von dem Empfänger in einem solchen Fall nicht verlangt werden, den Dateianhang zu öffnen. Es kann mithin im vorliegenden Fall dahinstehen, ob die in Rede stehenden E-Mails überhaupt im E-Mail-Postfach des Verfügungsbeklagten (dort möglicherweise im „Spam-Ordner“) eingegangen sind. Der Verfügungsbeklagte hat durch Vorlage seiner eidesstattlichen Versicherung vom 08.05.2020 jedenfalls glaubhaft gemacht, dass er von den beiden E-Mails des – ihm zuvor nicht bekannten – Prozessbevollmächtigten des Verfügungsklägers keine Kenntnis erlangt und dementsprechend auch den Dateianhang mit dem Abmahnschreiben nicht geöffnet hat.“

Ob der Abgemahnte die per E-Mail übersandte Abmahnung überhaupt zur Kenntnis genommen hat, war für das OLG unerheblich. Nach Ansicht des OLG kann grundsätzlich nicht verlangt werden, ein Dateianhang eines unbekannten Absenders zu öffnen.

Unabhängig davon sollte der Empfänger einer Abmahnung per E-Mail dennoch bei einem Kostenwiderspruch in einem einstweiligen Verfügungsverfahren nicht besser wideren Wissens in Form einer eidesstattlichen Versicherung behaupten, er hätte die Abmahnung gar nicht bekommen. Jedenfalls gibt es nach Ansicht des OLG Hamm keine Verpflichtung, Dateianhänge von unbekannten Absendern überhaupt zu öffnen. Aus unserer Beratungspraxis wissen wir, dass Abmahnungen nur selten ausschließlich per E-Mail verschickt werden.

Wir beraten Sie bei einer Abmahnung.

Stand: 050.4.2022

Es beraten Sie: Rechtsanwalt Johannes Richard und Rechtsanwalt Andreas Kempcke