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BGH schützt Handwerker: Kein Widerrufsrecht, wenn Verbraucher außerhalb von Geschäftsräumen ein unterbreitetes Angebot erst am Folgetag annimmt
Ein großes Problem in der Praxis für Unternehmer ist das Widerrufsrecht von Verträgen, die außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossen werden. Die Definition von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossener Verträge ergibt sich aus § 312 b BGB:
§ 312b Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge
(1) Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge sind Verträge,
- die bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Verbrauchers und des Unternehmers an einem Ort geschlossen werden, der kein Geschäftsraum des Unternehmers ist,
- für die der Verbraucher unter den in Nummer 1 genannten Umständen ein Angebot abgegeben hat,
- die in den Geschäftsräumen des Unternehmers oder durch Fernkommunikationsmittel geschlossen werden, bei denen der Verbraucher jedoch unmittelbar zuvor außerhalb der Geschäftsräume des Unternehmers bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Verbrauchers und des Unternehmers persönlich und individuell angesprochen wurde, oder
….
Unter anderem bei Handwerksleistungen wird es in der Regel so sein, dass der Handwerker entweder vor Ort ein Angebot macht oder ein Angebot per Mail übersendet. Vertragsschlüsse innerhalb der Geschäftsräume eines Handwerksunternehmens sind in der Praxis selten.
In diesem Fall muss der Handwerker über das Widerrufsrecht belehren und zwar mit einer richtigen Widerrufsbelehrung in Textform (mindestens E-Mail).
Wird nicht ordnungsgemäß über das Widerrufsrecht belehrt, hat der Verbraucher zum einen ab Vertragsschluss ein Widerrufsrecht von 12 Monaten und 14 Tagen, zum anderen bekommt der Handwerker kein Geld, er kann nicht einmal Wertersatz geltend machen.
Diese eindeutige Rechtslage hat der Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom 06.07.2023, Az.: VII ZR 151/22) nunmehr zu Gunsten von Handwerkern korrigiert.
Im Leitsatz heißt es:
„Ein Vertragsschluss bei gleichzeitiger Anwesenheit der Parteien außerhalb von Geschäftsräumen im Sinne des § 312 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB liegt nicht vor, wenn der Verbraucher ein vom Unternehmer am Vortrag unterbreitetes Angebot am Folgetag außerhalb von Geschäftsräumen lediglich annimmt.“
Nach Auffassung des BGH liegt nur dann ein Vertrag vor, der außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen wurde und der dem Widerrufsrecht unterliegt, wenn Angebot und Annahme (so definiert man üblicherweise einen Vertrag) quasi gleichzeitig vorgenommen wurde.
Hintergrund für diese auf dem ersten Blick etwas sonderbare Rechtsansicht ist ganz offensichtlich der Sachverhalt:
Der Kläger ist Eigentümer eines Reihenhauses, der Beklagte ein Dachdecker-Betrieb. Der Dachdecker-Betrieb wurde mit der Erneuerung von Dachrinnen und Abdichtungsarbeiten beauftragt. Während der Ausführung der Arbeiten bemerkte ein Mitarbeiter, dass ein Wandanschluss defekt war. Er teilte dem Kläger die ungefähre Größenordnung für die Arbeiten anfallende Vergütung und die Dauer mit. Daraufhin beauftragte der Kläger den Beklagten auch mit diesen Arbeiten.
Der Betrag in Höhe von ca. 1.100,00 Euro wurde vom Kläger vollständig gezahlt. Sodann widerrief der Kläger die Aufträge.
Nach unserer Auffassung entscheidend für das Urteil des BGH sind folgende Ausführungen im Sachverhalt:
„Bei einem anschließenden zufälligem Treffen überreichte der Kläger dem Beklagten ein Flyer, der mit „Der Handwerker-Widerruf- schützen Sie sich vor unseriösen Handwerkern“ überschrieben war, und erklärte, dass er daraus ein neues Geschäftsmodell entwickelt habe.“
Dieses Geschäftsmodell passte dem BGH ganz offensichtlich nicht.
BGH: Vertrag außerhalb von Geschäftsräumen nur dann, wenn Vertrag bei gleichzeitiger Anwesenheit der Parteien geschlossen wird
Der Kläger hatte, davon ging der BGH aus, vor Ort in Anwesenheit des Handwerkers lediglich dessen am Tag zuvor abgegebenes Angebot für die Reparatur des beschädigten Wandanschlusses angenommen.
Diese zeitlich versetzte Auftragserteilung sei von § 312 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB nicht umfasst.
Im Wortlaut des Gesetzes heißt es auch tatsächlich „bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Verbrauchers und des Unternehmers“.
Ziel dieser Norm sei es, dass der Verbraucher entweder eine Zeit hat, über das Angebot nachzudenken oder ein Widerrufsrecht. Jedenfalls würde, wenn eine Zeit zum Nachdenken bestehen würde, eine typische Druck- oder Überraschungssituation nicht vorliegen.
Auch die Alternative des § 312 b Abs. 1 Nr. 2 BGB (abgeben eines Angebotes) sah der BGH als nicht gegeben an.
Ein Widerrufsrecht bei Handwerkerleistungen besteht im Übrigen, dies wird die Vorinstanz zu klären haben, nicht gemäß § 312 g Abs. 2 Nr. 11 BGB bei dringenden Reparatur- und Instanthaltungsmaßnahmen.
Obwohl im Übrigen der BGH zu Gunsten des Handwerkers entschieden hat, wurde ein Rechtsmissbrauch verneint.
Im Ergebnis ist nach unserer Auffassung jedoch nicht zu übersehen, dass der BGH sich hier bewusst auf die Seite des Handwerkers gestellt hat.
Wir beraten Unternehmen, die Probleme mit dem Widerrufsrecht haben.
Stand: 22.08.2023
Es berät Sie: Rechtsanwalt Johannes Richard