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Ende der Internetforen? Der Betrieb eines Forums wird zur Haftungsfalle für den Betreiber.

Internetforen, in denen Nutzer Meinungen und Ansichten austauschen können, gehören heute zum selbstverständlichen Bestandteil vieler Internetseiten.

Sie sind ferner ein selbstverständlicher Bestandteil der Netzkultur. Rechtliche Probleme können sich daraus ergeben, dass in Foren falsche Tatsachen behauptet oder beleidigende Postings abgesetzt werden. Der Betrieb eines Internetforums kann für den verantwortlichen Betreiber schnell zur Haftungsfalle werden. Die Haftungsregeln aus dem Teledienstegesetz für Internetforen haben nach der aktuellen Rechtsprechung keine Gültigkeit mehr. Ursprünglich wurde die Ansicht vertreten, dass auch für Ansprüche, darauf, Beiträge zu löschen und zukünftig beleidigende Einträge oder unwahre Tatsachenbehauptungen zu unterlassen, § 11 des Teledienstegesetzes gilt. Solange der Forenbetreiber rechtswidrige Einträge nicht selbst eingestellt hat, gilt eigentlich § 11 Teledienstegesetz (TDG). Es heißt dort:

§ 11 Speicherung von Informationen

 

Diensteanbieter sind für fremde Informationen, die sie für einen Nutzer speichern, nicht verantwortlich, sofern

 

1. sie keine Kenntnis von der rechtswidrigen Handlung oder der Information haben und ihnen im Falle von Schadenersatzansprüchen auch keine Tatsachen oder Umstände bekannt sind, aus denen die rechtswidrige Handlung oder die Information offensichtlich wird oder

 

2. sie unverzüglich tätig geworden sind, um Informationen zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren, sobald sie diese Kenntnis erlangt haben.

Früher galt somit der Leitsatz “Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß”. Mit anderen Worten: Solange der Forenbetreiber keine Kenntnis von rechtswidrigen Einträgen  hatte, eine Prüfungspflicht wurde in der alten Rechtsprechung höchst unterschiedlich beurteilt, traf ihn auch keine entsprechende Verantwortung.

Nach der aktuellen Rechtsprechung kann diese Ansicht nicht mehr aufrecht erhalten werden. Für Aufsehen gesorgt hat insbesondere ein Urteil des Landgerichtes Hamburg (LG Hamburg, Urteil vom 02.12.2005, Az.: 324 O 721/05 ), in dem der Heise Verlag auf Unterlassung wegen geschäftsschädigender Foreneinträge in Anspruch genommen wurde. Das Urteil hat für Aufsehen in der Internetszene gesorgt. Die zweite Instanz hat die Entscheidung etwas eingeschränkt (Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 22.08.2006, AZ: 7 U 5 ). Bei genauerer Betrachtung ist dies jedoch nicht das einzige Urteil, das Unterlassungsansprüche bei rechtswidrigen Foreneinträgen auch ohne Kenntnis des Betreibers annimmt.

Der Keim dieser auf dem ersten Blick schwer nachvollziehbaren Rechtsprechung wurde durch ein Urteil des Bundesgerichtshofes vom 11.03.2004, Az.: I ZR 304/01 (internet-versteigerung) gesetzt. Der Bundesgerichtshof hatte angenommen, dass das Haftungsprivileg des § 11 Satz 1 TDG nicht den Unterlassungsanspruch betrifft. Das Haftungsprivileg des § 11 Satz 1 TDG bezeichnet eigentlich ein Privileg dahingehend, dass der Diensteanbieter (Forenbetreiber) für fremde Einträge, die er lediglich für die Nutzer abspeichert, eigentlich nicht haftet. Das sogenannte Haftungsprivileg gilt, so der BGH nicht für Unterlassungsansprüche, sondern nur für eine strafrechtliche Verantwortlichkeit und für Schadenersatzansprüche. Wir finden diese Ansicht zwar nicht überzeugend, die Entscheidung des BGH ist jedoch als gegeben hinzunehmen.

Dies hat letztlich zur Folge, dass jeder Forenbetreiber bei offensichtlich rechtswidrigen Einträgen, sei es falsche Tatsachenbehauptungen, geschäftsschädigende Äußerungen oder Beleidigungen auf Unterlassung, auch gerichtlich, in Anspruch genommen werden kann. Dies wird in mehreren Urteilen im Hinblick auf die vorgenannte BGH-Entscheidung begründet (so auch Landgericht Düsseldorf, Urteil vom 25.01.2006, Az.: 12 O 546/05 sowie wohl auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 26.04.2006, Az.: 1 – 15 U 180/05).

Unrealistische technische Anforderungen der Rechtsprechung

In der Rechtsprechung wird auch thematisiert, wie der Forenbetreiber aktuelle und zukünftige rechtswidrige Einträge verhindern soll.

In der Rechtsprechung wird zwischenzeitlich angenommen, dass eine Verpflichtung des Forenbetreibers besteht. Wie diese auszugestalten ist, wird in der Rechtsprechung durchaus unterschiedlich beurteilt.

So nimmt das Landgericht Düsseldorf (siehe oben) an, dass eine Verpflichtung des Forenbetreibers zur Überwachung des Forums aus dem Umstand erfolgt, dass der Forenbetreiber das Erscheinen beleidigender Postings nicht durch entsprechende Vorrichtungen bzw. Sperrung des betreffenden Nutzers verhinderte bzw. verhindern konnte. Dies ist eigentlich ein Zirkelschluss, da in der Regel erst der rechtswidrige Eintrag und dann eine entsprechende Überprüfung erfolgt. Nach Landgericht Düsseldorf ist die Sperrung von IP-Nummer, da diese dynamisch sind, im Übrigen auch nicht ausreichend.

Sehr viel weitergehend sind die Ausführungen im Heise-Urteil des Landgerichtes Hamburg. Ein Anbieter, wie Heise mit einem sehr umfangreichen Forum und tausenden von Einträgen muss sich wohl zukünftig überlegen, ob ein Form überhaupt noch aufrecht erhalten werden kann. Dies wird auch für viele andere große, wie auch kleine Anbieter gelten. Im Urteil heißt es: “Die Störereigenschaft entfällt nicht deswegen, weil es der Antragsgegnerin unmöglich wäre, auf den Inhalt des von ihr eingerichteten Forums Einfluss zu nehmen. Technisch ist hier eine solche Einflussnahme im Grundsatz ohne Weiteres möglich, da sie ihr Forum in der Weise einrichten kann, dass die Einträge vor ihrer Freischaltung auf die rechtliche Zulässigkeit ihres jeweiligen Inhaltes geprüft werden.”

Dies bedeutet nichts anderes, als dass tausende von Foreneinträgen erst einmal durch einen Mitarbeiter überprüft und dann erst zur Veröffentlichung freigeschaltet werden. Dies ist nichts anderes als eine Vorzensur! Auch die große Anzahl der Einträge führt nicht zu einer anderen rechtlichen Beurteilung. Es heißt in dem Urteil: “Die Kammer hat schon erhebliche Zweifel daran, dass die Vielzahl der verbreiteten Einträge allein überhaupt einen Grund dafür abgeben kann, den Verbreiter von seiner Verantwortlichkeit zu befreien. Denn wer Betriebsmittel bereit hält, dem es ihm erlauben, über ein redaktionell gestaltetes Angebot in riesenhafter Anzahl Äußerungen zu verbreiten, unterhält damit eine Gefahrenquelle, in dem er eine unbestimmte Vielzahl von Nutzern gerade damit die Möglichkeit eröffnet, in großer Anzahl Äußerungen zu verbreiten, die geeignet sind, Rechte Dritter zu verletzen.”

Dies ist nicht nur ein Ende der Presse- und Meinungsfreiheit, sondern führt auch zwangsläufig zu einer Selbstzensur des Kommunikationsmittels Internet, das eine Art von Meinungsfreiheit eröffnete, das bisher in der Gesichte einmalig war.

Nunmehr wird den “Redakteuren” von Foren eine Selbstzensur auferlegt, was wir rechtspolitisch für sehr problematisch halten.

Die Heise-Entscheidung des Landgerichtes Hamburg geht sogar noch weiter. Sie geht nämlich davon aus, dass Heise damit rechnen musste, dass es kritische Anmerkungen im Forum gab, da der zugrundeliegende Beitrag im Rahmen dessen man sich im Forum äußern konnte, Anlass zu rechtswidrigen Einträgen in das Forum gegeben hat. Es heißt im Urteil: “Denn die Antragsgegnerin hatte zu ihrem Beitrag, in dem sie das Verhalten der Antragsteller beanstandet hatte, ein Forum eröffnet und auf Grund der in ihrem eigenen Beitrag geübten harten Kritik an dem Verhalten der Antragsteller, musste sie jedenfalls damit rechnen, dass Nutzer Beiträge in diesem Forum einstellen würden, dabei “über die Strenge schlagen” und die Gelegenheit nutzen würden, gerade an dieser Stelle, die durch die Veröffentlichung der Antragsgegnerin einen hohen Aufmerksamkeitswert genoss, zu rechtswidrigen Aktionen gegen die Antragsteller aufzurufen.”

Dies heißt nichts anderes, als dass derjenige, der kritisch berichtet, einen sogar noch erhöhte Prüfungspflicht bei Foreneinträgen hat.

Ist der Betrieb eines Forums überhaupt noch vertretbar?

Ob es zukünftig für große, wie auch kleine Anbieter überhaupt noch haftungsrechtlich vertretbar ist, als Administrator oder Betreiber eines Internetforums aufzutreten, darf bezweifelt werden. Ohne eine entsprechende arbeitsaufwendige Kontrolle, die letztlich

dazu führt, dass jeder einzelne Beitrag überprüft wird, bevor er veröffentlicht wird, wird ein Forenbetrieb zukünftig wohl nicht mehr denkbar sein. Das Urteil des Landgerichtes Hamburg ist noch nicht rechtskräftig und wird sicherlich letztlich durch den Bundesgerichtshof entschieden werden. An der grundsätzlichen Haftung für Unterlassungsansprüche, wie sie bereits durch den BGH klärend festgestellt wurden, wird sich jedoch nichts ändern. Durch die Hintertür ist somit eine Art Vorzensur eingeführt worden, auf dessen Altar die Meinungsfreiheit im Internet geopfert wird. Rein praktisch gesehen ist Betreibern von Internetforen anzuraten, zu überdenken, ob sie ein Haftungsrisiko entsprechend überhaupt noch in Kauf nehmen wollen. Zumindestens sollte sichergestellt werden, dass Einträge regelmäßig, am besten vor Veröffentlichung überprüft werden. Nach der jetzigen Rechtslage ist der Betrieb von Foren nach unserer Auffassung zur Zeit bis zur endgültigen Klärung durch den Bundesgerichtshof oder das Bundesverfassungsgericht eigentlich nicht vertretbar. Überlegen Sie es sich zweimal, ob Sie  als Betreiber oder als Administrator eines Forums tätig sein wollen.

Auf der anderen Seite ist es natürlich um so einfacher, gegen rechtswidrige Beiträge in Foren vorzugehen.

Wir beraten Sie gerne.

Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Johannes Richard, Rostock

Stand:09/2006

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