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Verworrene Rechtslage: Pfand extra ausweisen oder nicht?

Das deutsche Recht verträgt sich zum Teil nicht mit dem europäischen Recht. In der Regel geht Europarecht vor. Gerade bei der für Internethändler so wichtigen Preisangabenverordnung gibt es jedoch mehrere Fälle, in denen europäische Preisvorschriften mit der Preisangabenverordnung kollidieren. Ein Beispiel ist die Frage, ob der Grundpreis „in unmittelbarer Nähe“ zum Preis dargestellt werden muss. Auch hier kollidiert Europarecht mit der Preisangabenverordnung. In diesem Fall muss die Preisangabenverordnung, sodass OLG Hamburg, zurücktreten.

Ein anderer Aspekt ist die Frage, ob bei einem Pfand dieses in den Gesamtpreis eingerechnet oder gesondert ausgewiesen werden muss. Ein Pfand fällt beispielsweise an bei Getränken häufig an, wie aber auch bei Autobatterien oder einem Altteilepfand.

Zunächst schreibt § 1 Abs. 1 S. 1 PangV vor, dass ein Gesamtpreis anzugeben ist. Dieser muss alle Preisbestandteile enthalten. Es gibt jedoch in § 1 Abs. 4 Preisangabenverordnung eine Ausnahmeregelung:

„Wird außer dem Entgelt für eine Ware oder Leistung eine rückerstattbare Sicherheit gefordert, so ist deren Höhe neben dem Preis für die Ware oder Leistung anzugeben und kein Gesamtbetrag zu bilden.“

Das Pfand ist somit neben dem Kaufpreis gesondert auszuweisen und wird auch nicht bei der Berechnung des Grundpreises, z.B. bei Getränken berücksichtigt. Aus diesem Grund wird im Getränkemarkt das Pfand immer gesondert ausgewiesen. Soweit die deutsche Regelung.

In der Preisangabenrichtlinie (Richtlinie 98/6/EG) heißt es in Art. 2:
„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

a) “Verkaufspreis” den Endpreis für eine Produkteinheit oder eine bestimmte Erzeugnismenge, der die Mehrwertsteuer und alle sonstigen Steuern einschließt;“

Ob der „Verkaufspreis“ auch das Pfand mit umfasst oder nicht, wird in der Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet. Einige Gerichte nehmen durchaus an, dass § 1 Abs. 4 PangV europarechtswidrig ist.

OLG Schleswig: § 1 Abs. 4 ist europarechtswidrig, aber dennoch anwendbar

Für Gerichte ist der Widerspruch zwischen geltendem deutschen Recht und Europarecht nicht immer einfach zu lösen. Der einfachste Weg ist der des KG Berlin, dass annimmt, dass eine fehlende Information zum Pfand nicht wettbewerbswidrig ist. Man kann jedoch als Gericht durchaus tiefer einsteigen:

Rein formell geht Europarecht vor. Dies bedeutet im Ergebnis jedoch, dass der Rechtsanwender sich auf die deutschen Normen nicht mehr verlassen kann.

Das OLG Schleswig (Urteil vom 30.07.2020 , Az.  6 U 49/19) wählt einen ungewöhnlichen Weg, um es Verkäufern zu ermöglichen, das Pfand weiterhin gesondert auszuweiten:

Zunächst stellt das OLG klar, dass § 1 Abs. 4 PangV nicht der Preisangabenrichtlinie entspricht:

„§ 1 Abs. 4 PAngV findet weder in der UGP-RL noch der PAng-RL eine Grundlage. Bis zum 12.06.2013 war dies unschädlich. Art. 3 Abs. 5 UGP-RL gestattete es den Mitgliedstaaten, für einen Zeitraum von sechs Jahren ab dem 12.06.2007 in dem durch diese Richtlinie angeglichenen Bereich nationale Vorschriften beizubehalten, die restriktiver oder strenger sind als die Richtlinie, zur Umsetzung von Richtlinien erlassen wurden und die Klauseln über eine Mindestangleichung enthalten. § 1 Abs. 4 PAngV gilt als strenger als Art. 3 Abs. 1 PAng-RL, wonach der Verkaufspreis als Endpreis angegeben werden muss. Bis zum Ablauf der Frist konnte § 1 Abs. 4 PAngV deshalb noch auf die Übergangsregelung in Art. 3 Abs. 5 UGP-RL gestützt werden. Nachdem diese Grundlage mit Fristablauf weggefallen ist, ist die Regelung zur Preisangabe in § 1 Abs. 4 PAngV ohne europarechtliche Grundlage. Sie verstößt damit gegen das insbesondere Art. 4 UGP-RL zu entnehmende Gebot der Vollharmonisierung in diesem Bereich.“

Preisangabenverordnung gilt trotzdem

Bbwohl § 1 Abs. 4 PangV der Richtlinie nicht entspricht, darf das Gebot der richtlinienkonformen Auslegung nicht zu einer Auslegung entgegen dem klaren Wortlaut von nationalen Gesetzen führen, so das OLG:

„Es wäre mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht zu vereinbaren, die Beklagte zu verurteilen, weil sie sich daran gehalten hat…

Eine solche Verurteilung wäre mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht zu vereinbaren. In einem Rechtsstaat muss der Einzelne im Voraus nachvollziehen können, ob sein Verhalten geduldet oder geahndet wird. Wer sich rechtstreu verhält, muss die Gewissheit haben, dafür nicht belangt zu werden. Eben dazu käme es aber, wenn die Beklagte wegen der § 1 Abs. 4 PAngV entsprechenden Preisauszeichnung verurteilt würde und sie überdies in allen künftigen Fällen vorschriftsmäßiger Preisauszeichnung einem Ordnungsmittelverfahren ausgesetzt wäre.“

Nach Ansicht des OLG Schleswig ist diese unbefriedigende Situation hinzunehmen, insbesondere, da es an einer europarechtskonforme nationalen Regelung zur Preisauszeichnung von Pfandwaren fehlt.

Da die Revision zugelassen wurde, wird sich der Bundesgerichtshof gegebenenfalls mit dem Fall befassten.

Durchaus Praxisrelevant

Die aktuelle Diskussion um die Darstellung des Pfandes ist für die Praxis im Internethandel durchaus relevant. An der Frage, ob das Pfand in den Endpreis mit einzurechnen ist oder nicht, hängt beispielsweise auch die Frage der korrekten Angabe eines Grundpreises. Zudem ist der gesonderte Ausweis des Pfandes bei Onlineangeboten technisch aufwendig. Auf Verkaufsplattformen wie eBay oder Amazon gibt es zudem Probleme, das Pfand auszuweisen.

Die Anbieter von pfandpflichtigen Produkten sollten daher im Auge behalten, wie der Bundesgerichtshof sich zu der Frage positionieren wird.

Wir werden Sie an dieser Stelle informieren.

Stand: 18.8.2020

Es beraten Sie: Rechtsanwalt Johannes Richard