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Alles wird gut? Bundesjustizministerium plant Gesetzentwurf gegen Internet-Massenabmahnungen

Wir hatten es bereits nicht mehr erwartet: Das Bundesjustizministerium (BMJ) ist endlich auf den Trichter gekommen, gesetzlich gegen Massenabmahnungen im Internet vorzugehen.

Laut. Mitteilung des Bundesjustizministeriums wird “demnächst” ein Gesetzentwurf vorgelegt, der den finanziellen Anreiz für solche Abmahnungen reduzieren soll. Der Gesetzentwurf soll vor allem kleinen Händlern und Existenzgründern helfen, die sich mit dem Internethandel eine Existenz aufbauen oder ein neues Geschäftsfeld erschließen wollen. Da über Suchmaschinen auch “geringste Wettbewerbsverstöße” im Internet relativ schnell aufgespürt werden können, wurden – so das BMJ – auch Bagatellverstöße in der Vergangenheit oft massenhaft abgemahnt.

In einem Bericht der Süddeutschen Zeitung ist hierbei die Rede von “kleineren Fehlern” in der Form, dass das Impressum nicht dem Telemediengesetz entspräche oder die Vorschriften zur Preisangabenverordnung nicht vollständig eingehalten würden. Im Bundesjustizministerium spräche man, so die SZ, von Wettbewerbsverstößen im Bagatellbereich.

Dies ist durchaus problematisch, da es – rechtlich gesehen – eigentlich insbesondere nach der letzten UWG-Reform quasi keine Bagatellen mehr gibt. Insbesondere der Verbraucherschutz wurde – zu Recht – in den Vordergrund gestellt, so dass Wettbewerbsverstöße, die zu Lasten eines Verbrauchers gehen, in der Regel auch wettbewerbswidrig sind.

Das Ministerium plant, dass Abmahnkosten niedriger werden sollen. “Gegenstands- und Streitwerte werden so angepasst, dass die Abmahnkosten nicht mehr aus dem Ruder laufen können.”

Wir sind gespannt, wie dies funktionieren soll. Zudem soll der sogenannte fliegende Gerichtsstand eingeschränkt werden. Fliegender Gerichtsstand bedeutet, dass bei Wettbewerbsverstößen im Internet sich der Abmahner aussuchen kann, wo er seine Ansprüche gerichtlich durchsetzt. Es liegt auf der Hand, dass oftmals Gerichte gewählt werden, bei denen sich der Anspruch sicher durchsetzen lässt und zudem der Streitwert dem abmahnenden Anwalt auch erhebliche Gebühreneinnamen eröffnet.

Bei rechtsmissbräuchlichen Abmahnungen soll der Abgemahnte einen eigenen Anspruch auf Kostenersatz erhalten.

Gesetzesinitiative kommt sehr spät

Ehrlicherweise wundern wir uns schon, dass das Bundesjustizministerium erst Ende 2011 auf die Idee kommt, gegen rechtsmissbräuchliche Vielfachabmahnungen auch gesetzlich vorzugehen. Mittlerweile – so unser Eindruck – ist die Zeit der echten Massenabmahnungen eigentlich so gut wie vorbei. Dies hängt u. a. damit zusammen, dass die Gerichte sehr viel eher als noch vor ein paar Jahren bereit sind, sich mit dem Argument des Rechtsmissbrauches auseinanderzusetzen.

Eine Sache darf im Übrigen nicht vergessen werden und wird hier ganz offensichtlich unter den Teppich gekehrt: Es war das Bundesjustizministerium selbst, das dafür Sorge getragen hat, dass es bis Mitte 2010 Vielfachabmahnungen gab. Hintergrund war, dass der Gesetzgeber eine Muster-Widerrufsbelehrung als Verordnung veröffentlicht hatte, bei deren unveränderter Verwendung dem Internethändler eine Abmahnung sicher war, da die Formulierungen in der damaligen Muster-Widerrufsbelehrung als wettbewerbswidrig galten. Der Gesetzgeber hat Jahre gebraucht, um dies zu ändern. Erst mit der Muster-Widerrufsbelehrung in Form eines Gesetzes seit dem 11.06.2010 ist an dieser Front Ruhe. Letztlich, auch dies sollte nicht aus den Augen verloren werden, hat der deutsche Gesetzgeber eine Vielzahl von Regelungen geschaffen, die zur Folge haben, dass ein abmahnsicherer Handel über das Internet so komplex geworden ist, dass dies ohne eine Beratung durch Spezialisten kaum noch möglich ist.

Es erscheint zudem bigott, wenn den Internethändlern durch die geplante Button-Lösung Gestaltungsvorschriften gemacht werden sollen, die in der Praxis kaum umsetzbar sind (nach dem jetzigen Stand des Gesetzentwurfes 11/2011) und auf der anderen Seite bestimmte Verstöße als Bagatelle dargestellt werden, gegen die dann nicht mehr wettbewerbsrechtlich vorgegangen werden soll.

Was sich hinter dieser Initiative genau verbirgt, wissen wir noch nicht, da der konkrete Gesetzentwurf noch nicht bekannt ist.

Vorgehen auch gegen Massenabmahnungen im Urheberrecht

Welche Folge gesetzgeberische Versuche haben, anwaltliche Kostenerstattung bei Abmahnungen einzuschränken, zeigte sich unter dem Strich durch die Einführung des § 97 a Urheberrechtsgesetz im September 2008: Bei einer urheberrechtlichen Abmahnung können in einem einfach gelagerten Fall mit einer unerheblichen Rechtsverletzung maximal 100,00 Euro Kostenerstattung gefordert werden. Das Gesetz ist jedoch so dilettantisch gestaltet worden, dass es im Hauptanwendungsbereich nicht greift: Bei Tauschbörsenabmahnungen werden auch weiterhin erhebliche Kosten geltend gemacht, da diese von § 97 a Urheberrechtsgesetz nicht umfasst sind.

Auch hier hat das Bundesjustizministerium Großes vor. In der Meldung des BMJ heißt es:

“Auch im Urheberrecht soll der Abmahnmissbrauch eingedämmt werden. Anwaltliche Geschäftsmodelle, die allein auf die massenhafte Abmahnung von Internetnutzern ausgerichtet sind, drängen den eigentlichen Abmahnzweck, nämlich berechtigte Interessen unbürokratisch außerhalb von Gerichtsverfahren einfordern zu können, immer weiter in den Hintergrund.”, so Sabine Leutheusser-Schnarrenberger.

Dem ist uneingeschränkt zuzustimmen, da es tatsächlich mittlerweile eine Abmahnindustrie gibt. Allein für das Jahr 2010 ist die Rede von 700.000 Abmahnungen, in denen oftmals pro Abmahnung erhebliche Abwaltskosten geltend gemacht werden. Uns kann keiner erzählen, dass diese Anwaltskosten, es handelt sich um einen Erstattungsanspruch der Kosten, die der Auftraggeber des Anwaltes eigentlich an den Anwalt zu zahlen hat, in diesen Fällen auch tatsächlich gezahlt werden.

Auch hier bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber eine praxisgerechte Lösung entwickelt.

Sobald uns über den konkreten Gesetzentwurf mehr bekannt ist, werden wir Sie an dieser Stelle darüber informieren.

Stand: 11/2011

Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Johannes Richard, Rostock 

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