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EUGH zu Widerrufsrecht bei Kundenspezifikation: Ausschluss des Widerrufsrechtes ist nicht davon abhängig, ob der Unternehmer die Ware bereits hergestellt hat

Nicht in allen Fällen hat der Verbraucher ein Widerrufsrecht. So ist das Widerrufsrecht bei Kundenspezifikationen ausgeschlossen.

In § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB heißt es insofern:

Das Widerrufsrecht besteht, soweit die Parteien nichts anderes vereinbart haben, nicht bei folgenden Verträgen:

1.   Verträge zur Lieferung von Waren, die nicht vorgefertigt sind und für deren Herstellung eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher maßgeblich ist oder die eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnitten sind..

Muss der Unternehmer bereits mit der Produktion begonnen haben?

Der Wortlaut der deutschen Regelung ist eigentlich eindeutig. Der europäische Gerichtshof (EuGH, Urteil vom 21.10.2020, Aktenzeichen C-529/19) hat sich diese Frage jedoch auf Vorlage des Amtsgerichtes Potsdam näher angesehen.

Ein Kunde hatte auf einer Messe bei einem Möbelhaus eine individuell anzufertigende Küche bestellt. Da es sich um ein Vertrag außerhalb von Geschäftsräumen handelte, hatte der Verbraucher in diesem Fall zunächst grundsätzlich ein Widerrufsrecht. Wenn es sich jedoch um eine Kundenspezifikation gemäß § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB handelt, besteht kein Widerrufsrecht.

Der Verbraucher hatte den Vertrag widerrufen. Das Möbelhaus hatte mit der Produktion noch nicht begonnen und klagte auf Schadenersatz. Viele der Teile der Küche hätten sich ohne Einbußen für den Unternehmer zurückbauen lassen. Nur ein paar Bestandteile der Küche wären nicht woanders wieder verwendbar gewesen.

Hintergrund der Anfrage des Amtsgerichtes Potsdam war Rechtsprechung, dass nach einer Entscheidung des OLG Stuttgart das Widerrufsrecht bei Kundenspezifikationen auch dann ausgeschlossen ist, wenn der Unternehmer mit der Produktion noch nicht begonnen hat. Es gäbe jedoch auch andere Ansichten in der juristischen Literatur

Ausschluss des Widerrufsrechtes ist nicht vom Beginn der Produktion abhängig

Der EuGH vertritt- zutreffend- die Ansicht, dass der Ausschluss des Widerrufsrechtes bei Kundenspezifikationen nicht von einem zukünftigen Ereignisses abhängt. Mit anderen Worten: Es ist egal, ob der Unternehmer nach dem Vertragsschluss schon mit der Produktion begonnen hat oder nicht. Entsprechendes ergibt sich weder aus der deutschen Regelung im BGB, noch aus der Richtlinie 2011/83.

Es würde zudem keine Rechtssicherheit erreichen, wenn der Ausschluss des Widerrufsrechtes davon abhängen würde, wie weit die Vertragserfüllung durch den Unternehmer fortgeschritten ist. Über diesen Fortschritt werde der Verbraucher üblicherweise nicht informiert und er habe auch keinen Einfluss darauf.

Wenn somit tatsächlich eine Kundenspezifikation vorliegt, liegt ein grundsätzlicher Ausschluss des Widerrufsrechtes vor, auf die Frage, ob die Produktion bereits begonnen wurde, kommt es nicht an.

Stand: 22.10.2020

Rechtsanwalt Johannes Richard