einstweilige-verfuegung-keine-abmahnung

Wenn der Gerichtsvollzieher überraschend klingelt: Einstweilige Verfügung auch ohne Abmahnung möglich, wenn diese nutzlos wäre

In einer Abmahnung wird der Abgemahnte aufgefordert, ein bestimmtes Verhalten zu unterlassen und eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Erfolgt die Abgabe einer Unterlassungserklärung nicht, können die Ansprüche gerichtlich durchgesetzt werden. Im Wettbewerbsrecht ist dies in der Regel ein sogenanntes einstweiliges Verfügungsverfahren. Dies ist ein gerichtliches Eilverfahren, in dem ohne Anhörung des Gegners ein Beschluss erlassen wird, in dem dem Abgemahnten unter Androhung eines Ordnungsgeldes untersagt wird, einen bestimmten Sachverhalt zu unterlassen.

Die Abmahnung dient – rechtsdogmatisch gesehen – zur Vermeidung eines gerichtlichen Verfahrens. In Einzelfällen ist eine vorherige Abmahnung nicht möglich. Diese Fälle gibt es bspw. im Markenrecht. Hier soll durch die zeitliche Verzögerung einer Abmahnung dem Abgemahnten keine Gelegenheit gegeben werden, bspw. markenrechtliche Probleme noch eben schnell beiseitezuschaffen oder abzuverkaufen. In anderen Rechtsbereichen, wie bspw. dem Wettbewerbsrecht, sind einstweilige Verfügungen ohne eine vorherige Abmahnung eher selten. Denkbar ist eine sogenannte Schubladenverfügung. Hier wird eine einstweilige Verfügung beantragt, ohne dass vorher abgemahnt wurde. In diesen Fällen trägt der Abmahner die Kosten des Verfahrens. Er hat jedoch den Vorteil, dass er diese einstweilige Verfügung schnell beantragen und auch zustellen kann, so dass der Abmahner schnell geschützt ist. Dies kann in einigen Fällen, wo Zeit eine wichtige Rolle spielt, durchaus sinnvoll sein.

Bis auf wenige Ausnahmefälle ist es so, dass für den Fall, dass vorher nicht abgemahnt wird, der Abmahner die Kosten des gerichtlichen Verfahrens einer einstweiligen Verfügung trägt, wenn er nicht vorher abgemahnt hat.

Antragsgegner im einstweiligen Verfügungsverfahren trägt die Kosten, wenn eine Abmahnung von vorherein nutzlos erscheint

Das OLG Frankfurt (OLG Frankfurt, Beschluss vom 10.07.2014, Az.: 6 W 51/14) hatte sich mit dem Fall zu befassen, dass ohne eine Abmahnung eine einstweilige Verfügung ergangen war. Der Abgemahnte hatte einen sogenannten Kostenwiderspruch eingelegt. Bei einem Kostenwiderspruch wird der Inhalt der einstweiligen Verfügung als endgültige Regelung anerkannt, gegen die Kostenentscheidung wird jedoch ein Rechtsmittel eingelegt.

Nach Ansicht des OLG Frankfurt ist eine Abmahnung ausnahmsweise entbehrlich, wenn sie von vornherein nutzlos erscheint.

Problem: Vorherige Aussagen und Äußerungen des Rechtsverletzers

In diesem Fall hatte der Geschäftsführer der Antragstellerin per Email bestimmte Äußerungen des Antragsgegners beanstandet. Das Schreiben selbst erfüllte nicht die Anforderungen an eine wirksame Abmahnung. Das Problem war jedoch die Reaktion des Antragsgegners. Dieser hatte geantwortet, dass “Abmahnungen uns in keinster Weise schrecken und uns niemals zu rechtfertigenden Zugeständnissen an die Wahrheit bewegen werden”. Des Weiteren teilte der Antragsgegner mit:

“Damit wäre wohl auch der Weg zu einer vernünftigen Verständigung verbaut, die ich gegen Ende meiner obigen E-Mail entgegenkommenderweise anklingen ließ. Sie wollen (juristischen) Krieg, also sollen sie ihn auch bekommen.”

Nach Ansicht des Gerichtes hatte der Antragsgegner in diesem Verfahren damit zum Ausdruck gebracht, dass er es auf eine gerichtliche Klärung ankommen lassen wollte. Es war nicht damit zu rechnen, dass eine förmliche Abmahnung Erfolg haben wird.

Praxistipp: Lieber schweigen

Selbst wenn  aufgrund bspw. eines Wettbewerbsverstoßes nicht beabsichtigt ist, eine Unterlassungserklärung abzugeben (es gibt Fälle, in denen es mehr als sinnvoll ist), sollte man mit entsprechenden Äußerungen vorsichtig sein. Dies gilt insbesondere dann, wenn ein Hinweis auf einen möglichen Rechtsverstoß erfolgt, der noch nicht als Abmahnung zu werten ist. Eine Abmahnung enthält immer eine Schilderung des beanstandeten Sachverhaltes, die Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungserklärung sowie die Androhung eines gerichtlichen Verfahrens für den Fall, dass keine Unterlassungserklärung abgegeben wird. Eine Abmahnung muss nicht zwangsläufig von einem Rechtsanwalt ausgesprochen werden.

Zum Teil wird beklagt, dass sofort abgemahnt und geklagt wird, anstatt unter “ordentlichen Kaufleuten” zunächst einen Hinweis zu geben, dass etwas nicht stimmt. Wer einen derartigen Hinweis erhält, sollte sich, auch wenn es sich dabei formell gesehen noch nicht um eine Abmahnung handelt, genau überlegen, wie er reagiert. Eine grundsätzliche und insbesondere auch schriftlich dokumentierte Ablehnung der Ansprüche ist problematisch, wie der Fall des OLG Frankfurt eindrucksvoll zeigt. Hier gilt somit das Gebot der Zurückhaltung. Es kann sinnvoll sein, auf derartige Anfragen gar nicht zu reagieren. Auf der anderen Seite kann ein entsprechender Hinweis auf einen Rechtsverstoß mit der Aufforderung, diesen abzustellen, natürlich auch ein kostenpflichtiges Abmahnverfahren vermeiden.

Dies ist immer eine Frage des Einzelfalls.

Was tun, wenn eine einstweilige Verfügung ohne vorherige Abmahnung zugestellt wurde?

Wie Sie reagieren können, wenn Sie einen gerichtlichen Beschluss erhalten, ohne vorher abgemahnt worden zu sein, haben wir in diesem Beitrag für Sie zusammengestellt:

Wir beraten Sie.

Stand: 25.08.2014

Ihre Ansprechpartner: Rechtsanwalt Johannes Richard und Rechtsanwalt Andreas Kempcke, Rostock

https://ssl-vg03.met.vgwort.de/na/ede39f283f5d40f297b7c0cd5d83edc4