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Behinderung und Abmahngefahr: Wenn die EAN bei Amazon nicht mehr zum Produkt passt

Jedem Produkt bei Amazon ist eine ASIN (Amazon Standard Identification Number) zugeordnet. Hierbei handelt es sich um eine zehnstellige alphanummerische Identifikationsnummer.

Eine ASIN ist in der Regel bei der Erstellung allgemein gesprochen einer GTIN (Global Trade Item Number) zugeordnet. Hierbei gibt es unterschiedliche GTINs, nämlich

ISBN bei Büchern
EAN (gerade in Deutschland bekannt)
UPC (in der Regel in den USA verwendet)
GTIN-14

Für Händler, die nicht gerade Bücher anbieten, ist die EAN die wichtigste Zuordnung. Amazon verlangt nach eigenen Angaben EAN-Codes, um die Qualität der Suchergebnisse und des Katalogs insgesamt zu verbessern.

Zuordnung eines Produktes zu einer ASIN erfolgt in erster Linie über die EAN.

Gerade Händler, die eine Vielzahl von Produkten anbieten, sind darauf angewiesen, dass die angebotenen Produkte der korrekten Artikelbeschreibung (ASIN) zugeordnet werden. Dies erfolgt in der Regel über die EAN bzw. UPC.

Hier ein Beispiel:

Ein Pelikan-Textmarker 490 hat die EAN 4012700940377:

Über diese EAN lässt sich einfach herausfinden, welche ASIN bzw. welche ASINs (zum Teil sind es mehrere) für ein Produkt bei Amazon hinterlegt sind. Nach unserem Eindruck handelt es sich in diesem Fall um eine Datenbankrecherche, d. h. es gibt keine Formel aus der sich aus einer EAN eine ASIN errechnen ließe. Vielmehr erfolgt ein Abgleich der EAN mit dem Amazon-Produktkatalog.

Um bei dem Beispiel des Textmarkers zu bleiben, zeigt ein Online-Tool für die EAN-ASIN-Konvertierung folgende Ergebnisse:

In diesem Fall gibt es somit sogar mehrere ASINs, die ein Händler, wenn er dieses Produkt verkaufen möchte, nutzen kann. Schaut man sich diese drei ASINs, die alle einer EAN, nämlich für einen Textmarker zugeordnet sind, genauer an, erkennt man Unterschiede:

Während zwei ASINs nur das Angebot eines Stiftes beinhalten, wird bei einer weiteren ASIN offensichtlich ein Fünfer-Pack Stifte angeboten.

Allein dieses Beispiel zeigt, dass ein Amazon-Anbieter sich nicht darauf verlassen kann, ob bei der Auswahl einer ASIN durch Zuordnung einer EAN auch tatsächlich die richtige Produktbeschreibung angezeigt wird.

Wem “gehört” die EAN?

Um bei dem Beispiel des Pelikan-Textmarkers zu bleiben:

Ein EAN-Nummernkreis ist einem bestimmten Unternehmen/Hersteller/Lieferanten/Händler zugeordnet. Dieser hat die Nutzungsrechte an diesem EAN-Nummernkreis – vereinfacht gesagt – erworben.

In Deutschland erfolgte der legale Verkauf von EAN-Nummernkreisen über die Firma GS1-Germany GmbH. Von einem Erwerb aus obskuren Quellen, wie bspw. aus eBay, raten wir ab.

GS1-Germany bietet mit dem Service GEPIR eine Suchfunktion an. Bei Eingabe einer EAN-Nummer wird das der EAN-Nummer zugeordnete Unternehmen angezeigt. Am Beispiel des Pelikan-Textmarker ist dies die Pelikan Vertriebsgesellschaft mbH & Co. KG. :

Vor diesem Hintergrund ist die Frage, wem eine EAN “gehört” durchaus relevant.

Aus unserer Beratungspraxis bekannt ist uns das Thema “Meine EAN” bei Amazon. Was Amazon-Händler damit in der Regel eigentlich meinen, ist nicht “Meine EAN”, sondern “Meine ASIN”.

Bisher gibt es zu dieser Thematik relativ wenig Rechtsprechung (die in diesem Beitrag gesprochenen Urteile sind schon ein paar Jahre alt). Insbesondere sind entsprechenden Klagen z. T- daran gescheitert, dass die EAN in der Artikelbeschreibung bei Amazon in den allermeisten Fällen gar nicht angezeigt wird.

Nach unserer Auffassung führt diese Form der Diskussion am Kern des eigentlichen Problems vorbei.

EAN und die abgeänderte ASIN

Amazon-Händler können sich leider häufig nicht darauf verlassen, dass einer ASIN, die einer EAN zugeordnet ist, auch tatsächlich etwas mit dem Produkt zu tun hat, das unter der entsprechenden ASIN (die mit der EAN verknüpft ist) bei Amazon dann auch tatsächlich angezeigt wird.

Um beim Beispiel des Textmarkers zu bleiben:

Bei einer Google-Suche nach “EAN 4012700940377” werden eine Vielzahl von Internetshops aufgeführt, die einen leuchtgelben Pelikan-Textmarker 490 anbieten. Die Artikeleschreibung entspricht somit der EAN des Produktes. Entweder der Hersteller, Amazon selbst oder ein Händler legt in der Regel bei Kenntnis einer EAN eines Produktes eine neue ASIN an. Soweit so gut.

Nun kommt dem Händler jedoch ein Problem in die Quere, das so gut wie jeder Amazon-Händler kennen wird:

Andere Händler mit ASIN-Schreibrechten (auch ASIN-Priorität genannt) haben die Möglichkeit, den Inhalt der Produktbeschreibung zu verändern. Eher selten sind nach unserem Eindruck Fälle, in denen ein Produkt komplett ausgetauscht wurde. Häufig ist jedoch so, dass gerade bei No-Name-Produkten oder Produkten, die im Rahmen des White-Labeling mit einer Eigenmarke versehen wurden, die ASIN quasi gekapert und auf die eigene Marke umgeschrieben wird. Um beim oben dargestellten Beispiel zu bleiben, würde aus dem Pelikan-Textmarker bspw. ein Staedtler-Textmarker werden.

In der Praxis gibt es zwei Konstellationen, die für den Händler zum Problem werden können:

Der Händler hat sich schon längere Zeit an eine ASIN angehangen mit Vertrauen darauf, dass die Artikelbeschreibung dem Produkt entspricht, dem die EAN zugeordnet wurde. Plötzlich und unerwartet wird jedoch eine Marke nachgetragen oder verändert oder in der “von”-Bezeichnung tragen sich plötzlich Amazon-Händler oder andere Markeninhaber ein.

Dadurch wird die ASIN, die in der Vergangenheit sowohl wettbewerbsrechtlich wie auch markenrechtlich für den Händler unproblematisch war, auf einmal zu einem rechtlichen Risiko. Sowohl wettbewerbs- wie auch markenrechtliche Verstöße können die Folge sein.

Ein anderes Szenario ist, dass die Zuordnung der EAN zur ASIN entweder von Anfang an nicht korrekt war oder bereits inhaltlich falsch abgeändert war, als der Händler sich entschied, eine bestimmte ASIN aufgrund einer Datenbankzuordnung zu der EAN zu verwenden. Uns sind jedenfalls Fälle bekannt, in denen der Händler aufgrund von Datenbankfehlern von einer falschen EAN ausgegangen ist.

Ein weiteres Praxisproblem kann im Übrigen sein, dass die Artikelbeschreibung bei Amazon zwar auf erstem Blick etwas mit dem Produkt zu tun hat, jedoch im Rahmen der Bezeichnung der Beschreibung oder der Typisierung Fehler enthält.

All diese Probleme führen dazu, dass ein Amazon-Händler eine quasi automatische Zuordnung seiner Produkte aufgrund der ihm vorliegenden EAN´s zu ASINs bei Amazon mit gutem Gewissen eigentlich nicht vornehmen kann. Vielmehr müsste er im Einzelfall prüfen, ob das Produkt mit einer bestimmten EAN auch tatsächlich zu der bei Amazon hinterlegten Artikelbeschreibung passt bzw. welche der ASINs ausgewählt wird, wenn es wie im oben genannten Beispiel gleich mehrere gibt.

Wenn der Händler für die Produktanlage eine eigene EAN verwandt hat

Da für die Neuanlage einer ASIN bei Amazon eine EAN zwingend notwendig ist und immer mehr Amazon-Händler dazu übergehen, Produkte mit einer Eigenmarke bei Amazon anzubieten, kann es zu einem weiteren Problem kommen:

Wenn ein anderer Amazon-Anbieter – aus welchen Gründen auch immer – die ASIN abgeändert hat und die Marke des ursprünglichen Amazon-Anbieters durch seine eigene Marke oder Beschreibung ersetzt hat, hat dies weitreichende Folgen:

Der Amazon-Händler, mit dessen EAN er sein eigenes Produkt bei Amazon angelegt hat, kann plötzlich seine eigene EAN bei Amazon nicht mehr nutzen! Diese entspricht nicht mehr dem ursprünglich eigentlich richtigen Produkt. Vor diesem Hintergrund bekommt die Aussage “Meine EAN bei Amazon” eine komplett neue Bedeutung.

Es fehlt Rechtsprechung

Das “Kapern” von bereits vorhandenen ASINs bei Amazon durch Ergänzung der eigenen Marke oder Veränderung der Artikelbeschreibung oder Bilder, hat in letzter Zeit nach unserem Eindruck erhebliche Ausmaße angenommen. Folge ist, dass es zum einen für Amazon-Händler immer schwieriger wird, sich an ASINs anzuhängen, die nicht eine erhebliche Abmahngefahr in sich bergen, weil diese durch die Ergänzung von Eigenmarken dritter Händler für diese quasi monopolisiert wurden. Des Weiteren steigt natürlich die Fehlerträchtigkeit, dass trotz Verwendung einer eigentlich korrekten EAN eine falsche Produktbeschreibung angezeigt wird.

Besonders gekniffen sind Händler, die eine ASIN unter Nutzung ihrer eigenen EAN selbst angelegt haben und plötzlich im weitesten Sinne “ihre” ASIN nicht mehr nutzen dürfen, weil ein Dritte diese bspw. durch Hinzufügung seiner Eigenmarke verändert und ergänzt hat.

Mit fairem Wettbewerb hat dies nicht viel zu tun. Auch Amazon wäre gut beraten, diesem Wildwuchs ein Ende zu bereiten.

Wir beraten Sie gern konkret.

Stand: 09/2017

Es beraten Sie: Rechtsanwalt Johannes Richard und Rechtsanwalt Andreas Kempcke 

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