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Endlich hat sich ein Gericht getraut: fehlende Datenschutzerklärung nach DSGVO sind nicht wettbewerbswidrig (LG Bochum)

Die Frage, ob Verstöße gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) wettbewerbswidrig sind, ist ungeklärt. Aktuell (Oktober 2018) gibt es zu dieser Thematik nur wenig Entscheidungen. Juristisch diskutiert wird, ob Art. 80 DSGVO eine abschließende Regelung enthält mit der Folge, dass eine fehlende oder fehlerhafte Datenschutzerklärung nach DSGVO nicht das Thema einer Abmahnung sein kann. Das Landgericht Würzburg hatte vor kurzem angenommen, dass DSGVO-Verstöße durchaus ein Wettbewerbsverstoß darstellen können.

Nun gibt es die erste gerichtliche Entscheidung, in der Unterlassungsansprüche wegen einer unvollständigen oder fehlenden Datenschutzerklärung, die den Vorgaben der DSGVO entsprechen sollte, abgelehnt wurde.

LG Bochum: Datenschutzgrundverordnung berechtigt nicht zur Abmahnung nach UWG

Das Landgericht Bochum (LG Bochum Urteil vom 07.08.2818 Az. I-12 O 85/18) hat in einem Urteil in eim einstweiligen Verfügungsverfahren wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche wegen einer offensichtlich fehlenden Datenschutzerklärung zurückgewiesen.

Beantragt worden war, es zu unterlassen entgegen Art. 13 der Datenschutzgrundverordnung betroffene Personen spätestens bei Datenerhebung nicht über Folgendes zu informieren:

  • Name und Kontaktadressen des Verantwortlichen sowie gegebenenfalls seines Vertreters;
  • ggf. die Kontaktdaten seines Datenschutzbeauftragten;
  • die Speicherdauer der personenbezogenen Daten, die der Antragsgegner bei betroffenen Personen erhebt oder, falls die nicht möglich ist, die Kriterien für die Festlegung dieser Dauer;
  • das Bestehen eines Berichtigungsrechts, eines Löschungsrechts, eines Rechts auf Einschränkung der Verarbeitung und eines Rechts auf Datenübertragbarkeit der betroffenen Personen;
  • das Bestehen eines Beschwerderechts bei der Datenschutzbehörde und
  • Informationen darüber, ob der Antragsgegner als Verantwortlicher automatisierte  Einzelentscheidungen anwendet oder Profiling anwendet und, falls dem so ist, Informationen über die involvierte Logik und die Tragweite sowie die angestrebten Auswirkungen dieser Verarbeitungsart für die Betroffene, …

Es ging ganz offensichtlich darum, dass auf einer Internetseite eine entsprechende Datenschutzerklärung mit den oben genannten Informationen fehlte

LG Bochum: Abschließende Regelung in der DSGVO – Abmahnung daher nicht möglich

Das LG Bochum begründet seine Ansicht wie folgt:

“Keinen Erfolg hatte der Antrag hingegen, soweit ein Verstoß gegen Artikel 13 der Datenschutzgrundverordnung geltend gemacht wird. Denn dem Verfügungskläger steht ein solcher nicht zu, weil die Datenschutzgrundverordnung in den Artikeln 77 bis 84 eine die Ansprüche von Mitbewerbern ausschließende, abschließende Regelung enthält. Die Kammer verkennt dabei nicht, dass diese Frage in der Literatur umstritten ist und die Meinungsbildung noch im Fluss ist. Die Kammer in ihrer derzeitigen Besetzung schließt sich der besonders von Köhler (ZD 2018, 337 sowie in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 36. Aufl. 2018, § 3 a Rn. 1.40 a und 1.74 b, im Ergebnis auch Barth WRP 2018, 790; anderer Ansicht Wolff, ZD 2018, 248) vertretenen Auffassung an. Dafür spricht insbesondere, dass die Datenschutzgrundverordnung eine detaillierte Regelung des anspruchsberechtigten Personenkreises enthält. Danach steht nicht jedem Verband ein Recht zur Wahrnehmung der Rechte einer betroffenen Person zu, sondern nur bestimmten Einrichtungen, Organisationen und Vereinigungen ohne Gewinnerzielungsabsicht unter weiteren Voraussetzungen. Hieraus ist zu schließen, dass der Unionsgesetzgeber eine Erstreckung auf Mitbewerber des Verletzers nicht zulassen wollte (Köhler, ZD 2018, 337, 338). Wegen der weiteren Einzelheiten der Argumentation kann auf die zitierten Literaturstellen Bezug genommen werden.”

Vereinfacht gesagt bedeutet dies Folgendes: Das LG Bochum vertritt die Ansicht, dass nicht abgemahnt werden kann, da die DSGVO in den Artikeln 77-84 eine abschließende Regelung enthält. Da die Abmahnbefugnis von Wettbewerbern dort nicht geregelt ist, dürfen diese auch nicht abmahnen.

Zur Rechtskraft der Entscheidung ist uns nichts bekannt.

Was bedeutet dieses Urteil in der Praxis?

Die Entscheidung des LG Bochum ist nach unserer Kenntnis die erste und bisher einzige, die mit einer guten Begründung eine Abmahnung wegen einer fehlenden Datenschutzerklärung nach DSGVO als unbegründet ansieht. Mit dieser Begründung wird sich somit jeder Abmahner zukünftig auseinandersetzen müssen, wenn er dies zum Thema einer Abmahnung macht. Obwohl es die befürchtete Abmahnwelle nach Inkrafttreten der DSGVO nach unserem Eindruck nicht gegeben hat, hat sich durch diese Entscheidung die Abmahngefahr aufgrund von DSGVO-Verstößen erheblich verringert.

Bald eine Abmahnung wegen DSGO mehr möglich? Der Gesetzgeber ist bereits aktiv

Ohnehin ist davon auszugehen, dass zu mindestens wegen fehlender oder falscher Datenschutzinformationen nach DSGVO zukünftig nicht mehr einfach abgemahnt werden kann. Es gibt neben einem Gesetzesantrag aus Bayern, durch den DSGVO-Abmahnungen gesetzlich ausgeschlossen werden sollen, nach unserer Kenntnis noch eine weitere Gesetzesinitiative, die Abmahnern wegen DSGVO-Verstößen das Wasser abgraben soll. Wahrscheinlich schon kurzfristig wird sich daher diese Frage eine gesetzliche Regelung erledigen.
Die aktuellen Gesetzesvorhaben führen im Übrigen für Abmahner zu einem erheblichen Risiko: Wenn im Laufe eines Verfahrens (beispielsweise in der Berufungsinstanz) sich die Gesetzeslage ändert und eine fehlende, fehlerhafte oder unvollständige Datenschutzerklärung plötzlich nicht mehr wettbewerbswidrig ist, müsste ein Gericht die Klage abweisen. Entschieden wird immer mit der Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung.

Stand: 18.10.2018

Es berät Sie: Rechtsanwalt Andreas Kempcke

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