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Lebensverachtend: Die Betonung des Datenschutzes in der Coronakrise

Eine Polemik

Datenschutz ist in unserer modernen Gesellschaft wichtig. Mit Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung im Mai 2018 wurde jedoch schnell offenbar, dass die Umsetzung und Einhaltung der DSGVO sich teilweise mit dem  üblichen sozialen Zusammenleben, so wie wir es kennen, nicht einfach vereinbaren lässt. Ich spreche an dieser Stelle nicht davon, das Unternehmen viel Text und Papier produzieren müssen, abgesehen von technischen Notwendigkeiten, um nicht in den Fokus der Datenschutzbeauftragten zukommen. Es sei vielmehr daran erinnert, dass Kitas und Schulen sich gezwungen sahen, Erinnerungsalben zu schwärzen. Auch Glückwünsche können zur datenschutzrechtlichen Falle werden. Die DSGVO führte auch zu der Diskussion, ob Klingelschilder mit Namen  überhaupt noch erlaubt sind (sind sie). Auch sonst trieb der Datenschutz teilweise sonderbare Blüten, geprägt von der Angst vor einem millionenschweren Bußgeld.

Die neuen mächtigen Herren waren und sind die Landesdatenschutzbeauftragten, die ihre Macht in süffisanten Pressemitteilungen manifestierten, in denen sie stolz darüber berichten, welches Bußgeld wieder einmal verhängt wurde.

 Datenschutz in der Coronakrise

Bei der Bewältigung der Coronakrise geht es nicht darum, zu verhindern, dass jemand das Virus bekommt. Es geht „nur“ darum, mit allen Mitteln den schnellen Anstieg der Infektionen zu verhindern, um das Gesundheitssystem nicht zu überlasten. Es geht es um Menschenleben. Es geht um möglichst wenig Tote.

Es geht auch darum, eine nicht darauf vorbereitete Wirtschaft am Leben zu erhalten. Neben Home-Office geht es um Videokonferenzen und andere Aspekte, miteinander in Kontakt zu bleiben.

Man könnte meinen, dass datenschutzrechtliche Bedenken in dieser Situation eigentlich zurücktreten müssten und dass sich bestimmte Institutionen auch einmal zurückhalten könnten.

Dem ist nicht so. Es wird auf datenschutzrechtliche Aspekte beharrt, als gäbe es keine Krise.

Es macht sicherlich Sinn, wenn der Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit Baden-Württemberg auf die datenschutzfreundlichen technischen Möglichkeiten einer Kommunikation hinweist. Hier datenschutzrechtliche Probleme in den Vordergrund zu stellen und die Frage in den Raum zu stellen, ob Videokonferenzen überhaupt immer das richtige Werkzeug sind, zeugt von einer gewissen Überheblichkeit.

Wenn die Landesdatenschützer beim Thema Corona einmal fünfe gerade sein lassen, haben Sie auch wiederum kein Maß: In Mecklenburg-Vorpommern hat der Landesdatenschutzbeauftragte Heinz Müller datenschutzrechtlich keine Probleme damit, dass die Namen aller Covid 19-Infizierten durch die Kommunalbehörden täglich an die Polizei zu melden sind. Diese Vorgabe ist derart illegal, dass einige Kommunen in MV sich schlichweg nicht daran halten.

Handydaten als Seuchenschutz – Datenschützer setzen sich durch

Aktuell in der Diskussion ist die Verfolgung von Infektionsfällen durch Auswertung der Handynutzung. Dies kann entweder durch die Auswertung der anonymisierten Verbindungsdaten durch den Netzbetreiber geschehen oder durch eine App. Inwieweit dies zur Eindämmung der Infektionen wirklich sinnvoll ist, kann ich nicht beurteilen. Aber auch hier können die Datenschützer nicht aus ihrer Haut. Der Datenschutzbeauftragte der Bundesregierung, Kelber, hat ganz genaue Vorstellungen, wie Einsatz einer derartigen App datenschutzrechtlich aussehen muss. Ohne Corona hätte er natürlich Recht. Die Erkenntnis, dass aktuell Leben vor Datenschutz geht, scheint sich bei den staatlichen Datenschutzbeauftragten noch nicht durchgesetzt zu haben. In der Politik sieht dies nicht anders aus. Die FAZ berichtet am 28.03.2020:

„Der Bundesgesundheitsminister wollte Mobilfunkanbieter dazu verpflichten, die Ortungsdaten für die Handys ihrer Kunden herauszugeben, damit die Behörden daraus die Kontaktpersonen von Infizierten ermitteln können. Auf den letzten Drücker gelang es seiner Kabinettskollegin, der Bundesjustizministerin, diesen Passus aus dem neuen Infektionsschutzgesetz herauszuhalten. Der Schutz der Daten ist ihr wichtiger.“

Aber: Wenn durch den Einsatz dieser technischen Mittel auch nur ein einziges Menschenleben gerettet werden kann, ist es dies nach meiner Auffassung wert. Datenschutz muss vor Menschenschutz zurücktreten.

Wenn die Infektionsrate nicht reduziert werden kann, drohen Tausende von Toten.

Wenn diese dann aufgrund der schieren Masse auf einem anonymen Gräberfeld verscharrt werden, ist der Datenschutz zum letzten Mal wieder einmal eingehalten worden.

31.03.2020

Rechtsanwalt Johannes Richard