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Zensur oder Jugendschutz? Bundesprüfstelle indiziert Blog über Magersucht

Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien ist vielen in erster Linie dadurch bekannt, dass gewaltverherrlichende Filme oder Videospiele indiziert werden.

Nunmehr hat die Bundesprüfstelle mit Entscheidung vom 04.12.2008 -nach unserer Kenntnis erstmalig- einen Internet-Blog indiziert.

Die minderjährige Bloggerin hatte in diesem Blog über Anorexie und Magersucht berichtet und zwar in Form von Gedichten, sogenannten “Glaubensbekenntnissen”, Handlungsanweisungen und “Motivationsverträgen”. Die Magersucht wurde dabei extrem positiv dargestellt und glorifiziert.

Es handelt sich hierbei um ein Teil der sogenannten “Pro-Ana” Bewegung. Durch diese verniedlichende, fast personifizierende Form, wird Magersucht verharmlost. Die Anhänger von Pro-Ana sind fast ausschließlich junge Frauen, die sich über spezielle Internetseiten austauschen. Dort wird Magersucht bildhaft als extremes Schönheitsideal dargestellt, dem sich die Betroffenen mit radikalen Maßnahmen nähen, um schließlich Zufriedenheit mit sich und ihrem Aussehen zu erreichen. (näheres bei Wikipedia)

Das Kennzeichen einer Magersucht (Anorexia nervosa) ist die selbst herbeigeführte Gewichtsabnahme, die in der Regel durch vermindertes Essen oder besondere Nahrungsmittel erreicht werden soll. Es handelt sich hier um weiter aus mehr, als den Schönheitswahn junger Mädchen – bis zu 15 % der Erkrankten sterben und zwar durch Komplikationen, wie den plötzlichen Herztod oder Infektionen oder aber auch durch Suizid. Überlebende Patienten leiden zum Teil zeitlebens an chronischen Krankheiten, wie Osteoporose oder Niereninsuffizienz.

Betroffen sind meist junge bzw. minderjährige Frauen. Nach Schätzung ca. 0,7 % der weiblichen Teenager.

Diese Informationen sind wichtig, um die Entscheidung der Bundesprüfstelle einordnen zu können:

Die Rechtslage

Anspruchsgrundlage für die Indizierung ist § 18 Abs. 1 Jugendschutzgesetz. Demzufolge sind Träger- und Telemedien, die geeignet sind, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu gefährden, von der Bundesprüfstelle in eine Liste jugendgefährdender Medien aufzunehmen. Dazu zählen vor allem unsittliche, verrohend wirkende, zu Gewalttätigkeit, Verbrechen oder Rassenhass anreizende Medien sowie besonders gewalttätige Darstellungen.

Das ungewöhnliche an der Entscheidung der Bundesprüfstelle ist, das Magersucht verherrlichende Internetseiten zunächst einmal weder unsittlich, verrohend noch gewalttätig oder verbrecherisch sind. § 18 Abs. 1 Jugendschutzgesetz enthält jedoch eine nicht abschließende Aufzählung (“dazu zählen vor allem…”), so dass auch bei anderen Themen sich der Anwendungsbereich des Jugendschutzgesetzes eröffnet. In erster Linie geht es um eine Auslegung des Begriffes der “Gefährdung”, wobei hierbei selbstverständlich auch Meinungs- und Pressefreiheit zu berücksichtigen ist.

Man kann vortrefflich darüber streiten, ob pornografische oder gewalttätige Filme oder Videospiele tatsächlich jugendgefährdend sind. Nach unserer Auffassung sieht dies bei “Pro-Ana-Blogs” jedoch durchaus anders aus: Eine Jugendgefährdung manifestiert sich hier, ähnlich wie bei dem Konsum von Drogen oder Alkohol in einer extremen Gesundheitsgefährdung, die bis zum Tod führen kann. Hierbei hat die Bundesprüfstelle insbesondere berücksichtigt, dass es in “Pro-Ana-Angeboten” immer wiederkehrende Bestandteile gibt, die eine jugendgefährdende Wirkung begründen können. Hierzu gehört insbesondere die Verharmlosung der Magersucht, Nachahmungsreize durch die Verbreitung von Fotos, die Frauen im Endstation der Magersucht zeigen sowie strikte Anweisungen, sogenannte “Gesetze” zum Ess- und Sozialverhalten, zur Geheimhaltung und zur regelmäßigen Gewichtskontrolle. Gebote und “Glaubensbekenntnisse” runden das Bild ab.

Zensur?

Wie sich aus entsprechenden Diskussionen im Internet ergibt, wird im Zusammenhang mit der Entscheidung der Bundesprüfstelle schnell von “Zensur” gesprochen. Dies ist schon inhaltlich nicht zutreffend. Indizierte Medien werden in eine Liste gemäß § 18 Abs. 2 Jugendschutzgesetz aufgenommen. Die Liste wird in vier unterschiedliche Teile aufgeteilt. Vorliegend wurde der Blog in den Teil C (nicht öffentliche Liste der Medien) aufgenommen. Folge ist, dass diese Inhalte ohne geeignete Jugendschutzmaßnahmen Minderjährigen nicht zugänglich gemacht werden dürfen. Es handelt sich somit nicht um eine generelle Zensur, sondern lediglich um einen klassischen Aspekt des Jugendschutzes, d. h. jugendschutzgefährdende Inhalte Kindern und Jugendlichen nicht zugänglich zu machen. Eine Indizierung ist somit keine Zensur. Vor dem Hintergrund der erheblichen Gesundheitsgefährdung von magersuchtverherrlichenden Blogs, handelt es sich nach unserer Auffassung um eine nur selten vorkommende klassische Form des Jugendschutzes im besten Sinne.

Man kann an dieser Stelle natürlich darüber diskutieren, dass die Indizierung eines einzelnen Blogs, im Rahmen eines weltumfassenden Internets mit der Möglichkeit, entsprechende Blogs und Seiten auch vom Ausland zu betreiben, ein eher sinnloser Akt ist. Es geht jedoch nach unserer Auffassung wohl eher darum, einmal ein Zeichen zu setzen und auf die Problematik der Magersuchtverherrlichung im Internet hinzuweisen.

Wer die inhaltliche Berechtigung der Indizierung bezweifelt, möge sich einmal die Entscheidung und Begründung der Bundesprüfstelle im Original durchlesen (veröffentlicht bei spreeblick.com).

Stand: 26.01.2009

Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Johannes Richard, Rostock

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