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BGH am 23.09.2003: Diensteanbieter haftet nur bei Kenntnis für fremde Inhalte.

1.

In einer wegweisenden Entscheidung hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 23.09.2003 (AZ: IV ZR 335/02) sich zur Frage der Haftung eines Diensteanbieters für fremde Inhalte geäußert. Hintergrund war ein Rechtsstreit zwischen einem Opfer von rassistisch-neonazistischen Beschimpfungen gegenüber einem Internetprovider. Unter dessen Internetdomains hatte der Provider Webspace zur Verfügung gestellt, in dem diese Äußerungen getätigt worden waren.

Alle 3 Instanzen haben dem Kläger einen Schmerzensgeldanspruch versagt.

Die Rechtsprechung des BGH bezieht sich hierbei auf die zum damaligen Zeitpunkt geltende Fassung von § 5 Teledienstegesetz. Die Haftung hat sich insofern durch eine Gesetzesänderung am 14.12.2001 geändert.

Zumindestens nach der alten Gesetzeslage war eine Kenntnis von illegalen Inhalten vorgesehen, um eine Haftung des Diensteanbieters herbeizuführen. Diese Kenntnis muss durch den Verletzten nachgewiesen werden. Für eine Information des Diensteanbieters reicht nach BGH der Nachweis aus, dass der Diensteanbieter auf die beanstandeten Inhalte und die betreffenden Internetseiten hingewiesen wird. Dabei muss die Internetseite allerdings so präzise bezeichnet werden, dass es dem Anbieter ohne unzumutbaren Aufwand möglich ist, den Inhalt aufzufinden. Da  der Kläger dies wohl offensichtlich nicht getan hatte, ist die Klage allein aus diesem Grund abgewiesen worden.

Wichtig ist jedoch auch eine weitere Feststellung des Bundesgerichtshofes das nämlich den Diensteanbieter angesichts der Vielzahl fremder Inhalte keine Kontrollpflicht trifft, da eine derartige Kontrolle unmöglich ist. Insofern dürfte sich bisherige Rechtsprechung zum alten TDG wie bspw. die des Landgerichtes Trier die eine Kontrollpflicht einmal in der Woche angenommen hat, überholt haben.

2.

Was ändert sich durch die aktuelle Gesetzeslage?

§ 5 II TDG a.F., der Grundlage der BGH-Entscheidung war hat folgenden Wortlaut:

Diensteanbieter sind für fremde Inhalte, die sie zur Nutzung bereit halten, nur dann verantwortlich, wenn sie von diesen Inhalten Kenntnis haben und es ihnen technisch möglich und zumutbar ist, deren Nutzung zu verhindern.

 

Nunmehr ist die Verantwortlichkeit in § 8 ff. TDG ausgestaltet. Es heisst dort:

§ 8 allgemeine Grundsätze

Absatz I

Diensteanbieter sind für eigene Informationen, die sie zur Nutzung bereit halten nach den allgemeinen Gesetzen verantwortlich.

 

Absatz II

Diensteanbieter im Sinne der §§ 9 – 11 sind nicht verpflichtet, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen. Verpflichtungen zur Entfernung oder Sperrung der Nutzung von Informationen nach den allgemeinen Gesetzen bleiben auch im Fall der Nichtverantwortlichkeit des Diensteanbieters nach den §§ 9 – 11 unberührt. Das Fernmeldegeheimnis des § 85 des Telekommunikationsgesetzes ist zu wahren.

 

Eine weitere Regelung für den vorliegenden Fall trifft § 11:

§ 11 Speicherung von Informationen

Diensteanbieter sind für fremde Informationen, die sie für einen Nutzer speichern nicht verantwortlich, sofern

 

1. sie keine Kenntnis von der rechtswidrigen Handlung oder der Information haben und     ihnen im Falle von Schadenersatzansprüchen auch keine Tatsachen oder Umstände        bekannt sind, aus denen die rechtswidrige Handlung oder Information offensichtlich      wird, oder

 

2. sie unverzüglich tätig geworden sind, um Informationen zu entfernen oder den               Zugang zu ihr zu sperren, sobald sie Kenntnis erlangt haben.

In der neuen Fassung des TDG ist die Überwachungspflicht noch weiter aufgeweicht worden. Solange somit keine Kenntnis des Diensteanbieters von illegalen Handlungen besteht, ist auch keine Haftung gegeben.

Dies kann zu dem widersprüchlichen Ergebnis führen, dass Diensteanbieter eine erhöhte Haftung haben, wenn sie bspw. Kontrollagane beschäftigt haben, die Fuhren oder ähnliches kontrollieren. Wenn eine tatsächliche Kontrolle und somit eine Kenntnis gegeben ist, sind die Haftungsvoraussetzungen wiederum einschlägig.

Spätestens wenn auf illegale oder rechtswidrige Inhalte hingewiesen wird, ist auch nach dem neuen TDG der Diensteanbieter verpflichtet, unverzüglich tätig zu werden. In diesem Fall entfällt eine Haftung gemäß 11 Satz 1 Nr. 2 TDG.

Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Johannes Richard, Rostock

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