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Wichtige Klärung vor dem EuGH: Haftet ein Verkäufer für die Werbeaussagen des Herstellers bei Kosmetik?
Kosmetik wie aber auch Nahrungsergänzungsmittel werden in der Werbung oder auf der Verpackung häufig mit unzulässigen Aussagen zur Wirkung versehen.
Bei einer Abmahnung wegen unzulässiger Werbeaussagen bei Nahrungsergänzungsmitteln gilt die HCVO. Nach aktueller Rechtsprechung haftet der Händler/Verkäufer für unzulässige Aussagen von Nahrungsergänzungsmitteln.
Wie sieht es aber bei unzulässigen Aussagen von Kosmetik aus?
Für Kosmetik gilt die Kosmetikverordnung (Verordnung (EG) Nr. 1223/2009).
Artikel 20 Abs. 1 der Kosmetikverordnung regelt:
Werbeaussagen
- Bei der Kennzeichnung, der Bereitstellung auf dem Markt und der Werbung für kosmetische Mittel dürfen keine Texte, Bezeichnungen, Warenzeichen, Abbildungen und andere bildhafte oder nicht bildhafte Zeichen verwendet werden, die Merkmale oder Funktionen vortäuschen, die die betreffenden Erzeugnisse nicht besitzen.
Haftet ein Verkäufer für die Werbeaussagen des Herstellers?
Der Bundesgerichtshof (Az. I ZR 78/24) verhandelt aktuell eine Klage des Abmahnvereins Verband sozialer Wettbewerb e.V. gegen einen Anbieter von Kosmetik. Das Reformhaus hatte in einem Werbeprospekt Kosmetik mit bestimmten Wirkungen des darin enthaltenen gegen Ginseng-Extrakts beworben. Die Aussagen stammten offensichtlich vom Hersteller.
Wichtig in diesem Zusammenhang ist auch, dass der Verkäufer nicht Hersteller des Kosmetikproduktes ist.
Der BGH hat Fragen an den europäischen Gerichtshof
Der BGH hat das Verfahren mit Beschluss vom 18.06.2025 ausgesetzt und verschiedene Fragen dem EuGH zur Klärung vorgelegt:
Es u.a. um die Frage, ob ein Verkäufer haftet, wenn er Werbeaussagen des Herstellers bei dem Angebot und der Bewerbung von Kosmetik verwendet. Dem BGH geht es um die Frage, ob der Verkäufer prüfen muss, ob die beworbenen Funktionen des kosmetischen Mittels hinreichend belegt sind.
Zudem, und dies ist in der Praxis wichtig, geht es dem BGH darum, unter welchen Voraussetzungen ein Verkäufer Grund zur Annahme haben muss, dass die von ihm verwendete Werbung des Herstellers nicht den Anforderungen von Artikel 20 Abs. 1 der Kosmetikverordnung genügt:
„Fraglich ist, ob die gegen Art. 20 Abs. 1 Kosmetik-VO verstoßende Werbung eine unzulässige geschäftliche Handlung der Beklagten begründet. Das hängt davon ab, ob die Beklagte in ihrer Funktion als Händlerin bei der Verwendung der von der Streithelferin zu 1 zur Verfügung gestellten Werbeaussage zu eigenen geschäftlichen Zwecken auf die Einhaltung von Art. 20 Abs. 1 Kosmetik-VO zu achten und deshalb zu prüfen hatte, ob die beworbene Wirkung der Förderung der Zellerneuerung durch hinreichende und überprüfbare Nachweise belegt ist….
Die Beklagte könnte in ihrer Funktion als Händlerin allerdings gemäß Art. 6 Abs. 1 und 3 Unterabs. 1 Kosmetik-VO für die von der Streithelferin zu 1 verfasste Werbeaussage einzustehen haben.“
Insbesondere möchte der BGH wissen, welche Prüfungsmaßstäbe an den Händler anzulegen sind:
„Die Prüfungspflichten der Händler werden nach dem Wortlaut von Art. 6 Abs. 1 Kosmetik-VO dadurch begrenzt, dass sie die geltenden Anforderungen nur mit der gebührenden Sorgfalt berücksichtigen müssen. Der Händler hat sich zwar zu vergewissern, dass der Hersteller, der ihm das Produkt zur Verfügung gestellt hat, die nach den anzuwendenden Unionsrechtsvorschriften erforderlichen Maßnahmen ergriffen. Dabei kann er sich aber grundsätzlich auf die Angaben des Herstellers verlassen, weil dieser am ehesten in der Lage ist, für ein gesetzeskonformes Vermarktungs-system zu sorgen, und deshalb regelmäßig als “verantwortliche Person” die pri-märe rechtliche Verantwortung trägt Der Händler hat allerdings Grund zu der Annahme, dass die Anforderungen der Kosmetik-Verordnung nicht eingehalten sind, wenn ihm konkrete Anhaltspunkte hierfür bekannt werden und er gleichwohl eine eigene Prüfung unterlässt“
Der BGH geht offensichtlich nicht von allzu strengen Prüfungsmaßstäben des Verkäufers aus:
„Nach diesen Grundsätzen erscheint zweifelhaft, ob der Händler stets überprüfen muss, ob die in einer Werbeaussage des Herstellers ausgelobten Funktionen eines kosmetischen Mittels hinreichend belegt sind, bevor er die Werbung für eigene geschäftliche Zwecke einsetzt.“
Auch im Weiteren argumentiert der BGH nach meinem Eindruck in dem Vorlagebeschluss eher gegen eine weitreichende Prüfungspflicht des Händlers.
Weitreichende Rechtsfolgen
Wann mit einer Entscheidung des EuGH zu rechnen ist, es aktuell nicht absehbar.
Die vom BGH an den EuGH vorgelegten Fragen sind jedoch sehr konkret und praxisnah, insbesondere da es darum geht, ob der Verkäufer von Kosmetik für Werbeaussagen des Herstellers haftet und in welchem Umfang er diese gegebenenfalls überprüfen muss.
Gegebenenfalls hat eine Entscheidung des EuGH auch ganz grundsätzliche Auswirkungen auf die Übernahme von Werbeaussagen in anderen Branchen.
Ich informiere an dieser Stelle über den weiteren Fortgang des Verfahrens.
Stand: 09.07.2025
Es berät Sie: Rechtsanwalt Johannes Richard