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Was halten Sie davon?  Amazon will hinsichtlich Verkaufsdaten von Sellern, der Buy-Box und dem Prime-Programm Verpflichtungserklärung gegenüber der EU-Kommission abgeben – eigene Stellungnahme gegenüber der Kommission möglich

Dass Amazon mutmaßlich die Daten der Verkäufe von Sellern auf der Plattform nutzt, um eigene Vorteile daraus zu ziehen, die Buy-Box zum Teil unfair einsetzt und es auch mit dem Prime-Programm (FBA) Probleme gibt, ist allgemein bekannt. Man denke nur an die Aufforderung von Amazon, Lieferantendaten offenzulegen, weil es sich bei den angebotenen Produkten angeblich um Fälschungen oder Gebrauchtware handelt.

Jedenfalls hat die Europäische Kommission im Juli 2019 ein förmliches Prüfverfahren gegen Amazon eingeleitet, um festzustellen, ob Amazon durch die Nutzung nicht öffentlicher Daten der Händler gegen EU-Wettbewerbsvorschriften verstößt.

Bereits im November 2020 kam die Kommission zu dem Ergebnis, dass Amazon sich nicht auf „Geschäftsdaten unabhängiger Verkäufer“ stützen solle. Dies würde zu einer Wettbewerbsverzerrung führen.
Die Karten sehen für Amazon in diesen Verfahren (tatsächlich sind es zwei) nicht besonders gut aus, da Amazon der Kommission angeboten hatte, verschiedene Verpflichtungen einzuhalten:

  • In Bezug auf die Daten von Marktplatzverkäufern verpflichtet sich Amazon, nichtöffentliche Daten, die sich auf die Tätigkeiten unabhängiger Verkäufer auf seinem Marktplatz beziehen oder dadurch generiert werden, nicht für das eigene Einzelhandelsgeschäft zu nutzen, das mit dem Geschäft dieser Verkäufer konkurriert. Diese Zusage soll sowohl für die automatisierten Tools von Amazon als auch für Mitarbeiter gelten, die die Daten aus dem Amazon-Marktplatz bei Einzelhandelsentscheidungen heranziehen könnten. Die relevanten Daten würden sowohl individuelle als auch aggregierte Daten umfassen, wie Verkaufsbedingungen, Einnahmen, Lieferungen, Lagerbestandsinformationen, Verbraucherbesuchsdaten oder die Verkäuferleistung auf der Plattform. Amazon verpflichtet sich, diese Daten nicht für den Verkauf von Markenartikeln und Produkten der Eigenmarke zu nutzen.
  • In Bezug auf das Einkaufswagen-Feld verpflichtet sich Amazon,bei der Erstellung der Rangfolge für das Angebot, das im Einkaufswagen-Feld platziert wird, alle Verkäufer gleich zu behandeln und außerdem neben dem Angebot im Einkaufswagen-Feld ein Konkurrenzangebot anzuzeigen, sofern ein solches existiert und sich vom Angebot im Einkaufswagen-Feld in Bezug auf Preis und/oder Lieferung hinreichend unterscheidet.  Beide Angebote sollen dieselben beschreibenden Informationen enthalten und dieselbe Einkaufserfahrung bieten. Auf diese Weise verbessern sich die Auswahlmöglichkeiten der Verbraucher.
  • Schließlich verpflichtet sich Amazon in Bezug auf das Prime-Programm,     nichtdiskriminierende Bedingungen und Kriterien für die Qualifizierung von Marktplatzverkäufern und Angeboten für das Prime-Programm festzulegen,
  • Prime-Verkäufern die Möglichkeit zu geben, für ihre Logistik- und Lieferdienste ein Unternehmen frei zu wählen und die Konditionen direkt mit dem gewählten Unternehmen auszuhandeln,
  •  keine über Prime erhaltenen Informationen über die Konditionen und die Leistung dritter Beförderungsunternehmen für die eigenen Logistikdienste zu nutzen.  So soll verhindert werden, dass Daten der Beförderungsunternehmen direkt an die konkurrierenden Logistikdienste von Amazon fließen.

Die angebotenen Verpflichtungen sollen für alle bestehenden und künftigen Marktplätze von Amazon im Europäischen Wirtschaftsraum gelten. Die Verpflichtungen zum Einkaufswagen-Feld und zum Prime-Programm beziehen sich jedoch nicht auf Italien, da die italienische Wettbewerbsbehörde bereits am 30. November 2021 eine Entscheidung erlassen hat, mit der Amazon für den italienischen Markt Abhilfemaßnahmen auferlegt wurden.

Die Verpflichtungen würden zehn Jahre lang in Kraft bleiben. Ihre Umsetzung würde von einem Überwachungstreuhänder überwacht, der der Kommission regelmäßig Bericht erstattet.

Welche Folge hat eine derartige Verpflichtungserklärung von Amazon?

Wenn in einem kartellrechtlichen Verfahren der Kommission Bedenken gegen die Tätigkeit eines Unternehmens bestehen, kann das betroffene Unternehmen ein Verpflichtungsangebot abgeben. Die Kommission kann dieses Verpflichtungsangebot für bindend erklären. Verstößt Amazon dann gegen die Verpflichtungen, kann die Kommission eine Geldbuße in Höhe von bis zu 10 % des weltweiten Jahresumsatzes verhängen, ohne dass ein Verstoß gegen EU-Kartellvorschriften nachgewiesen werden muss. Den Originalwortlaut der von Amazon angebotenen Verpflichtungen finden Sie hier.

Nutzen Sie Ihre Rechte – nehmen Sie Stellung

Die Europäische Kommission hat im Amtsblatt eine Mitteilung veröffentlicht, in dem das Verfahren und die Verpflichtungserklärung zusammengefasst wird.

„Interessierte Dritte werden ferner aufgefordert, eine nicht vertrauliche Fassung ihrer Stellungnahme vorzulegen, in der etwaige Geschäftsgeheimnisse und andere vertrauliche Informationen gestrichen und durch nicht vertrauliche Zusammenfassung bzw. dem Hinweis „Geschäftsgeheimnis oder vertraulich“ ersetzt sind. Die Antworten und Anmerkungen sollen nach Möglichkeit begründet werden und relevante Fakten enthalten. Wenn Sie Bedenken hinsichtlich der angebotenen Verpflichtung haben, schlagen Sie bitte eine mögliche Lösung vor.”

Diese Stellungnahme kann per E-Mail oder per Post übermittelt werden bis zum 9. September 2022 und zwar ganz konkret zu folgenden Kontaktdaten:

Die Stellungnahmen können der Kommission unter Angabe des Aktenzeichens AT.40703 – Amazon – Buy Box und AT.40462 – Amazon Marketplace per E-Mail (COMP-GREFFE-ANTITRUST@ec.europa.eu und comp-c6-mail@ec.europa.eu) oder per Post an folgende Anschrift übermittelt werden:

Europäische Kommission

Generaldirektion Wettbewerb

Registratur Antitrust

1049 Bruxelles/Brussel

BELGIQUE/BELGIË

Es gibt hierbei zwei unterschiedliche Verfahren, nämlich zum einen das Verfahren betreffend die Buy-Box (Az. AT.40703) und grundsätzliche Aspekte von Amazon-Marketplace (Az. AT.40462). In den Links zu den Verfahren finden Sie weitere Informationen.

Betroffene Amazon-Händler sollten diese Frist nicht verstreichen lassen. Wenn Sie begründete Einwendungen oder Hinweise an die Kommission zu der Verpflichtungserklärung von Amazon haben, empfiehlt es sich, diese der Kommission mitzuteilen.

Zur Vertraulichkeit der Stellungnahme gibt die Kommission an:

„Interessierte Dritte werden ferner aufgefordert, eine nichtvertrauliche Fassung ihrer Stellungnahme vorzulegen, in der etwaige Geschäftsgeheimnisse und andere vertrauliche Informationen gestrichen und durch eine nichtvertrauliche Zusammenfassung bzw. den Hinweis „Geschäftsgeheimnis“ oder „vertraulich“ ersetzt sind.“

Wenn Sie nicht selbst eine Stellungnahme abgeben möchten, bieten wir Ihnen an, für sie eine Stellungnahme gegenüber der Kommission abzuklären. Insbesondere können dabei Vertraulichkeitsaspekte berücksichtigt werden.

Fazit

Sollte es tatsächlich zu einer Vereinbarung zwischen der Kommission und Amazon kommen, wird man sich sehr genau anschauen müssen, ob Amazon die Vorgaben auch tatsächlich einhält. Die Sanktionen sind, wie oben dargestellt, erheblich. Auf der anderen Seite haben wir den Eindruck, dass Amazon in der Vergangenheit sowohl gegenüber dem Bundeskartellamt wie aber auch gegenüber der Europäischen Kommission entsprechende Zusicherungen nicht unbedingt buchstabengetrau eingehalten.

Stand: 22.07.2022

Es berät Sie: Rechtsanwalt Johannes Richard