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EuGH entscheidet: Amazon haftet nicht für die Lagerung markenrechtsverletzender Ware

  • Aktuell: EuGH entscheidet: Amazon haftet nicht für die Lagerung markenrechtsverletzender Ware
  • Anders, als vom Generalanwalt beantragt, hat der europäische Gerichtshof mit Urteil vom 2.4.2020, Az.C-567/18 eine Haftung von Amazon für die bloße Lagerung markenrechtsverletzender Ware abgelehnt.
    Ein Unternehmen, das die Waren für einen Drittanbieter im Rahmen von FBA ohne Kenntnis von der Markenrechtsverletzung lagert, benutzt eine Marke nicht, so der EuGH. Dies gilt selbst dann, wenn Amazon das Ziel verfolgt, die Waren zum Verkauf anzubieten oder in den Verkehr zu bringen. Eine Haftung von markenrechtsverletzenden Waren besteht jedenfalls so lange für Amazon nicht, solange keine Kenntnis davon besteht, dass markenrechtsverletzende Ware eingelagert worden ist.

    Im Ergebnis dürfte dies zur Folge haben, dass Amazon auch keine Prüfungspflicht trifft.

    Der offizielle Entscheidungssatz des EuGH lautet:

    Art. 9 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die [Unionsmarke] und Art. 9 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke sind dahin auszulegen, dass eine Person, die für einen Dritten markenrechtsverletzende Waren lagert, ohne Kenntnis von der Markenrechtsverletzung zu haben, so anzusehen ist, dass sie diese Waren nicht zum Zweck des Anbietens oder Inverkehrbringens im Sinne dieser Bestimmungen besitzt, wenn sie selbst nicht diese Zwecke verfolgt.

Viele Waren werden von Amazon für den Verkäufer versendet (FBA Fullfilment bei Amazon). Unter den versendeten Waren sind natürlicherweise häufig markenrechtlich problematische Produkte. Bisher galt, dass Amazon erst dann markenrechtlich haftet, wenn Amazon Kenntnis hat und dennoch nicht reagiert. Dies könnte sich nunmehr ändern:

Am 28.11.2019 wurde der Schlussantrag des Generalanwaltes beim EuGH in der Vorab-Entscheidungssache des EuGH Az.: C-567/18 veröffentlicht. Geklagt hatte Coty Germany, die Kosmetikprodukte in Deutschland verkaufen. Im Jahr 2014 hatte Coty Germany nach einem Testkauf einer Verkäuferin wegen eines sogenannten Parallelimports eines Parfums abgemahnt. Beim Parallelimport handelt es sich um ein echtes Markenprodukt, dass jedoch ohne Zustimmung des Markeninhabers in die Europäische Union eingeführt wurde. Parellelimporte sind Markenrechtsverletzungen. Die abgemahnte Verkäuferin hatte die Produkte über FBA vertrieben. Nachdem diese eine Unterlassungserklärung abgegeben hatte, forderte Coty Germany Amazon auf, alle im FBA-Lager für die Verkäuferin gelagerten Parfums herauszugeben. Diese Sendung enthielt neben dem Parfum der Verkäuferin auch andere aus einem anderen Lagerbestand eines anderen Verkäufers. Diese waren ebenfalls markenrechtsverletzend, da es sich um Parallelimporte handelt. Amazon erklärte darauf hin, dass der Verkäufer, von dem die weiteren markenrechtsverletzenden Produkte stammten, nicht mehr angegeben werden können.

Problem vermischter Lagerbestand

Es ist häufig nicht nur ein Verkäufer, der ein bestimmtes Produkt über Amazon-FBA verkauft. Amazon hat daher das „Programm für vermischten Lagerbestand“. Hierbei werden die Produkte durch den Verkäufer ohne Etikett an das Logistikzentrum von Amazon gesendet. Amazon teilt hierzu mit:

„Aus diesem Grund können Artikel in Ihrem Lagerbestand durch identische Produkte ausgetauscht werden, die von Amazon oder von anderen Verkäufern mit Versand durch Amazon angeboten werden, die ebenfalls am Programm teilnehmen. Das Programm für vermischten Lagerbestand trägt dazu bei, zusätzliche Etikettierungspflichten zu reduzieren und eine schnellere Lieferung an den Kunden zu ermöglichen.“

Der gemischte Lagerbestand ist für Verkäufer grundsätzlich problematisch: Der Verkäufer kann sich nicht sicher sein, dass wirklich auch „sein“ Produkt ausgeliefert wird. So ist es durchaus denkbar und uns aus unserer Beratungspraxis bekannt, dass ein Verkäufer echte Markenprodukte in den gemischten Lagerbestand bei Amazon eingeliefert hat, markenrechtsverletzende Produkte von anderen Verkäufern im Falle der Bestellung ausgeliefert wurden. Verkäufer gehen daher auch bei etwas höheren Kosten rechtlich auf Nummer sicher, wenn ein getrennter Lagerbestand ausgewählt wird. Bei einem getrennten Lagerbestand werden die Produkte jedes Amazon-Händlers getrennt aufbewahrt und versandt. Somit kann verhindert werden, dass Markenfälschungen oder markenrechtlich problematische Produkte anderer Verkäufer im Falle der Bestellung in eigenem Namen versandt werden.

Klage auf Unterlassung des Besitzes und des Versands von markenrechtsverletzenden Parfums gegen Amazon -eventuell durch Dritte-

Coty Germany hatte jedenfalls auf Unterlassung geklagt zwar bezogen auf den Besitz bzw. den Versand des Parfums zum Zweck des Inverkehrbringens in Deutschland. Von dem Unterlassungsantrag umfasst war auch der Versand durch Dritte.

Landgericht und OLG hatten die Klagen zurückgewiesen, da Amazon die Waren der Verkäuferin weder besessen noch an den Verkäufer versandt hätte. Amazon sei daher rechtlich nicht verantwortlich. Im Revisionsverfahren hatte dann der Bundesgerichtshof die Angelegenheit dem Europäischen Gerichtshof zur Klärung vorgelegt.

Die zu klärende Frage lautet konkret wie folgt:

Besitzt eine Person, die für einen Dritten markenrechtsverletzende Waren lagert, ohne vom Rechtsverstoß Kenntnis zu haben, diese Ware zum Zweck des Anbietens oder Inverkehrbringens, wenn nicht Sie selbst, sondern allein der Dritte beabsichtigt, die Ware anzubieten oder in den Verkehr zu bringen?

Die Fragestellung trifft daher ganz speziell und nach unserem Eindruck ausschließlich die Problematik des FBA-Versandes durch Amazon.

Die bisherige Rechtslage

Die bisherige Rechtslage sieht vor, dass eine Plattform wie Amazon oder eBay nur dann haftet, wenn sie Kenntnis von einer Markenrechtsverletzung hat (BGH Internet-Versteigerung III). Aus diesem Grund bieten sowohl eBay wie auch Amazon Möglichkeiten an, dass Markeninhaber oder -berechtigte Markenrechtsverletzungen in Plattformen melden können, bei Amazon beispielsweise durch ein Infringement-Formular.

Generalanwalt: Amazon soll für Markenrechtsverletzung bei FBA-Versand haften

In dem Schlussplädoyer des Generalanwaltes wird deutlich, dass sich dieser mit den tatsächlichen Abläufen und wirtschaftlichen Hintergründen bei Amazon sehr intensiv befasst hat:

„Die wesentliche Rolle des Amazon-Unternehmen beim Inverkehrbringen kann nicht dadurch herabgespielt werden, dass die einzelnen Tätigkeiten der jeweiligen Unternehmen separat betrachtet werden. Es widerspreche der wirtschaftlichen Realität und dem Grundsatz der Gleichbehandlung, wenn die Lagerhaltung, die Verwaltung der Bestellung und die sonstigen von Ihnen erbrachten Dienstleistungen auf die selbe Art und Weise behandelt würden, wie wenn die Dienstleistungen, die eigenständig reine Transportunternehmen oder Lagerhalter im Rahmen eines von jeder anderen Tätigkeit der Vertriebskette losgelösten Geschäftsmodells erbringen.“

Amazon ist jedenfalls seiner Ansicht kein reiner Lagerhalter. Unwissenheit über möglicherweise markenrechtsverletzende Produkte im FBA-Lager befreit Amazon nicht von der Verantwortung. Speziell für das Programm „Versand durch Amazon“ nimmt der Generalanwalt somit eine verschuldensunabhängige Haftung an.

Wie wird der EuGH entscheiden?

Wie der Europäische Gerichtshof in der Sache C-567/18 entscheiden wird ist aktuell noch nicht bekannt. Fakt ist jedenfalls, dass der EuGH in den allermeisten Fällen dem Plädoyer des Generalanwaltes folgt.

Die Folgen wären weitreichend: Amazon müsste sich überlegen, ob es sich von dem gemischten Lagerbestand aus Haftungsgründen ganz verabschiedet. Eine andere Alternative wäre eine genauere Kontrolle der eingelieferten Produkte auf markenrechtliche Zulässigkeit des Vertriebs. Letzteres stellen wir uns jedoch schwierig vor.

Wir werden über die Entscheidung des EuGH berichten und diese analysieren.

Stand: 03.12.2019

Es beraten Sie: Rechtsanwalt Johannes Richard und Rechtsanwalt Andreas Kempcke