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Gesperrte ASIN aufgrund Schutzrechtsverletzungsmeldung/Infringement bei Amazon: Wie berechnet sich der Schadenersatz?
Amazon hält die Möglichkeit vor, eine Rechtsverletzung bei einer ASIN zu melden (Infringement). Die entsprechende Meldung kann aufgrund der Verletzung einer Marke, eines Designs oder eines Patents erfolgen. Die Meldung kann relativ einfach bei Amazon über das Formular „Rechtsverletzung melden“ erfolgen.
Aufgrund einer Schutzrechtsverletzungsmeldung sperrt Amazon in der Regel die ASIN unverzüglich. Die Verpflichtung, entsprechende Angebote des Plattformbetreibers unverzüglich zu sperren ergibt sich aus dem Gesetz über digitale Dienste (Digital Services Act (DSA)). Insbesondere ergibt sich aus Artikel 6 Abs. 1 (B) DSA, dass ein Plattformbetreiber zügig tätig werden muss, wenn er Kenntnis über einen rechtswidrigen Inhalt erlangt hat.
Die Möglichkeit von Rechteinhabern, Schutzrechtsverletzungsmeldungen einfach gegenüber Amazon abzusetzen ergibt sich aus den Vorschriften zum Melde- und Abhilfeverfahren, gemäß Art. 16 DSA.
Unberechtigte Infringement-Meldung: Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche
Eine Schutzrechtsverletzungsmeldung gegenüber Amazon ist nach meinem Eindruck aus meiner Beratungspraxis schnell abgesetzt. Der Amazon-Seller erhält dann eine E-Mail mit dem Betreff
„Notice“: Policy Warning
In der Mail heißt es dann unter anderem:
„Guten Tag! Wir haben einige Ihrer Angebote entfernt, weil wir eine Meldung von einem Rechteinhaber erhalten haben, dass diese möglicherweise seine Rechte an geistigem Eigentum verletzen. Die Mitteilung des Rechteinhabers über die mutmaßliche Rechtsverletzung und die von uns entfernten Angebote sind am Ende dieser Nachricht aufgeführt. Für die Bearbeitung dieser Meldung und die Entscheidungsfindung wurde eine Kombination verschiedener automatisierter Verfahren mit einer Prüfung durch einen Experten eingesetzt.
Warum ist das passiert?…”
Jedenfalls werden die Angebote durch Amazon unverzüglich gesperrt, in der E-Mail gibt es dann eine nicht immer vollständige Auflistung der gesperrten ASINS sowie Informationen zum Rechteinhaber, der die Sperrung vorgenommen hat, schlimmstenfalls gibt es keine konkreten Kontaktinformationen, sondern nur eine E-Mail Adresse. Teilweise ergibt sich schon aus dem Text, den der Rechteinhaber im Rahmen der Meldung gegenüber Amazon angegeben hat, worum es eigentlich geht.
Abmahnung und einstweilige Verfügung sind möglich
Wenn eine Schutzrechtsverletzungsmeldung mit der Folge der Sperrung einer ASIN unberechtigt ist, kann der betroffene Händler rechtlich dagegen vorgehen. Eine unberechtigte Infringement-Meldung gegenüber Amazon, ist sowohl Behinderungswettbewerb nach UWG wie aber auch ein Eingriff in den ausgeübten Gewerbebetrieb.
Im Rahmen einer Abmahnung können Unterlassungsansprüche geltend gemacht werden, wie aber auch Beseitigungsansprüche. Gerade die Beseitigungsansprüche sind in diesem Zusammenhang wichtig: Amazon gibt eine gesperrte ASIN nur dann frei, wenn der Rechteinhaber die Meldung gegenüber Amazon widerruft.
Unberechtigte Schutzrechtsverletzungsmeldung gegenüber Amazon führt zu einem Schadenersatzanspruch
Wenn durch einen Rechteinhaber eine Infringement-Meldung gegenüber Amazon erfolgt, sperrt Amazon die ASIN unverzüglich und gibt sie erst nach einem Widerruf durch den Rechteinhaber oder nach Vorlage eines gerichtlichen Titels wieder frei.
In dieser Zeit kann das Produkt nicht verkauft werden, der Händler erleidet erhebliche Umsatz- und Gewinneinbußen. Zum Problem kann es auch werden, wenn die Infringement-Meldung sich auf saisonale Produkte bezieht, bei denen das Zeitfenster eines Verkaufes sich kurzfristig quasi endgültig schließt, zu denken ist z. B. an Adventskalender.
Der tatsächliche Schaden besteht aus dem entgangenen Gewinn.
LG Düsseldorf zur konkreten Schadenberechnung
In der Praxis besteht immer wieder das Problem, den Schaden in den Fällen konkret zu berechnen. Wie teuer eine unberechtigte Infringement-Meldung werden kann, zeigt ein Urteil des Landgerichts Düsseldorf (LG Düsseldorf, Urteil vom 15.10.2024, Az. 4B O 19/23).
Ein Patentinhaber hatte 2 Entsafter bei Amazon aufgrund einer behaupteten Patentverletzung sperren lassen. Der Sperrungszeitraum betrug 14 Tage, der betroffene Verkäufer hatte schnell eine einstweilige Verfügung auf Freigabe der ASINs erwirkt. Es ging um 2 ASINs. Allein für eins der gesperrten Produkte kam das Landgericht auf einen entgangenen Gewinn und damit zu ersetzenden Schaden von über 16.000,00 €.
Beweiserleichterungen bei der Gewinnberechnung
In der Praxis ist es häufig nicht einfach, einen entgangenen Gewinn bei derartigen Verfahren konkret zu berechnen. Letztlich geht es darum, eine Hochrechnung für den Zeitraum vorzunehmen, in dem das Produkt nicht verkauft werden konnte.
Es gibt jedoch die Möglichkeit einer sogenannten Beweiserleichterung gemäß §§ 252, 287 ZPO. Es reicht aus, wenn nach den gewöhnlichen Umständen des Falls es wahrscheinlicher ist, dass der Gewinn ohne die Sperrung erzielt worden wäre, als dass er ausgeblieben wäre.
Der geschädigte Händler muss jedoch sogenannte „Anknüpfungstatsachen“ hinreichend darlegen und ggf. beweisen. Für die Darlegung dieser Anknüpfungstatsachen darf jedoch keine zu hohe Anforderung gestellt werden, so der BGH.
Hierbei muss der Geschädigte (der Händler, dessen ASIN gesperrt wurde) dem Gericht eine tatsächliche Grundlage darlegen, damit das Gericht wenigstens im Groben eine zutreffende Schätzung vornehmen kann.
Es ist in diesem Zusammenhang nicht zu beanstanden, wenn der Geschädigte bei der Berechnung des Schadens den Gewinn zugrunde legt, den er üblicherweise bei der Veräußerung seiner Produkte erzielt.
Die einzelnen Faktoren
Im streitgegenständlichen Fall ging es um Entsafter, die im September 2022 gesperrt wurden. Die Sperrung hätte in der sogenannten „Beerenzeit“, also in den Monaten Juli bis September zu einem besonders hohen Umsatzausfall geführt, da in diesem Zeitraum eine hohe Anzahl an Entsaftern verkauft worden sei. Dies ergäbe sich aus einer Übersicht von Google-Trends, bei dem Daten zur Anzahl eingegebener Suchbegriffe abgefragt werden können.
Die Klägerin hatte die taggenauen Erlöse für die beiden Vorjahre vorgelegt und diese den produktbezogenen Kosten gegenübergestellt.
Daraus ergab sich für das Gericht, um welche Anzahl von Produkten es eigentlich ging, die während des Sperrungszeitraums nicht verkauft wurden.
Nicht notwendig, so zumindest das LG Düsseldorf, ist in diesem Zusammenhang das Offenlegen der gesamten Gewinnkalkulation.
Kann ein Käufer auf andere Kanäle ausweichen?
Das Gericht hat ferner einen Abschlag vorgenommen, da es nach Ansicht der Kammer überwiegend wahrscheinlich ist, dass im Zeitraum der Sperrung Kunden, die genau dieses Produkt kaufen wollten, auf andere Internetshops ausgewichen sind, die von Distributern genau mit diesem Produkt beliefert wurden. Das Gericht sieht in diesem Zusammenhang durchaus, dass eine Bestellung in einem Online-Shop gegenüber Amazon gewisse Hürden darstellt, wie z.B. eine Registrierung im Shop. Jedenfalls wollte das Gericht nicht ausschließen, dass eine bestimmte Kundenzahl auch dann in Shops kauft.
Die unterschiedlichen Verkaufszahlen der beiden Vorjahre erklärt das Gericht damit, dass sich die sogenannte „Beerenzeit“ wegen spätsommerlicher Temperaturn verlängert hat, daher auch noch der Oktober in die Beerensaison fiel. Auch der Werbeaufwand kann eine Rolle spielen.
Des Weiteren hat das Gericht die Zahlen aus dem Seller-Board bei Amazon zugrunde gelegt, da dort Verkaufspreise unter Berücksichtigung der tatsächlich gewährten Rabatte zugrunde gelegt werden und auch Werbeposten, Amazongebühren und Versandkosten berücksichtigt werden. Letztlich geht das Gericht bei einem Entsafter von einem Erlös von über 12,00 € pro Stück aus, sodass sich aus dem hinsichtlich dieses Produktes vom Gericht zugrunde gelegten Schadenersatz von über 16.000,00 € ergibt, wie viele Verkäufe der Klägerin entgangen sind.
Fazit
Gerade bei einem Produkt, das sehr viel verkauft wird, kann eine – unberechtigte – Sperrung aufgrund einer Schutzrechtsverwarnung zu erheblichen Schäden führen.
Die Entscheidung des Landgerichtes Düsseldorf zeigt eine Berechnungsmethode, die zur Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen zugrunde gelegt werden kann.
Ich berate oder vertrete Sie, wenn Ihre ASIN bei Amazon zu Unrecht wegen einer Schutzrechtsverletzungsmeldung gesperrt wurde.
Stand:25.04.2025
Es berät Sie: Rechtsanwalt Johannes Richard