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Problematisch: Wenn Amazon versucht, mit der Behauptung von Kundenbeschwerden an Informationen über den Lieferanten zu kommen

Schon seit langem ist unsere These, dass Amazon nur deshalb den Verkauf durch Dritte (Amazon Seller) zulässt, um genau auszuwerten, welche Produkte erfolgreich sind. Am liebsten verkauft Amazon nach unserem Eindruck immer noch selbst, was soweit gehen kann, dass Amazon FBA-Bestände eines Händlers auf kauft, um diese dann selber zu verkaufen.

Regelmäßig erhalten wir Berichte, dass Amazon mit allen möglichen Mitteln versucht, an die Daten des Lieferanten bzw. Herstellers eines Produktes zu kommen. Eine derartige Information würde es Amazon ermöglichen, die Produkte dort selbst einzukaufen, mit der Folge, dass der Händler, der das Produkt ursprünglich verkauft hat, von der Plattform verdrängt wird. In Foren gibt es Berichte von Händlern, denen zufolge Amazon nach der erzwungenen Übersendung von Lieferantenrechnungen plötzlich selbst als Verkäufer auftrat.

Fast das Schlimmste, was einem Amazon-Verkäufer passieren kann ist die Behauptung eines Kunden (z.B. im Rahmen einer A bis Z Garantie), ein Produkt sei gebraucht. Nach unserem Eindruck können diese Meldungen schnell zu einer Sperrung führen oder den Händler zu Maßnahmeplänen zwingen. Die Behauptung, der Händler hätte benutzte Ware ausgeliefert, wird neuerdings jedoch von Amazon auch dafür genutzt, um an die Daten des Lieferanten zukommen.

Neue Masche? Amazon fordert Lieferanten Daten aufgrund von angeblichen Kundenbeschwerden

Aktuell versucht Amazon, mit der Behauptung, es habe Kundenbeschwerden zu einem Artikel gegeben, an Lieferantendaten zukommen. Eine entsprechende Mitteilung von Amazon sieht auszugsweise wie folgt aus:

Guten Tag Seller,

Wir haben Kundenbeschwerden zu den Artikeln erhalten, die am Ende dieser E-Mail aufgeführt sind. Ihre Angebote bleiben weiterhin aktiv.

Warum erhalte ich diese Nachricht?

Kunden, die Ihre Produkte kaufen, haben sich beschwert, dass die unten aufgeführten Artikel bereits verwendet waren. Kunden können einen Artikel als verwendet wahrnehmen, wenn das Produkt geöffnet wurde, Daten von früheren Benutzern enthält oder andere Gebrauchsspuren wie Kratzer, Schmutz oder Scheuerstellen aufweist.

Amazon verfügt über mehrere Richtlinien für Produktdetails und Angebote, um Kunden ein einheitliches Einkaufserlebnis zu bieten und zu gewährleisten, dass sie die Artikel im erwarteten Zustand erhalten. Wenn Produkte als “Neu” angeboten werden, wird erwartet, dass sie in nagelneuem, ungeöffnetem Zustand und ohne Anzeichen von Beschädigungen oder Verschleiß ankommen.

Weitere Informationen zu unseren Richtlinien finden Sie auf den Hilfeseiten in Seller Central:

Was nun?

Ihre Angebote sind zwar weiterhin aktiv, um jedoch diese Verstöße aus Ihrem Kennzahlenmonitor Verkäuferleistung zu entfernen, übermitteln Sie die innerhalb der letzten 365 Tage ausgestellten Rechnungskopien oder Quittungen Ihres Lieferanten für die am Ende dieser E-Mail aufgeführten ASINs vor.

• Geben Sie die Kontaktdaten Ihres Lieferanten an, einschließlich Name, Telefonnummer, Adresse und Website. Eventuell kontaktieren wir Ihren Lieferanten, um die Unterlagen zu verifizieren. Selbstverständlich werden wir diese Daten vertraulich behandeln.

•  Sie können die Preise entfernen, aber der Rest des Dokuments muss sichtbar sein. Sie können die zu prüfenden ASIN(s) kennzeichnen oder einkreisen, um die Überprüfung zu beschleunigen.

Sie können nur Dateien im PDF-, JPG-, PNG- oder GIF-Format senden. Diese Unterlagen müssen echt und originalgetreu sein.

Wie sende ich die erforderlichen Informationen?

Um uns die erforderlichen Informationen zu senden, wechseln Sie zu Ihrem Kennzahlenmonitor Verkäuferleistung (https://sellercentral-europe.amazon.com/performance/dashboard?ref=ah_em_pq) in Seller Central und klicken Sie auf den Widerspruchslink neben der betroffenen ASIN.

Wenn das Problem bestehen bleibt, werden wir Ihre Angebote gegebenenfalls entfernen oder Ihr Amazon-Verkäuferkonto deaktivieren.

Sie können Ihre Verkäuferleistung unter (https…) einsehen oder auf dem Startbildschirm der Amazon Verkäufer-App auf Ihrem iOS- (https:….) oder Android-Gerät (https….) “Verkäuferleistung” auswählen. Am Kennzahlenmonitor Verkäuferleistung können Sie ablesen, wie gut Ihr Konto hinsichtlich der Statistiken zur Verkäuferleistung und der Richtlinien abschneidet, die für den Verkauf bei Amazon erforderlich sind.

Freundliche Grüße,

Amazon

Schaut man sich diese Mitteilung etwas genauer an, fällt einiges auf:

Anders, als in der Mail angekündigt, gab es keine weitere Information zu der angeblichen Beschwerde. Auch dem Amazon-Verkäufer war keine Beschwerde bekannt.

Zum anderen stellt sich natürlich die Frage, wie Amazon aus einer Einkaufsrechnung eigentlich herleiten kann, ob im Einzelfall ein neues oder ein bereits gebrauchtes Produkt versandt wurde. Nach unserer Auffassung hat das eine mit dem anderen nichts zu tun. Die Drohung mit Konsequenzen ist eindeutig: Wird nicht, wie von Amazon gewünscht, reagiert verbleibt dieser Makel im Kennzahlenmonitor Verkäuferleistung. Durch die Blume ist dies nichts anderes als die Androhung einer Accountsperre.

Auffällig ist auch, wie ausführlich Amazon schildert, welche Daten konkret gewünscht werden und wie (einfach) diese Daten an Amazon übermittelt werden können. Was sie wirklich im Vordergrund steht, ergibt sich nach unserer Auffassung schon aus der Ausführlichkeit dieser Informationen. Auch der Hinweis, dass Amazon diese Daten vertraulich behandeln wird, ist doppeldeutig. Amazon wird die Daten nicht an Dritte weitergeben, sondern mutmaßlich selbst nutzen.

Fakt ist jedenfalls, dass eine Einkaufsrechnung nichts damit zu tun hat, ob ein einzelnes Produkt gebraucht ist oder nicht, insbesondere dann nicht, wenn der Händler nur Neuware verkauft.

Was tun?

Die Frage, wie ein Amazon-Verkäufer reagieren sollte, wenn er eine derartige Mitteilung von Amazon erhält, lässt sich nicht eindeutig beantworten. Die Befürchtung, dass Amazon die entsprechenden Lieferantendaten nutzt, um die Ware dort selber einzukaufen, ist durchaus berechtigt. Zwangsläufig muss dies jedoch nicht die Folge sein.

Eine konkrete Empfehlung, wie auf eine derartige Anfrage am besten zu reagieren ist, können wir an dieser Stelle nicht geben. Grundsätzlich bestehen folgende Möglichkeiten:

Entweder der Amazon-Verkäufer übersendet die gewünschten Informationen an Amazon und hofft zum einen, dass der Kennzahlenmonitor Verkäuferleistung davon positiv beeinflusst wird und Amazon nicht plötzlich selber das Produkt anbietet.

Die andere Alternative ist, nicht zu reagieren und zu hoffen, dass es keine weiteren Nachteile gibt.

Inwieweit es Sinn macht, bei Amazon zunächst nachzuhaken um herauszufinden, was für eine Kundenbeschwerde es gab, können wir an dieser Stelle nicht genau beurteilen. 

Wir könnten uns auch vorstellen, dass sich das Bundeskartellamt dafür interessieren könnte, wenn die Aufforderung, Lieferantendaten preiszugeben nachweisbar dazu führt, dass Amazon plötzlich selbst diese Produkte vom Lieferanten bezieht und auf der Plattform verkauft.

Wir beraten Sie.

Stand: 05.11.2020

Es berät Sie: Rechtsanwalt Johannes Richard