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OLG Frankfurt: Online-Marktplatz wie eBay oder Amazon muss nicht verkehrsfähige Produkte unverzüglich sperren, wenn ein klarer Hinweis erfolgt – weitere Verstöße des Verkäufers müssen vermieden werden

Auf Verkaufsplattformen wie eBay oder Amazon werden zum Teil, häufig von ausländischen Verkäufern, Produkte angeboten, die gefährlich sind und die nicht verkehrsfähig sind. Häufige Fehler sind eine fehlende Herstellerkennzeichnung, ein fehlendes CE-Zeichen oder ein unzulässig angebrachtes CE-Zeichen oder konkrete produktbezogene Informationspflichten am Produkt oder der Verpackung, wie z. B. bei Spielzeug, Medizinprodukten oder persönlicher Schutzausrüstung (PSA). Zum Teil gibt es sehr spezielle Vorschriften, z. B. im Lebensmittelrecht oder bei bestimmten technischen Produkten, die einzuhalten sind. All diese Zertifizierungen und Informationspflichten sind kein Selbstzweck: Es soll unter allen Umständen gewährleistet sein, dass das Produkt sicher ist und den Verbraucher nicht schädigt. In der Regel ist der Vertrieb bei Kennzeichnungsmängeln schlichtweg verboten. hinzukommt, dass Produkte, bei denen z. B. eine CE-Kennzeichnung vorgeschrieben ist, bestimmte Voraussetzungen erfüllen müssen. Fehlt diese Kennzeichnung, kann oftmals davon ausgegangen werden, dass die gesetzlichen Vorgaben auch nicht eingehalten werden.

Wir von Internetrecht-Rostock.de melden für Mandanten schon seit vielen Jahren nicht verkehrsfähige gefährliche Produkte, insbesondere bei der Plattform Amazon. Unsichere oder nicht gekennzeichnete Produkte können nicht nur gefährlich sein, es stellt auch eine erhebliche Wettbewerbsverzerrung dar, wenn nicht verkehrfähige Produkte angeboten werden. Weitere Informationen zur Meldung gefährlicher und nicht verkehrsfähiger Produkte bei Amazon haben wir hier zusammengestellt.

Zum Teil besteht das Problem, dass die Produkte kurzfristig gesperrt werden, dann jedoch wieder online sind, teilweise mit den gleichen rechtlichen Mängeln. Hier zeichnet sich eine Lösung ab:

OLG Frankfurt: Betreiber eines Online-Marktplatzes haftet für Rechtsverletzungen bei nicht verkehrsfähigen Produkten

Wenn eine Meldung gegenüber einer Plattform nicht zum Erfolg führt bzw. das offensichtlich nicht verkehrsfähige Produkt des gleichen Verkäufers schnell wieder online ist, kann ein Wettbewerber Ansprüche direkt gegenüber der Plattform geltend machen, so das Oberlandesgericht Frankfurt (OLG Frankfurt, Urteil vom 24.06.2021, Az: 6 U 244/19).

Der Fall

Es ging um die Plattform eBay. Dort waren sogenannte Schwimmscheiben angeboten worden, bei der Name und Kontaktanschrift des Herstellers bzw. des Bevollmächtigten fehlte. Des Weiteren waren auf den Schwimmscheiben oder deren Typenschild keine CE-Kennzeichnung angebracht. Des handelte sich um Angebote chinesischer Herkunft. In der Sache handelte es sich um persönliche Schutzausrüstung (PSA). Dem Kläger ging es auch um eine Prüfungspflicht der Plattform.

Das OLG bejahte diese Prüfungspflicht, nämlich in der Form, dass es der Plattform untersagt wurde, Angebote des Verkäufers zu schalten, bei denen auf den Lichtbildern (Produktbilder) das Fehlen der CE-Kennzeichnung und der Herstellerangaben zu erkennen ist.

Wettbewerbsverhältnis

Notwendig für wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche ist ein Wettbewerbsverhältnis, d. h. beide Parteien müssen gleiche oder ähnliche Waren anbieten. Bei einer Plattform wie Amazon ist dies in der Regel unproblematisch, da Amazon selbst auch Produkte verkauft. eBay ist jedoch lediglich Plattformbetreiber und verkauft selbst keine Produkte. Dies sah das OLG als unproblematisch an, da eBay durch das Bereitstellen des Marktplatzes fremden Wettbewerb, nämlich der auf der Plattform tätigen Händler, fördert. Das Bereitstellen eines Internet-Marktplatzes ziele darauf ab, den Absatz der von Dritten dort angebotenen Produkte zu fördern. Zudem erwirtschaftet der Marktplatzbetreiber bei jedem Verkauf eine Verkaufsprovision.

Verstoß der Verordnung über persönliche Schutzausrüstungen ist wettbewerbswidrig

Nicht neu ist die Klarstellung des Senates, dass ein Verstoß gegen die Verpflichtungen aus der PSA-Verordnung (VO (EU) 2016/425) eine Marktverhaltensregelung ist und damit ein Verstoß auch wettbewerbswidrig ist. Insbesondere gibt es gem. Art. 11 Abs. 2 eine Überprüfungspflicht der Verkäufer, wenn diese PSA anbieten.

Haftung der Plattform aufgrund einer Verletzung einer wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht

Das OLG nahm eine Haftung der Plattform, im vorliegenden Fall eBay, unter dem Gesichtspunkt der Verletzung einer wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht an. Folge ist eine Prüfungspflicht. Diese besteht für einen Plattformbetreiber erst ab Kenntnis des rechtswidrigen Inhalts.

Der Betreiber eines Online-Marktplatzes muss daher, wenn er auf eine klare Rechtsverletzung hingewiesen worden ist, das konkrete Angebot unverzüglich sperren. Man spricht hier auch von dem „Notice and take down – Prinzip“. Des Weiteren besteht eine Verpflichtung, gleichartige Verletzung in Zukunft zu verhindern.

Verpflichtung zur Sperrung von weiteren rechtswidrigen Angeboten auch ohne erneuten Hinweis

Weitreichend wie aber auch zutreffend ist die Annahme des OLG, dass aufgrund eines gefahrerhöhenden Verhaltens die Verpflichtung des Plattformbetreibers besteht, weitere Angebote von solchen Verkäufern von vornherein zu sperren, von denen dem Plattformbetreiber bereits Hinweise auf rechtswidrige Angebote vorliegen. Es geht wohlgemerkt nicht ganz grundsätzlich darum, Angebote proaktiv zu überprüfen und erst dann freizuschalten, wenn offensichtlich die Produkte verkehrsfähig sind. Es geht vielmehr um Angebote von Händlern mit bestimmten Produkten, die in der Vergangenheit bereits einmal aufgefallen sind, z. B. durch eine Meldung nicht verkehrsfähiger Produkte. Es geht zudem auch um identische Produkte.

Ein Ansatzpunkt für Kontrollmaßnahmen der Plattform sind daher die Verkäufer-Accounts, über die entsprechende rechtsverletzende Ware bereits angeboten wurde. Erschwerend kommt hinzu, wenn bereits entsprechende Angebote in nahezu identischer Aufmachung bereits zuvor geschaltet und beanstandet worden waren. Derartige Produkte lassen sich – so das OLG – durch den Plattformbetreiber leicht identifizieren.

Beurteilungsmaßstab Produktbilder

Der Plattformbetreiber hat keine Verpflichtung, im Einzelfall komplizierte Beurteilungen durchzuführen, ob das beanstandete Angebot tatsächlich wettbewerbswidrig ist. Die Hinzuziehung eines mit der Materie vertrauten Juristen ist dem Plattformbetreiber ebenfalls nicht zuzumuten.

Das OLG löst diese Frage durch die Produktbilder: Die Bilder in den Angeboten lassen ohne Aufwand erkennen, ob ein CE-Kennzeichen sowie notwendige Herstellerangaben aufgebracht sind oder nicht. Im Online-Handel sei es üblich, ein Produkt umfassend von mehreren Seiten zu zeigen. Fehlt es an einer entsprechenden Abbildung (hier CE-Kennzeichen und Hersteller-Kennzeichnung), besteht jedenfalls ein ausreichender Anlass für die Plattform, beim Händler nachzuforschen und das Angebot zunächst nicht zu veröffentlichen.

Dem Plattformbetreiber ist ferner zuzumuten, über eine entsprechende Filtersoftware Angebote derjenigen Accounts zu ermitteln, bei denen in der Vergangenheit rechtsverletzende Angebote bereits angezeigt wurden. Eine Kontrolle, ob aus den Bildern oder dem Angebotstext eine formelle Erfüllung der Kennzeichnungspflicht hervorgeht, sei zumutbar. Nicht zumutbar ist dagegen die Überprüfung, ob die Kennzeichnung zu Recht angebracht worden ist.

Plattform ist aus der Haftung bei falschem Produktbild

Ebenfalls Gegenstand der Entscheidung des OLG ist ein Sachverhalt, bei dem auf dem Produktbild eine CE-Kennzeichnung der Schwimmscheibe angezeigt wurde. Es handelte sich hierbei um eine Falschangabe, tatsächlich enthielt das Produkt keine CE-Kennzeichnung.

Ebenfalls keine Prüfungspflicht des Plattformbetreibers besteht – bezogen auf persönliche Schutzausrüstung – bei der Frage, ob eine EU-Konformitätserklärung dem Produkt beigefügt wurde. Dies lässt sich nur anhand eines Testkaufes verifizieren.

Fazit

Die Reichweite und die Relevanz der Entscheidung des OLG Frankfurt ist kaum zu unterschätzen: Seit Längerem melden wir für Mandanten nicht verkehrsfähige Produkte insbesondere bei der Plattform Amazon. Zum Teil sind die Produkte nach relativ kurzer Zeit wieder online. Die sehr überzeugende Entscheidung des OLG Frankfurt verdeutlicht, dass Plattformbetreiber wie eBay oder Amazon zukünftig mehr unternehmen müssen, um zu verhindern, dass nicht verkehrsfähige und gefährliche Produkte angeboten werden. Die Marktüberwachungsverordnung ist hier auch gesetzgeberisch ein Schritt in die richtige Richtung.

Es bleibt zu hoffen, dass die Plattformbetreiber auf die Abbildung von verpflichtenden Kennzeichnungen (CE sowie Herstellerkennzeichnung) auf Produktfotos zukünftig einen größeren Wert legen.

Wir unterstützen Sie bei der Meldung nicht verkehrsfähiger Produkte insbesondere auf der Plattform Amazon.

Rufen Sie uns einfach an oder schicken Sie uns eine Email.

Stand: 08.06.2022

Es berät Sie: Rechtsanwalt Johannes Richard