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Schutzvisier gegen Corona: Persönliche Schutzausrüstung (PSA), wenn Visier nur als Spritzschutz beworben wird?

Ein Gesichtsschutzvisier kann zusammen mit anderen Schutzmaßnahmen die Gefahr einer Infektion mit dem Coronavirus verringern. Wie schon bei Atemschutzmasken stellt sich jedoch die Frage, welche rechtlichen Vorgaben ein derartiges Produkt einhalten muss. Genaue Vorschriften gibt es in der Verordnung (EU) 2016/425 über persönliche Schutzausrüstung in (PSA-Verordnung).

Bei einem Schutzvisier kann es darauf ankommen, mit welchem Verwendungszweck der Schutzvisier angeboten wird. In Anhang I der PSA werden Kategorien der Risiken festgelegt, vor denen die persönliche Schutzausrüstung die Nutzer schützen soll.

Die Kategorie I umfasst nur geringfügige Risiken:

a)         oberflächliche mechanische Verletzungen;

b)         Kontakt mit schwach aggressiven Reinigungsmitteln oder längerer Kontakt mit Wasser;

c)         Kontakt mit heißen Oberflächen, deren Temperatur 50 °C nicht übersteigt;

d)         Schädigung der Augen durch Sonneneinstrahlung (außer bei Beobachtung der Sonne);

Art. 2 Abs. 2 der PSA-Verordnung regelt, für welche Produkte die PSA nicht gilt. Hierzu gehört gemäß Art. 2 Abs. 2c PSA-Verordnung ein Schutz gegen „Feuchtigkeit und Nässe bei der Geschirrsreinigung“.

Kann daher ein Anbieter von Schutzvisieren die Anwendung der PSA-Verordnung vermeiden, indem er das Produkt als Schutz Gegenspritzer von haushaltsüblichen Reinigungsmitteln bewirbt?

Landgericht Bochum: Vorgegebener Verwendungszweck ist entscheidend

Das Landgericht Bochum (LG Bochum, Urteil vom 7.10.2020, Az. 13 O114/20) hatte über einen wettbewerbsrechtlichen Verfügungsantrag zu entscheiden. Die Beklagte bot auf einer Internetplattform ein „Schutzschild Gesichtsschutz Spritzschutz Visier“ an.

Das Produkt wurde zudem beworben mit

„Haftungsausschluss

Kein Medizinprodukt! Augenschutz gegen (Spritzer von) schwach-aggressiven haushaltsüblichen Reinigungsmitteln. ACHTUNG! Der Artikel kann keine Krankheiten oder Infektionen verhindern. …“

Nach Ansicht des Abmahners benötigte dieses Gesichtsschutzvisier eine Baumusterprüfung einer notifizierten Stelle, ein CE-Kennzeichen, in der Anleitung die Information der Fundstelle zur PSA-Verordnung (EU) 2016/425 sowie Name und Kontaktanschrift der notifizierten Stelle, die an der Konformitätsbewertung für die persönliche Schutzausrüstung beteiligt war.

Das Landgericht hat die Unterlassungsansprüche im Wege eines unechten Versäumnisurteils zurückgewiesen. Der Beklagte war in der mündlichen Verhandlung nicht anwaltlich vertreten, er hatte vielmehr eine Schutzschrift eingereicht. Ein Gericht kann trotz des Nichterscheinens des Beklagten, bzw. seines Anwaltes eine Klage abweisen, wenn es die Ansprüche als nicht begründet ansieht.

Da der Beklagte das Gesichtsschutzvisier als Spritzschutz gegen schwach-aggressive Reinigungsmittel angeboten hatte, unterfällt es nach Ansicht des Gerichtes in die Kategorie I b der PSA. Es handelt sich somit nicht um eine persönliche Schutzausrüstung (PSA), da es für die private Verwendung als Schutz gegen Feuchtigkeit und Nässe bei der Geschirrsreinigung entworfen wurde.

Nicht nur bestimmungsgemäße Verwendung, sondern auch normalerweise vorhersehbare Verwendung ist zu berücksichtigen

Für die Frage, ob ein Produkt eine persönliche Schutzausrüstung ist oder nicht, kommt es nicht nur auf die Artikelbeschreibung an (siehe hierzu beim Angebot von Stoffmasken OLG Hamm), sondern auch darauf, wie das Produkt in der Realität wirklich durch den Nutzer verwendet wird. Der Kläger hatte argumentiert, dass aufgrund der Corona-Pandemie davon auszugehen sei, dass die überwiegende Anzahl der Nutzer die Schilde als Schutz gegen Ansteckung verwenden würden. Aufgrund der Artikelbeschreibung sah das Landgericht dies anders:

„In der Produktbeschreibung ist in der Überschrift lediglich genannt „Schutzschild Gesichtsschutz Spritzschutz Visier“. Im Fettdruck ist unter der Rubrik „Wichtige Informationen“, die von jedem durchschnittlich aufmerksamen Kunden ohne Weiteres gelesen wird, ausdrücklich ausgeführt, dass es sich um kein Medizinprodukt handelt und der Artikel keine Krankheiten oder Infektionen verhindern könne, sondern einen Augenschutz gegen (Spritzer von) schwach-aggressiven haushaltsüblichen Reinigungsmitteln darstelle.“

Zweckentfremdung wegen Corona

Fakt ist, dass aufgrund der Corona-Pandemie viele Produkte für den Schutz gegen eine Corona-Infektion genutzt werden, obwohl Sie dafür eigentlich nicht zertifiziert sind. Nach Auffassung des Landgerichtes Bochum trägt der Anbieter dafür keine Verantwortung:

„Nach Auffassung der Kammer kann es nicht angehen, dass wegen der Corona-Pandemie die zweckentfremdende Verwendung von Gegenständen, die nach den Warnhinweisen des Herstellers nicht als Schutz vor Ansteckung dienen können, in jedem Fall zu der Einordnung in eine höhere Schutzklasse führen. Die autonome Entscheidung der Benutzer, ein Produkt über den eigentlichen vorgesehenen Anwendungsbereich hinaus für andere nicht zugelassene Zwecke zu benutzen, stellt ein bewusstes Hinwegsetzen über die eigentliche Zweckbestimmung dar. Dies kann nicht dazu führen, dass den Herstellern weitgehende Verpflichtungen hinsichtlich Baumusterprüfung durch notifizierte Stellen etc. aufgebürdet werden. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Argument der Verfügungsklägerin, es sei zu befürchten, dass die Gesichtsschutzvisiere im Rahmen einer Familie oder Wohngemeinschaft ohne nähere Informationen weitergegeben würden und nachfolgende Benutzer die Einschränkung des Anwendungsbereichs nicht erfahren würden. Sofern eine Weitergabe tatsächlich erfolgen sollte, ist es Sache der Person, die das Produkt weitergibt, den nachfolgenden Benutzer hierüber aufzuklären und kann nicht zu einer Ausweitung der Verpflichtung des Herstellers führen.“

So richtig überzeugen vermag die Entscheidung des Landgerichtes Bochum nicht. Das Gericht macht es sich etwas zu einfach, wenn lediglich die subjektive Zweckbestimmung in den Vordergrund gestellt wird. Der Haftungsausschluss macht eigentlich deutlich, worum es wirklich geht. Es wird im weitesten Sinne durchaus suggeriert, dass der Gesichtsschutz etwas mit dem üblichen Einsatzbereich dieser Produkte im Rahmen der Corona-Pandemie zu tun hat. Ob sich Anbieter aus der Anwendung der PSA-Verordnung heraus retten können, indem Sie die Produkte einfach anders beschreiben, dürfte somit immer im Einzelfall zu beurteilen sein.

Wir empfehlen Herstellern und Importeuren, sich durch ein Prüfinstitut beraten zu lassen, bevor derartige Produkte angeboten werden. Wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche können in diesem Bereich sehr weitreichend sein, da Unterlassungsansprüche auch mit Rückrufansprüchen einhergehen. Für eine konkrete Prüfung eines PSA-Produkts können Sie sich an die trade-e-bility GmbH wenden, die auf die Prüfung von Non-Food Produkten spezialisiert ist.

Wir beraten Sie bei einer Abmahnung wegen eines angeblichen Verstoßes gegen die PSA-Verordnung.

Stand: 08.12.2020

Es beraten Sie: Rechtsanwalt Johannes Richard