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EuGH entscheidet ab wann Angebote im Internet gewerblich sind: Was bedeutet dies für eine Abmahnung von privaten eBay-Verkäufern?

Ein regelmäßiges Thema aus unserer Beratungspraxis sind eBay-Verkäufer, die als private Verkäufer über eBay verkaufen. Zuletzt aufgrund des Umfanges der Angebote, der Art der angebotenen Produkte und Anzahl der Kundenbewertungen für den eBay-Verkäufer als Verkäufer liegt jedoch eigentlich gar kein Privatverkauf mehr vor. Der Privatverkäufer ist dann ein gewerblicher Verkäufer – zumindest rechtlich.

Folge ist, dass der private eBay-Verkäufer plötzlich im Rechtssinne ein Unternehmer ist. Dies wiederum hat zur Folge, dass der eBay-Verkäufer große Probleme bekommt:

Ein privater eBay-Verkäufer, der eigentlich gewerblich handelt, muss ebenso, wie ein Internetshop, eine Vielzahl von rechtlichen Vorschriften einhalten:

So besteht die Verpflichtung, in einem Impressum über die Identität zu informieren, es muss über das Widerrufsrecht informiert werden, ein Muster-Widerrufsformular muss vorgehalten werden, ein Link auf die OS-Plattform. Des Weiteren fehlen AGB, in denen rechtliche Pflichtinformationen vorgehalten werden können. Nicht zuletzt wäre die Information als privater Verkäufer etwas anzubieten, auch falsch und damit irreführend.

Aus unserer Beratungspraxis wissen wir, dass der quasi fließende Wechsel von Privatverkauf zu -rechtlich gesehen- gewerblichen Verkauf relativ schnell geht. Sicherlich mag es einige Verkäufer geben, die wirklich gewerblich tätig sind, jedoch aus verschiedenen Gründen weder ihre Identität offenlegen möchten, noch bereit sind, ein Widerrufsrecht einzuräumen. Aus unserer Beratungspraxis sind uns jedoch auch Fälle bekannt, in denen einfach nur die pure Anzahl der Angebote und Verkäufe zur Abmahnung führte, ohne dass eine böse Absicht dahinterstand. Dies ist bspw. dann der Fall, wenn eine Sammlung aufgelöst wird, ein Erbe zu verkaufen ist oder ein Hobby aufgegeben wird. Nicht zuletzt wird auch eBay zum Problem: Regelmäßig gibt es Aktionen bei eBay, dass bspw. eine große Anzahl von privaten Verkäufern kostenlos sind oder keine Angebotsgebühren entstehen. Wir hatten bereits 2013 darüber berichtet.

Die deutsche Rechtsprechung

Da der Privatverkauf bei eBay, der eigentlich gar kein Privatverkauf ist, ein sehr häufiges Abmahnthema ist, gibt es auch viele Urteile, die sich mit dieser Frage befassen. Eine Übersicht über die uns bekannten Urteile haben wir hier zusammengestellt.

In erster Linie ist es die Anzahl der Angebote, die für die Rechtsprechung entscheidend ist. Das höchste deutsche Zivilgericht, der Bundesgerichtshof, sah bei 91 Verkäufen in fünf Wochen (BGH, Az.: I ZR 3/06) bzw. 25 Käuferbewertungen (BGH, Az.: I ZR 73/05) bereits ein gewerbliches Handeln.

Europäischer Gerichtshof entscheidet zu gewerblichem Handel im Internet

Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 04.10.2018 (EuGH, Urteil vom 04.10.2018, Az.: C-105/17) versucht, etwas klarere Regeln aufzustellen. Wie wir jedoch weiter unten ausführen, hilft das Urteil des EuGH nicht wirklich weiter.

Worum ging es?

Ein Verbraucher kaufte in Bulgarien auf einer bulgarischen Plattform eine Uhr, der Verkäufer weigerte sich diese zurückzunehmen.

Der Verkäufer hatte im Dezember 2014 acht Anzeigen zu verschiedenen Waren veröffentlicht.

Im Bulgarien scheint es offensichtlich so zu sein, dass bei einer fehlenden Angabe zu Namen, Postanschrift, E-Mail-Adresse, Endpreis, Liefer- und Leistungsbedingungen sowie fehlende Widerrufsbelehrung ein Bußgeld verhängt werden kann. Es ist übrigens in vielen EU-Ländern so, dass das Wettbewerbsrecht, so wie wir es in Deutschland kennen, dort in der Praxis keine Rolle spielt. Dort sind es vielmehr die Behörden, die sich um “Wettbewerbsverstöße” kümmern und Bußgelder verhängen. Der deutsche Gesetzgeber hat sich dafür entschieden, dass die Wettbewerber, dies in Eigenregie untereinander klären sollen, nämlich im Wege einer Abmahnung.

Die Verkäuferin erhob jedenfalls gegen den Bußgeldbescheid ein Rechtsmittel und das Berufungsgericht legte die Angelegenheit dem Europäischen Gerichtshof vor.

Worum ging es rechtlich?

Das Gericht wollte wissen, ob eine natürliche Person, die gleichzeitig eine Reihe von Anzeigen, in denen neue und gebrauchte Waren zum Verkauf angeboten werden, als Gewerbetreibender im Sinne von Artikel 2 b der Richtlinie 2005/29 eingestuft werden kann und ob eine solche Tätigkeit eine Geschäftspraxis im Sinne von Artikel 2 d der Richtlinie darstellt.

Artikel 2 der Richtlinie 2005/29 definiert den Verbraucher, den Gewerbetreibenden und Geschäftspraktiken im Geschäftsverkehr.

Gewerbetreibender, diese Regelung findet sich quasi identisch auch im deutschen Recht wieder, ist jede natürlich oder juristische Person, die im Geschäftsverkehr im Sinne dieser Richtlinie im Rahmen ihrer gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit handelt.

Es kommt darauf an…

Der EuGH trifft keine eindeutige Aussage zu der Frage, ob ein Verkäufer, der im Internet acht gebrauchte und neue Produkte anbietet, Gewerbetreibender ist. Vielmehr ist dies “von Fall zu Fall” zu prüfen. Der EuGH hat dem bulgarischen Gericht Folgendes mit auf den Weg gegeben:

“Wie der Generalanwalt in Nr. 51 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, wird das vorlegende Gericht dabei insbesondere zu untersuchen haben, ob der Verkauf über die Online-Plattform planmäßig erfolgte, ob mit diesem Verkauf Erwerbszwecke verfolgt wurden, ob der Verkäufer über Informationen oder technische Fähigkeiten hinsichtlich der von ihm zum Verkauf angebotenen Waren verfügt, über die der Verbraucher nicht notwendigerweise verfügt, so dass er sich gegenüber diesem Verbraucher in einer vorteilhafteren Position befindet, ob der Verkäufer eine Rechtsform hat, die ihm die Vornahme von Handelsgeschäften erlaubt, und in welchem Ausmaß der Online-Verkauf mit einer wirtschaftlichen Tätigkeit des Verkäufers zusammenhängt, ob der Verkäufer mehrwertsteuerpflichtig ist, ob der Verkäufer, der im Namen oder im Auftrag eines bestimmten Gewerbetreibenden oder durch eine andere Person auftritt, die in seinem Namen oder Auftrag handelt, eine Vergütung oder Erfolgsbeteiligung erhalten hat, ob der Verkäufer neue oder gebrauchte Waren zum Zweck des Wiederverkaufs erwirbt und dieser Tätigkeit auf diese Weise eine gewisse Regelmäßigkeit, Häufigkeit und/oder Gleichzeitigkeit im Verhältnis zu seiner gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit verleiht, ob die zum Verkauf gestellten Waren alle gleichartig sind oder denselben Wert haben, insbesondere, ob sich das Angebot auf eine begrenzte Anzahl von Waren konzentriert.
Es ist darauf hinzuweisen, dass die in der vorherigen Randnummer aufgeführten Kriterien weder abschließend noch ausschließlich sind, so dass der Umstand, dass eines oder mehrere von ihnen erfüllt sind, für sich genommen grundsätzlich nicht ausreicht, um zu beurteilen, ob der Online-Verkäufer unter den Begriff “Gewerbetreibender” bzw. “Unternehmer” fällt.
Daher reicht die bloße Tatsache, dass mit dem Verkauf ein Erwerbszweck verfolgt wurde oder dass eine Person gleichzeitig eine Reihe von Anzeigen, in denen neue und gebrauchte Waren zum Verkauf angeboten wurden, auf einer Online-Plattform veröffentlichte, für sich genommen nicht aus, um diese Person als “Gewerbetreibenden” im Sinne von Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 2005/29 bzw. “Unternehmer” im Sinne von Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 2011/83 einzustufen.”

 Was bedeutet dies für eine deutsche Abmahnung eines privaten Verkäufers bei eBay?

Wir gehen davon aus, dass Abmahner, die einen Privatverkäufer bei eBay zukünftig abmahnen, mehr tun müssen, als nur zur Anzahl der aktuellen Verkäufe und der abgegebenen Bewertungen als Verkäufer vorzutragen.

Dies würde lediglich Voraussetzungen des planmäßigen Verkaufes erfüllen. Bei weiteren Punkten wird es für den Abmahner jedoch schwierig, die entsprechenden Voraussetzungen zu dokumentieren:

  • Der EuGH fordert einen Erwerbszweck. Nach der bisherigen deutschen Rechtsprechung kam es auf eine Gewinnerzielungsabsicht nicht an.
  • Der Punkt “Der Verkäufer verfügt über Informationen oder technische Fähigkeiten hinsichtlich der von ihm zum Verkauf angebotenen Waren, über die der Verbraucher notwendigerweise nicht verfügt” lässt sich bei dem Verkauf von Produkten über das Internet nur schwer ausfüllen.
  • Ist es allein ein Vorteil (im Sinne des EuGH), dass bestimmte Produkte häufiger verkauft werden?
  • Eine Mehrwertsteuerpflicht ist häufig nicht gegeben. Gleiches gilt auch für einen Verkauf im Auftrag von einem privaten Verkäufer.

Wieder einfacher nachzuweisen sind Häufigkeit und Gleichzeitigkeit der Verkäufe. Letztlich werden somit Abmahner in diesem Bereich zukünftig mehr vortragen und dokumentieren müssen.

Dies ist im Ergebnis durchaus spannend, da der Abmahner in der Regel wohl nicht über die Informationen verfügen wird, die der EuGH für die “Vorgehensweise von Fall zu Fall” einfordert.

Es wird jedoch auf jeden Fall Einzelfälle geben, in denen die EuGH-Rechtsprechung einem eBay-Verkäufer, die privat verkauft und deswegen abgemahnt wurde, weiterhelfen wird.

Wir beraten Sie bei einer Abmahnung wegen eines Privatverkaufs bei eBay.

Stand: 05.10.2018

Es beraten Sie: Rechtsanwalt Johannes Richard und Rechtsanwalt Andreas Kempcke

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