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OLG Schleswig: Fehlende Herstellerkennzeichnung nach EMVG ist nicht wettbewerbswidrig, fehlende Gebrauchsanleitung nach EMVG aber durchaus

Bei allen Betriebsmitteln, die elektromagnetische Störungen verursachen können oder deren Betrieb durch elektromagnetische Störungen beeinträchtigt werden können, gilt das Gesetz über die elektromagnetische Verträglichkeit von Betriebsmitteln (EMVG). Unter das EMVG fallen fertige Produkte mit einer eigenständigen Funktion, eine Verbindung entsprechender Produkte, die als Funktionseinheit auf dem Markt bereitgestellt werden, wie aber auch für Bauteile oder Baugruppen, immer vorausgesetzt, dass die „Geräte“ elektromagnetische Störungen verursachen können oder durch elektromagnetische Störungen beeinträchtigt werden können.

Vereinfacht gesagt gilt das EMVG so gut für alles, was mit Strom betrieben wird oder war Strom durchleitet.

OLG Schleswig zu Kennzeichnungspflichten nach EMVG:

Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht hat sich mit Urteil vom 15.07.2021 (OLG Schleswig, Urteil vom 15.07.2021, Az.: 6 U 17/21) mit zwei speziellen Fragen zum EMVG befasst. Bei einem Verstoß gegen das EMVG ist ferner auch ein Bußgeldverfahren durch die Bundesnetzagentur möglich.

In dem wettbewerbsrechtlichen Verfahren vor dem OLG ging es um Steckverbinder sowie Regler für Modellflugzeuge. Bei beiden Produkten fehlte die Angabe des Handelsnamens sowie die Postanschrift des Herstellers oder Einführers unmittelbar auf dem Gerät. Bei dem Regler fehlte eine deutsche Gebrauchsanleitung.

In der Vorinstanz war der Beklagte bereits wegen einer fehlenden Herstellerkennzeichnung im Sinne des ElektroG zur Unterlassung verurteilt worden, nicht jedoch hinsichtlich einer Angabe einer Anschrift.

Fehlende Herstellerkennzeichnung nach EMVG ist nicht wettbewerbswidrig

§ 9 Abs. 2 EMVG regelt:

„Der Hersteller hat beim Inverkehrbringen seinen Namen, seinen eingetragenen Handelsnamen oder seine eingetragene Handelsmarke sowie seine Postanschrift auf dem Gerät anzugeben. Falls dies aufgrund der Größe oder Art des Gerätes nicht möglich ist, müssen diese Kontaktdaten auf der Verpackung oder auf den dem Gerät beigefügten Unterlagen angegeben werden. Die Kontaktdaten sind in einer Sprache abzufassen, die von den Endnutzern und der Bundesnetzagentur leicht verstanden werden kann. Bei der Postanschrift handelt es sich um die Anschrift einer zentralen Stelle, unter der der Hersteller kontaktiert werden kann.“

Zunächst stellt das Gericht klar, dass es sich sowohl bei dem Steckverbinder, wie aber auch bei dem Flugregler um Geräte im Sinne des EMVG handelt. Ob vorliegend überhaupt ein Verstoß vorliegt, klärt das Gericht nicht, da der Senat grundsätzlich die Ansicht vertritt, dass ein Verstoß gegen die Kennzeichnungspflicht nach § 9 Abs. 2 Satz 1 EMVG nicht wettbewerbswidrig sei. Die Vorschrift sei keine Marktverhaltensregelung.

Grundsätzlich ist es so, dass nicht jeder Verstoß gegen eine Norm auch automatisch einen Wettbewerbsverstoß zur Folge hat. Es muss sich um eine sogenannte Marktverhaltensregelung handeln.

Zielsetzung dieser Kennzeichnungsverpflichtung ist die Rückverfolgbarkeit eines Gerätes über die Lieferkette, damit die Marktüberwachung die Aufgaben einfacher und wirksamer erfüllen kann. Zuständig ist die Bundesnetzagentur.

„Die Kennzeichnung dient nicht dem Interesse der Marktteilnehmer, sondern dem der Marktüberwachungsbehörde, in dem sie ihr die Erfüllung ihrer Überwachungsaufgabe erleichtert. Zwar dient eine effektive Marktüberwachung auch dem Schutz der Marktteilnehmer, weil auch sie Interesse daran haben, dass nur ordnungsgemäß funktionierende Geräte auf dem Markt sind. Der Schutz dieses Interesses ist aber nur eine reflexartige Auswirkung des unmittelbaren gesetzgeberischen Ziels einer effektiven Marktüberwachung.“

Hinzukam ebenfalls, dass § 9 EMVG in keinen Kommentar zum UWG als Marktverhaltensregelung erwähnt wurde, anders als z.B. das ElektroG.

Für sich genommen mag die Ansicht des OLG Schleswig, dass § 9 Abs. 2 EMVG keine Marktverhaltensregelung ist, zutreffend sein. Eine Verpflichtung zur Herstellerkennzeichnung ergibt sich jedoch nicht nur aus dem EMVG, sondern z.B. ganz generell für Verbraucherprodukte aus § 6 Produktsicherheitsgesetz. Warum in diesem Verfahren nicht auch über eine Kennzeichnungsverpflichtung nach Produktsicherheitsgesetz diskutiert wurde, bleibt unklar. Ebenfalls unklar bleibt, warum das OLG beim Steckverbinder das EMVG überhaupt für anwendbar hält.

Aber: Fehlende Gebrauchsanleitung ist wettbewerbswidrig

Der Regler ohne beigefügte deutsch-sprachige Gebrauchsanweisung ist nach Ansicht des OLG Schleswig jedoch wettbewerbswidrig.

Hier gilt § 19 Abs. 1 EMVG:

„Auf dem Gerät, seiner Verpackung oder den beigegebenen Unterlagen müssen Angaben über besondere Vorkehrungen beigefügt sein, die bei Montage, Installierung, Wartung oder Betrieb des Gerätes zutreffend sind, damit es nach Inbetriebnahme die Anforderungen des § 4 erfüllt. Bei Geräten für nicht gewerbliche Nutzer müssen die Angaben in deutscher Sprache abgefasst sein.”

§ 4 EMVG regelt die grundlegenden Anforderungen an die elektromagnetische Verträglichkeit: Es darf keine problematischen elektromagnetischen Störungen geben bzw. das Gerät muss gegen Störungen hinreichend unempfindlich sein.

Es geht somit nicht um die sicherheitsrelevante Gebrauchsanweisung im Sinne des Produktsicherheitsgesetzes, sondern um eine „spezielle“ Gebrauchsanweisung mit Hinblick auf elektromagnetische Störungen nach EMVG.

Der Beklagte hatte eine Gebrauchsanweisung auf der Internetseite zum Download bereitgestellt und hierbei im Rahmen eines Internetangebotes am Ende der Artikelbeschreibung darauf verwiesen. Eine entsprechende Information später im Rahmen des Bestellablaufes oder auf dem Produkt gab es nicht.

Diese Information reichte nicht aus. Den Verstoß sah das Gericht auch als wettbewerbswidrig an.

Warum dieser EMVG-Verstoß nunmehr plötzlich einen Wettbewerbsverstoß begründet, ergibt sich aus dem Urteil des OLG Schleswig nicht.

Fazit

Richtig überzeugend ist nach unserer Auffassung die Entscheidung des OLG Schleswig nicht. Wenn für sich genommen die Herstellerkennzeichnung nach EMVG eine andere Zielrichtig hat als den Verbraucherschutz, kann dies durchaus Auswirkungen auf die Frage haben, ob ein Verstoß wettbewerbswidrig ist oder nicht. Weshalb nicht gleichzeitig noch ein Verstoß nach anderen Kennzeichnungsvorschriften, wie z.B. nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Produktsicherheitsgesetz geprüft wurde, bleibt vollkommen unklar.

Uns fehlt auch ferner eine Begründung, weshalb das EMVG-bezogene Fehlen einer Gebrauchsanleitung dann wiederum doch wettbewerbswidrig sein soll.

Das Urteil zeigt Übrigens auch die Reichweite des EMVG. Bereits ein Steckverbinder fällt unter diese Regelungen.

Wir beraten Sie bei einer Abmahnung wegen eines Verstoßes gegen das EMVG oder bei einer Marktüberwachung durch die Bundesnetzagentur.

Stand: 08.02.2022

Es berät Sie: Rechtsanwalt Johannes Richard