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“Meine EAN!”: Welche Rechte können Verkäufer bei Amazon aus ihrer EAN/GTIN herleiten?

Dieser Beitrag wurde am 15.07.2013 um neue Rechtsprechung aktualisiert.

Das Grundprinzip Amazon läuft darauf hinaus, dass eine Artikelbeschreibung vorhanden ist, die andere Amazon-Anbieter nutzen können, um identische Produkte zu verkaufen. Dieses “Anhängen” an Produktbeschreibungen ist quasi die Grundidee von Amazon.

Voraussetzung, um überhaupt einen Artikel bei Amazon in den Amazon-Katalog aufnehmen zu lassen, ist es, dass das Produkt eine EAN bzw. GTIN (Global Trade Item Number)” hat. Jede Ausgabe und jedem Format eines Artikels muss nach den Amazon-Vorgaben eine eindeutige EAN zugeordnet sein, um eine genaue Identifikation zu ermöglichen.

EAN-Nummern werden durch GS1 Germany vergeben. Die Kosten hierfür ergeben sich aus der Nummernkapazität und einem gestaffelten Umsatz und beginnen bei etwa 35,00 Euro netto.

Neu eingestellte Produkte werden von Amazon zum Teil automatisch einem bereits vorhandenen identischen Produkt zugeordnet. Amazon will hierdurch ganz offensichtlich verhindern, dass die Produktauswahl bei identischen Produkten zu unübersichtlich wird. Dies hat letztlich zur Folge, dass bspw. Anbieter von No-Name-Produkten, denen nicht bereits ein Markenhersteller eine EAN zugeordnet hat, schon technisch gesehen kaum eine Chance haben, eine neue Produktbeschreibung bei Amazon anzulegen.

Amazon selbst errechnet mutmaßlich aus der EAN/GTIN die sogenannte ASIN (Standard Identification Number). Diese 10-stellige Zahlen- und Buchstabenkombination ist das Zuordnungsmittel für Amazon-Angebote.

Im Internet werden Konverter angeboten, aus denen man aus einer EAN eine ASIN berechnen kann und umgekehrt.

Wer zuerst ein Produkt einstellt, hat einen erhöhten Aufwand und Kosten

Davon ausgehend, dass die Existenz einer EAN für die Neueinstellung einer Produktbeschreibung in den Amazon-Katalog zwingend notwendig ist (es gibt wohl offensichtlich Wege, dies zu umgehen), haben Anbieter, die erstmalig ein neues Produkt bei Amazon einstellen, das Problem, dass sie eine EAN angeben müssen, für die sie seriöserweise erst einmal Kosten und Aufwand gehabt haben.

Immer wieder begegnet uns aus unserer Beratungspraxis der abstrakte Vorwurf, dass Dritte, die dann die bereits vorhandene Amazon-Beschreibung nutzen, ja die “dem Händler gehörende EAN” benutzen, obwohl sie dazu gar nicht berechtigt sind. Rein faktisch ist es so, dass Händler nicht einfach eine neue Produktbeschreibung bei Amazon einstellen können, wenn es bereits ein identisches Produkt gibt, da – wie bereits erläutert – in diesem Fall Amazon, um die Übersichtlichkeit der Plattform zu erhalten, die Angebote zusammenfasst.

Hinzukommt, dass nach unserem Eindruck in den allermeisten Fällen die EAN/GTIN in den Amazon-Angeboten gar nicht angezeigt wird.

Der Leidensdruck der Händler ist jedoch so groß, dass es zu diesem Thema bereits Abmahnungen und Rechtsprechung gibt.

Welche rechtliche Wirkung hat eine EAN bei Amazon?

Wir halten diese Frage nicht für abschließend geklärt. Grundvoraussetzung, damit ein Inhaber/Besitzer/Eigentümer einer EAN/GTIN überhaupt an Ansprüche denken kann, ist ein Vertrag mit GS1. Wer seine EAN bei eBay gekauft hat, hat schon verloren.

Die Anmeldung eines Strichcodes als Bildmarke ist nach einer Entscheidung des Bundespatentgerichtes (Beschluss vom 28.03.2007, Az.: 29 W (pat) 184/04) jedenfalls als nicht zulässig angesehen worden.

Dies verwundert zunächst einmal nicht.

Das Landgericht Hamburg 1987

Immer wieder stößt man im Zusammenhang mit der Diskussion der Schutzfähigkeit bzw. der Rechtsfolgen von EAN – kurz: bei Amazon – auf eine Entscheidung des Landgerichtes Hamburg (LG Hamburg, Urteil vom 22.01.1987, Az.: 15 O 751/86).

Das Landgericht Hamburg hatte in den 80er Jahren angenommen, dass ein EAN-Strichcode und die EAN-Ziffer Firmennamen seien, die von an diesem System angeschlossenen Partnern genauso erkennbar seien wie ein ausgeschriebener Name. Folge sei, dass diese den Schutz geschäftlicher Bezeichnungen genießen würden. Nur dem Vertriebsunternehmen, das im übertragenen Sinn die Nummer angemeldet hat, stehe das Recht zu, diese EAN-Nummer zu verwenden.

Die Entscheidung ist nach unserer Auffassung, obwohl immer wieder gern zitiert, auf Amazon nicht übertragbar:

Zum einen scheint es in dem Rechtsstreit vor dem Landgericht Hamburg um Fragen gegangen zu sein, die zwei Unternehmen betrafen. Eine herkunftsweisende Funktion einer EAN setzt zudem nach unserer Auffassung voraus, dass die EAN überhaupt in der Amazon-Artikelbeschreibung angezeigt wird. Dies ist nach unserem Eindruck überwiegend nicht der Fall. Hinzukommt, dass dem Verbraucher eine angezeigte EAN vollkommen egal sein wird. Die sogenannten angesprochenen Verkehrskreise verbinden mit einer angegebenen EAN schlichtweg gar nichts.

Die Besonderheiten des Amazon-Katalogs lassen sich ebenfalls nicht auf eine Entscheidung übertragen, die zu einem Zeitpunkt erging, als das Internet noch vollkommen unbekannt war.

LG Bremen: Mitverwendung und Anhängen an eine EAN ist nicht wettbewerbswidrig

Des Weiteren ist uns eine Entscheidung des Landgerichtes Bremen (LG Bremen, Beschluss vom 10.01.2012, Az.: 7 O 1983/11) bekannt. Das Landgericht Bremen hatte die “Mitverwendung” einer EAN als nicht wettbewerbswidrig angesehen.

Mögliche Anspruchsgrundlage war § 4 Nr. 10 UWG, nämlich eine gezielte Behinderung von Mitbewerbern. Der Abmahner hatte nach Ansicht des Landgerichtes offensichtlich ein Beweisproblem, was die Nutzung der EAN-Nummer angeht. Entsprechend unserer Ansicht sah es wohl auch das Landgericht Bremen als problematisch an, dass die EAN bei Amazon in der Regel gar nicht dargestellt wird.

LG Bochum: Nutzung der EAN bei Amazon ist nicht wettbewerbswidrig

Das Landgericht Bochum (Urteil vom 03.11.2011, AZ 14 O 151/11) nimmt ebenfalls an, dass die Nutzung einer EAN nicht wettbewerbswidrig ist. In dem Urteil heißt es:

“Die Tatsache, dass im Folgenden zunächst weitere Produkte, eine Produktbeschreibung sowie eine Produktinformation mit der EAN-Nummer aufgeführt ist, die unbestritten der Klägerin zugeteilt ist, stellt keine unberechtigte Nutzung dieser Nummer durch die Beklagte dar. Allein die Aufmachung des Angebots zeigt, dass es sich um ein Angebot der Klägerin handelt, in dem lediglich in einem Feld rechts auf der Startseite des Angebots die weiteren Anbieter aufgeführt sind, die auch dort aufgerufen werden können. So gelangt der Kunde zu weiteren Anbietern desselben Produkts. Eine Nutzung der EAN-Nummer der Klägerin vermag die Kammer dadurch nicht festzustellen.”

Zudem macht die Kammer deutlich, dass dem Käufer bei Amazon klar sei, dass er nicht mit demjenigen der Inhaber der EAN ist ein Vertrag schließt sondern mit dem jeweiligen Anbieter. Nach Ansicht des Gerichtes muss die nicht abschließend geklärte Frage, ob der durchschnittliche Kunde überhaupt mit einer EAN-Nummer etwas anzufangen weiß, nicht geklärt werden.

Landgericht Berlin : Nutzung einer fremden EAN/ASIN-Nummer wettbewerbswidrig?

Das Landgericht Berlin (Beschluss vom 25.11.2011, AZ 15 O 436/11) hat in einer nicht ganz nachvollziehbaren Entscheidung die Ansicht vertreten, dass es wettbewerbsrechtlich zu unterlassen sei

“irreführende Angaben über die betriebliche Herkunft der Ware zu machen, insbesondere durch die Übernahme einer fremden EAN (ASIN) sowie eines fremden Angebotstextes”

Hier ging es offensichtlich darum, dass der Abmahner über Markenrechte verfügte und es ausschließen konnte, dass Dritte in der Lage sind, diese Produkte auszuliefern. In den Entscheidungsgründen geht es um die Übernahme des Angebotes und des Kennzeichens der Antragstellerin. Dadurch werde der unzutreffende Eindruck erweckt, der Abgemahnte biete Ware an, die aus dem Betrieb des Markeninhabers stammen würden.

Obwohl der Begriff der EAN/ASIN im Tenor dieses Urteils auftaucht, hat die Entscheidung eigentlich nichts damit zu tun, ob die reine Nutzung einer bereits vorhandenen Artikelbeschreibung, für die eine EAN benötigt wird, rechtlich problematisch ist.

Landgericht Berlin

Fazit

Auch wenn es ärgerlich ist, dass Amazon das Vorhandensein einer kostenpflichtigen EAN bei erstmaliger Einstellung eines Produktes vorschreibt, sehen wir zurzeit keinen rechtlichen Ansatz, Dritte daran zu hindern, diese Produktbeschreibung, der eine EAN zugrunde liegt, ebenfalls zu nutzen. Dies gilt natürlich immer unter der Voraussetzung, dass exakt das gleiche Produkt verkauft wird. Der Grundsatz “Meine EAN! – Mein Angebot!” dürfte daher bei Amazon wohl nicht gelten.

Wir gehen jedoch davon aus, dass auf Grund des erheblichen Wettbewerbsdrucks der Händler untereinander diese Frage bald durch die Rechtsprechung intensiver geklärt wird.

Wir beraten Sie gern.

Stand: 05/2015

Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Johannes Richard, Rostock

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