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Auskunft und Schadenersatz im Wettbewerbsrecht – oft gefordert – immer berechtigt?

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Nicht selten sehen wir in wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen, dass Auskunfts- und Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden. Diese werden auch gern in die der Abmahnung beigefügte Unterlassungserklärung mit aufgenommen. In diesem Zusammenhang soll sich der Abgemahnte in der Regel auch verpflichten, anzuerkennen, dass er sämtlichen Schaden ersetzen wird, der durch das wettbewerbswidrige Verhalten entstanden ist oder noch entstehen wird.

Auch nicht selten ist der Fall, in dem ein Schadenersatz bereits pauschal beziffert wird und gnädig auf den Auskunftsanspruch verzichtet wird, wenn der pauschale Schadenersatzanspruch tatsächlich gezahlt wird.

Hintergrund eines Auskunfts- und Schadenersatzanspruches ist § 9 UWG:

§ 9 UWG

Wer vorsätzlich oder fahrlässig einen nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, ist den Mitbewerbern zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

Schadenersatzansprüche im Wettbewerbsrecht zerfallen in der Regel in drei Teile:

1. Schadenersatz-Feststellung

Da im Wettbewerbsrecht eine kurze Verjährung gilt, wird zum Teil in der Unterlassungserklärung gefordert, dass der Abgemahnte die Allgemein-Feststellung unterschreibt, dass er verpflichtet ist, einen Schaden aus einem bestimmten Wettbewerbsverstoß  heraus zu erstatten. Dieser Umstand unterbricht zunächst einmal die kurze Verjährung, hat jedoch nur dann eine Schadenersatz-Zahlung zur Folge, wenn auch tatsächlich ein Schaden besteht.

2. Auskunft

Damit der Abmahner überhaupt beurteilen und beziffern kann, wie hoch der Schaden ist, kann ferner eine Auskunft geltend gemacht werden, bspw. über den Umfang der beanstandeten Handlung.

3. Schadenersatz-Bezifferung

Praktische Aspekte des Schadenersatzes im Wettbewerbsrecht

Aus unserer langjährigen Beratungspraxis ist uns bisher noch kein Fall bekannt geworden, in dem ein Abgemahnter auf Grund eines Wettbewerbsverstoßes tatsächlich einmal einen Schadenersatz zahlen musste bzw. dieser einmal konkret gefordert wurde. Es mag sein, dass es derartige Ansprüche tatsächlich gibt, bei den klassischen Wettbewerbsverstößen im Internet (falsche Widerrufsbelehrung, unzulässige AGB-Klauseln etc.) stellt sich bereits für den juristischen Laien die Frage, wo denn hier eigentlich der Schaden des Abmahners liegen soll.

Theoretisch sind zwar verschiedene Schadenersatzansprüche denkbar, wie bspw. bei einer sogenannten Marktverwirrung ein Anspruch auf Ersatz von Marktverwirrungskosten. Von einer Marktverwirrung wird dann gesprochen, wenn auf Grund des wettbewerbswidrigen Handels geschäftliche Entschlüsse von Marktpartnern, insbesondere von Verbrauchern, zugunsten des Verletzers und zu Ungunsten des Mitbewerbers beeinflusst werden können. Im Weiteren besteht die Möglichkeit, einen konkreten Schaden zu berechnen, was nach unserer Auffassung kaum praktikabel ist. Eine angemessene Lizenzgebühr ist denkbar sowie die Herausgabe des Verletzergewinns.

Nach unserer persönlichen Auffassung dienen die Auskunftsansprüche in erster Linie dazu, mehr über den Abgemahnten “zu erfahren”. Dass aus einer Auskunft heraus hinterher tatsächlich auch begründet ein Schadenersatz beziffert wird, ist nach unserer Praxiserfahrung außerordentlich selten.

Unabhängig davon wird eine Schadenersatz-Feststellung und entsprechende Auskunftsansprüche auch gern einmal in einer Abmahnung geltend gemacht.

Schadenersatz-Feststellung: Wann ist sie berechtigt?

Die Rechtsprechung ist zunächst bei einer grundsätzlichen Feststellung, dass der Abgemahnte verpflichtet ist, den Schaden auf Grund des Wettbewerbsverstoßes zu erstatten, relativ großzügig. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes reicht eine gewisse, nicht einmal hohe Wahrscheinlichkeit aus, dass ein Schaden vorliegt. Ausreichend ist nach der Rechtsprechung sogar, dass nach der Lebenserfahrung der Eintritt eines Schadens zumindest denkbar und möglich ist.

Im klassischen Bereich der Internetrecht-Abmahnung bleibt es aber dennoch spannend:

Welchen Schaden erleidet der Abmahner, wenn der Abgemahnte falsch über den Fristbeginn in der Widerrufsbelehrung informiert, Auslandsversandkosten nicht dargestellt hat etc. etc.? Uns fällt es jedenfalls schwer, uns hier einen Schaden vorzustellen.

Landgericht Berlin zur Schadenersatz-Feststellung:

In einer aktuellen Entscheidung vom 29.06.2010, Az.: 103 O 17/10, hat das Gericht – was wir auch für richtig halten – eine Schadenersatz-Grundfeststellung abgelehnt. Derartige Urteile sind relativ selten. Der Wettbewerbsverstoß bestand in einer falschen Widerrufsbelehrung, in Fehlern in der Produktbeschreibung und in mehreren durchaus nicht unüblichen aber dennoch ggf. wettbewerbswidrigen AGB-Klauseln. In den Entscheidungsgründen des Landgerichtes heißt es:

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten und vorangehend auf die zur Bezifferung des Schadens erforderliche Auskunft. Die Feststellung der Schadensersatzpflicht setzt voraus, dass eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht, dass ein Schaden bereits eingetreten ist oder noch eintritt. Zwar sind an die Wahrscheinlichkeit keine hohen Anforderungen zu stellen. Es reicht aus, wenn nach der Lebenserfahrung mit dem Eintritt eines Schadens mit einiger Sicherheit gerechnet werden kann.

Diese Voraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor. Ein der Klägerin entstandener Schaden wäre nur dann wahrscheinlich, wenn die Beklagte aufgrund der unzureichenden Widerrufsbelehrung und der unzulässigen AGB-Klauseln Kunden an sich gezogen hätte, die anderenfalls Druckerpatronen bei der Klägerin gekauft hätten. Dies ist schon deshalb unwahrscheinlich, weil es im Internet eine unübersehbare Zahl von Anbietern von Druckerpatronen gibt. Bei Eingabe des Begriffs “Druckerpatronen” ergibt eine Google-Suche 1.040.000 Treffer. Selbst wenn darunter viele Doppelnennungen sein sollten, belegt diese Zahl, dass auf dem Markt ein reger Wettbewerb herrscht. Es wäre daher nur Zufall, wenn sich die Angebote der Klägerin und der Beklagten jemals konkret in der Person eines Kunden gegenübergestanden  hätten.

Weiter ist es äußert unwahrscheinlich, dass sich ein Kunde gerade aufgrund der beanstandeten Fehler der Widerrufsbelehrung und der AGB-Klauseln für das Angebot der Beklagten entscheiden würde oder entschieden hätte. Erfahrungsgemäß liest kaum ein Verbraucher das “Kleingedruckte”. Ihn interessieren die Ware und de dafür geforderte Preis, nicht aber die Vertragsbedingungen. Schon gar nicht vergleicht er die Bedingungen des einen Anbieters mit denen eines anderen Anbieters,  um sich dann aufgrund der Bedingungen für den einen oder anderen zu entscheiden, jedenfalls nicht bei Waren des täglichen Bedarfs.

Schließlich sind auch insbesondere die angegriffenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Beklagten eher dazu geeignet, einen Kunden von der Eingehung eines Vertrages mit der Beklagten abzuhalten als ihn zu einem Kauf bei der Beklagten zu animieren. Teillieferungen sind für den Kunden lästig, dass er die Versandkosten zahlen muss, auch wenn er die Ware zurückschickt wird ihn ärgern, ebenso, dass bei Zahlungsverzug Mahnkosten in nicht unbeträchtlicher Höhe gefordert werden. Nach der Lebenserfahrung kann daher nicht mit einiger Sicherheit mit dem Eintritt eines Schadens bei der Klägerin gerechnet werden, vielmehr ist der Schadenseintritt höchst unwahrscheinlich.

In seltener Klarheit – so unsere Auffassung jedenfalls – hat ein Gericht hier einmal deutlich gemacht, dass die fast reflexartige Forderung nach Auskunft und Schadenersatz-Feststellung nicht immer berechtigt ist. Wir halten diese Entscheidung für mehr als richtig. Es mag im Einzelfall auf jeden Fall Fälle geben, in denen ein wettbewerbswidriges Handeln so weitreichend ist, dass dem Abmahner ein echter Schaden entsteht. Bei den “üblichen Verdächtigen” im Rahmen des Internethandels, bspw. falsche Widerrufsbelehrung, AGB etc., dürfte dies jedoch eher selten sein.

Ihre Ansprechpartner: Rechtsanwalt Johannes Richard und Rechtsanwalt Andreas Kempcke, Rostock

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