widerrufsrecht-bei-kundenspezifikation

Ausschluss des Widerrufsrechtes bei Kundenspezifikation: Beginn der Anfertigung der Ware ist nicht Voraussetzung (OLG Stuttgart)

Eine wichtige Regelung zum Ausschluss des Widerrufsrechtes ist die sogenannte Kundenspezifikation gem. § 312 g Abs. 2 Nr. 1 BGB. Ein Widerrufsrecht besteht demzufolge nicht bei

Verträgen zur Lieferung von Waren, die nicht vorgefertigt sind und für deren Herstellung eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher maßgeblich ist oder die eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnitten sind.

Nicht abschließend geklärt ist die Frage, ob der Unternehmer bereits mit der Herstellung der individualisierten Ware begonnen haben muss, damit das Widerrufsrecht quasi in diesem Augenblick erlischt.

OLG Stuttgart: Beginn der Anfertigung der Ware ist nicht notwendig

Das Oberlandesgericht Stuttgart (OLG Stuttgart, Urteil vom 19.09.2017, Az: 6 u 76/16) hat sich näher mit dieser Frage befasst. Das OLG hat entschieden, dass der Ausnahmetatbestand, d. h. das Nichtbestehen des Widerrufsrechts nicht voraussetzt, dass der Unternehmer mit der Anfertigung der Ware bereits begonnen hat. Nach Ansicht des OLG gehört der Ausschluss des Widerrufsrechtes bei einer Kundenspezifikation zu einer Fallgruppe, bei dem der Verbraucher ein Widerrufsrecht von Anfang an nicht zusteht. “Es entspricht folglich nicht der Vorstellung des Gesetzgebers, dass zunächst ein Widerrufsrecht besteht, das erst erlischt, wenn die bestellte Ware nach den Wünschen des Kunden hergestellt oder mit der Herstellung zumindest begonnen wurde” so das OLG. Zur Begründung führt das OLG aus, dass es durchaus Fälle gibt, in denen das Widerrufsrecht erst später entfällt. Hierzu gehören bspw. Verträge zur Lieferung versiegelter Waren, wenn die Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde. Hier besteht anfänglich ein Widerrufsrecht, dass dann später entfällt.

Gegen diese Auslegung spricht nach Ansicht des OLG auch nicht die Aspekte des Verbraucherschutzes. So wurde bspw. zum Teil argumentiert, dass der Unternehmer erst bereits während des Herstellungsprozesses einen erheblichen Nachteil haben kann, weil er erst dann die Ware nicht anderweitig absetzen kann. Dies ließ das OLG nicht gelten, da es um Umstände geht, die ausschließlich in der Sphäre des Unternehmers liegen und in die der Verbraucher keinen Einblick hat.

In der Praxis hätte dies zur Folge, dass beim Angebot von Waren, die der Kundenspezifikation unterliegen, ein Widerrufsrecht von Anfang an nicht besteht.

Abschließend geklärt ist die Frage leider noch nicht, da das OLG Stuttgart die Revision zugelassen hat. Ggf. wird sich der BGH mit dieser Frage beschäftigen.

Stand: 05.10.2017

Es berät Sie: Rechtsanwalt Johannes Richard

 

https://ssl-vg03.met.vgwort.de/na/211b797a13944e40a4e0a4c4222d8348