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Schadensersatzanspruch bei unberechtigter Abmahnung?

 

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Nicht alle Abmahnungen, die im Bereich Wettbewerbsrecht, Markenrecht oder Urheberrecht ausgesprochen werden, sind begründet. Aus der Praxis kennen wir Fälle, in denen ein Wettbewerbsverhältnis erst gar nicht besteht (der Abmahner bietet keine gleichen oder ähnlichen Waren oder Dienstleistungen an, wie der Abgemahnte), der Anspruch schlichtweg unberechtigt ist oder die überwiegende Rechtsprechung davon ausgeht, dass der Anspruch nicht besteht. Auch schlichtweg Flüchtigkeitsfehler, gerade bei Vielfachabmahnern, durch die ein Sachverhalt behauptet wird, der gar nicht gegeben ist, kommen vor.

Der Abgemahnte selbst muss sich somit anwaltlicher Hilfe bedienen, um diese Fragen klären und gegebenenfalls auf die Abmahnung reagieren zu können.

Sollte sich die Abmahnung dann tatsächlich als unberechtigt herausstellen, stellt sich die Frage, was mit den Kosten ist, die der Abgemahnte für die anwaltliche Beratung aufwenden musste.

Im Gegensatz zur unberechtigten Schutzrechtsverwarnung im Markenrecht, in der die Rechtsprechung zur Erstattung der Anwaltskosten, die der Abgemahnte aufzuwenden hatte, relativ eindeutig ist, sieht die Rechtslage im Bereich des Wettbewerbsrechtes etwas anders aus.

Ein Teil der und Literaturmeinung in diesem Bereich nimmt an, dass allein auf Grund der Tatsache, dass eine Abmahnung unberechtigt ist, ein Schadensersatzanspruch (Erstattung von Anwaltskosten) nicht gegeben ist (so bspw. OLG Köln).

Zunächst einmal sind unberechtigte wettbewerbsrechtliche Abmahnungen in der Regel nicht wettbewerbswidrig. Der Abmahner muss sich nicht durch sachlich oder rechtliche Zweifel von einer Abmahnung abhalten lassen (BGH Kaugummikugeln). Anderenfalls würde das vom Gesetzgeber organisierte private System der Verfolgung von Wettbewerbsverstößen gefährdet werden. Zudem kann der abgemahnte Wettbewerber die Rechtslage durch eine negative Feststellungsklage klären lassen.

Unberechtigte wettbewerbsrechtliche Abmahnungen können jedoch gemäß § 4 Nr. 10 als sogenannter Behinderungswettbewerb für sich genommen schon wettbewerbswidrig sein, wenn zusätzliche unlautere Umstände hinzutreten. Hierbei kommt es jedoch auf den Einzelfall an. In der Praxis sind diese Fälle eher selten. Eine unberechtigte Abmahnung ist nicht schon wegen Androhung der üblichen gerichtlichen Schritte wettbewerbswidrig. Gleiches gilt auch für eine fehlende oder unverständliche Begründung. Etwas anderes gilt bei Vielfachabmahnungen oder bei Abmahnungen, die gezielt der Erzielung von Einnahmen aus Vertragsstrafen dienen.

Auch Ansprüche aus der Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gemäß § 823 Abs. 1 BGB werden durch die Rechtsprechung nicht anerkannt.

Zum Teil wird angenommen, dass ein Anspruch auf Schadensersatz sich aus § 678 BGB ergeben könnte. Im alten Wettbewerbsrecht wurde die Kostenerstattung damit begründet, dass die Abmahnung als Geschäftsführung ohne Auftrag im Interesse des Abgemahnten erfolgt, um ein gerichtliches Verfahren zu vermeiden. Bei einer unberechtigten Abmahnung besteht dieser mutmaßliche Wille des Abgemahnten nicht, so dass sich hieraus ein Schadensersatzanspruch nach § 678 BGB ergeben könnte. Entscheidend dürfte hierbei die Erkennbarkeit der Unbegründetheit der Abmahnung sein.

Immer mehr Gerichte, nicht zuletzt vor den Abmahnwellen im Internet, nehmen mittlerweile Schadenersatzansprüche gegenüber unberechtigten Abgemahnten an.

Genau mit dieser Begründung hat das Amtsgericht Bonn (AG Bonn, Urteil vom 29.04.2008, Az. 2 C 525/07) einem Abgemahnten Schadensersatz zugesprochen. Hintergrund der Abmahnung war, dass in der Anbieterkennzeichnung nicht die Anschrift der zuständigen Aufsichtsbehörde angegeben war. Das Amtsgericht hatte ein Übernahmeverschulden gemäß § 678 BGB für den Abmahner angenommen und ferner behauptet, dass der Abmahner dies bei Anwendung gehöriger Sorgfalt hätte auch erkennen müssen. Daher hatte der Abmahner die notwendigen Rechtsanwaltskosten des Abgemahnten zu tragen.

Das Landgericht Hamburg hat mit Entscheidung vom 21.11.2008, Az. 310 S 1/08 ebenfalls Schadenersatzansprüche zuerkannt. Hintergrund war offensichtlich eine urheberrechtliche Abmahnung, bei der jedoch eine falsche IP-Adresse mitgeteilt worden war. Ähnlich sieht es wohl grundsätzlich auch das OLG Hamburg.

Auch das OLG München sieht dies ähnlich (Beschluss vom 08.01.2008, Az. 29 W 2738/07). Hintergrund war der nicht seltene Fall, dass ein Markenrechtsinhaber den Verkauf von Textilien bei eBay abgemahnt hatte, wobei der Verkäufer in vier Jahren nur 25 Verkäufe vorgenommen hatte. In diesem Fall bestehen erhebliche Zweifel an einem sogenannten Handeln im geschäftlichen Verkehr.

Im Gegensatz zu früheren Zeiten, in denen sowohl in der Rechtsprechung, wie auch in der Kommentarliteratur eigentlich anerkannt war, dass Schadensersatzansprüche wegen unberechtigter Abmahnungen nur bei Kennzeichenrechtsverletzung geltend gemacht werden können, tendiert die Rechtsprechung somit in letzter Zeit dazu, bei offensichtlich unberechtigten Abmahnungen Schadenersatzansprüche in Form von notwendigen Rechtsanwaltskosten für eine anwaltliche Vertretung des Abgemahnten zuzusprechen. Dies ist wohl nicht zuletzt den massenhaften und zum Teil sehr unsorgfältigen Internetabmahnungen geschuldet.

Sehr streng ist bei der Frage der Erstattung von Rechtsanwaltskosten bei einer unberechtigten Abmahnung das bei wettbewerbsrechtlichen Internetverstößen sehr beliebte OLG Hamm. Das OLG Hamm hat mit Urteil vom 18.02.2010, Az.: 4 U 158/09, quasi ohne Wenn und Aber die Verteidigungskosten gegen eine unberechtigte Abmahnung zurückgewiesen und noch einmal alle oben genannten Punkte zusammengeführt.

Nach Ansicht des OLG ist der Abgemahnte nicht verpflichtet, sich überhaupt zu melden oder eine Gegenabmahnung vorzunehmen. Der Abgemahnte kann auf Grund einer negativen Feststellungsklage vorgehen. Eine Antwortpflicht des Abgemahnten besteht nicht.

Auch eine Erstattung der Kosten unter dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag komme nicht in Betracht. Die bloße Verteidigung gegen die Abmahnung entsprach in keiner Weise dem mutmaßlichen Willen des Abgemahnten und auch nicht seinem Interesse. Auch weitere Ansprüche wurden kurz abgebügelt, nämlich sowohl die gezielte Behinderung, die für sich genommen schon wettbewerbswidrig sein kann gemäß § 4 Nr. 10 UWG, der Schadenersatzanspruch nach § 9 UWG sowie der Eingriff in den Gewerbebetrieb nach § 823 Abs. 1 BGB.

Unabhängig davon, wie sich die Rechtslage zur Erstattungsfähigkeit von Rechtsanwaltskosten bei der rechtsanwaltlichen Vertretung von unberechtigt Abgemahnten gestaltet, empfehlen wir, sich hiervon bei Vorliegen einer Abmahnung nicht von einer anwaltlichen Beratung abhalten zu lassen, da hierdurch oftmals zum einen die Rechtslage geklärt und zum anderen weiterer Schaden und weitere Kosten vermieden werden können.

Ihre Ansprechpartner: Rechtsanwalt Johannes Richard und Rechtsanwalt Andreas Kempcke, Rostock

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