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Schadenersatz wegen Betrug: Wenn ein Rechtsanwalt ohne Auftrag abmahnt

Es gibt Vielfachabmahnungen und es gibt betrügerische Abmahnungen. Letztere sind eher selten. Noch seltener ist es, dass diese ihren Weg zu Gericht finden.

Das Amtsgericht Warstein (AG Warstein, Urteil vom 13.09.2012, Az.: 3 C 408/11) hat einen Rechtsanwalt auf Schadenersatz verurteilt, weil er wettbewerbsrechtliche Abmahnungen aussprach, ohne von dem Abmahner hierfür ein entsprechendes Mandat erhalten zu haben. Geklagt hatte der Abgemahnte, der eine Unterlassungserklärung abgegeben und Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 776,65 Euro gezahlt hatte.

In dem Verfahren wurde die vermeintliche Mandantin des Rechtsanwaltes als Zeugin gehört. Diese hat lediglich angegeben, den Rechtsanwalt im Rahmen seines “Abmahnschutzbriefes” beauftragt zu haben. In der Beweiswürdigung über die angebliche Abmahnerin, die den Rechtsanwalt nie beauftragt hatte, heißt es in dem Urteil:

“Damit zeigte sie sich weniger von einem Aussageziel, als von starken Emotionen geprägt. Diese Emotionen sowie die Intensität, mit der die Mandantin nach Angaben auch des Beklagten im Internet durch aktive Ansprache von ihm Abgemahnter aktiv ihre Behauptung verbreitet, lassen sich nachvollziehbar mit ihrer Verärgerung, ja Wut und Verzweiflung angesichts des von ihr behaupteten “Missbrauchs” ihres Namens und ihrer Blanko-Vollmachten und des dadurch bedingten wirtschaftlichen Schadens erklären.”

Ebenfalls interessant:

“Gestützt wird die Aussage der Zeugin durch die Angaben der Bürovorsteherin, wonach der Mandantin über lange Zeit keine Abrechnung über die von ihr zu zahlenden Honorare des Beklagten, die für sie vereinnahmten und für sie verauslagten Gelder erteilt worden ist. Angesichts des angesprochenen Umfangs entsprechender Verbindlichkeiten und Zahlungen ist das bei einer professionell geführten Rechtsanwaltskanzlei nicht nachvollziehbar.”

So sieht es wohl in der Praxis aus, wenn der abmahnende Rechtsanwalt in die eigene Tasche wirtschaftet.

Es scheint wohl so gewesen zu sein, dass die Abmahnerin drei Blanko-Vollmachten ausgestellt hatte, die Anzahl der Abmahnungen jedoch weitaus höher war.

Alles Lüge?

Auf der anderen Seite ist das Gericht wohl nicht von dem Wahrheitsgehalt der Aussage der als Zeugin gehörten Bürovorsteherin überzeugt. Insofern heißt es in der Entscheidung:

“Durchgreifende Zweifel ergeben sich auch nicht aus der Aussage der als Zeugin gehörten Bürovorsteherin des Beklagten. Das Gericht ist überzeugt, dass deren Aussage, die Mandantin habe am 10.02.2011 angerufen und den Auftrag zur Überprüfung einer Werbeanzeige gegeben, falsch ist.”

Nicht umsonst heißt es in der Entscheidung dann:

“Die Bürovorsteherin und der Beklagte erweckten den Eindruck, eine abgestimmte Erklärung “unterbringen” zu wollen, indem zunächst der Beklagte in Abwesenheit der Zeugin sodann das Gericht dadurch überraschten, dass sie eine Frage des Gerichtes nicht unmittelbar beantworteten, sondern die nicht unmittelbar fragebezogene Erklärung abgaben, wenn der Abmahner eine Unterlassungserklärung nicht abgegeben habe, habe der Beklagte mit der Mandantin telefonisch geklärt, ob eine Unterlassungsverfügung beantragt werden solle. (…) Auf Grund einer Gesamtwürdigung der dargelegten Umstände geht das Gericht von einer abgestimmten falschen Einlassung der Bürovorsteherin und des Beklagten aus.”

Wir können nur vermuten, dass es eine der mündlichen Verhandlungen vor einem Zivilgericht war, die spannend wie ein Krimi waren. Derartige Beweiswürdigungen sind gerade vor einem Amtsgericht eher selten, in dieser Ausführlichkeit jedoch nicht weiter verwunderlich, da die Anspruchsgrundlage letztlich eine unerlaubte Handlung gemäß § 823 BGB in Verbindung mit § 263 Strafgesetzbuch (Betrug) ist.

Ob sich nunmehr auch noch die Staatsanwaltschaft um die Angelegenheit kümmert (hier ging es nur um Zivilrecht), ist uns nicht sicher bekannt. Wir können dies jedoch nur vermuten.

Fazit

Massenabmahnungen dieser Art, dass nämlich der Anwalt tatsächlich komplett auf eigene Rechnung arbeitet und der Abmahner an sich Aufträge in diesem Umfang gar nicht erteilt hat, sind eher selten bzw. nur sehr schwer nachzuweisen. Wer seinen guten Namen für derartige Aktionen hergibt, und sei es auch nur durch das Ausstellen von ein paar “Blanko-Vollmachten”, darf sich nicht wundern, wenn sein Ruf im Internet schnell ruiniert ist.

Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Johannes Richard, Rostock

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