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Warum eine Abmahnung rechtsmissbräuchlich sein kann, wenn die geforderte Unterlassungserklärung schlecht formuliert ist (LG Berlin)

In vielen der von uns betreuten Verfahren bestehen Anhaltspunkte dafür, dass es bei dem Ausspruch der Abmahnung weniger um den lauteren Wettbewerb geht, als vielmehr darum, Einnahmen zu erzielen oder dem Abgemahnten wirtschaftlich zu schaden. Eine Verteidigung gegen eine solche Abmahnung unter Berufung auf den sogenannten Rechtsmissbrauchseinwand ist jedoch in aller Regel schwierig, weil die Gerichte in entsprechenden Fällen sehr hohe Anforderungen stellen. Umso erfreulicher ist es, wenn ein Gericht in einem derartigen Fall auch tatsächlich einmal Abmahner sehr deutlich in die Schranken weist. Dies hat das Landgericht Berlin in einer aktuellen Entscheidung getan (Landgericht Berlin, Urteil vom 09.09.2014, Az.: 102 O 21/14, noch nicht rechtskräftig).

Typische Ausgangsituation: Berechtigte Vorwürfe

In den allermeisten Fällen sind die mit einer wettbewerbsrechtlichen Abmahnung erhobenen Vorwürfe in der Sache selbst berechtigt, so dass eine Verteidigung gegen die erhobenen Vorwürfe keine Aussicht auf Erfolg verspricht. Damit bleibt für die Rechtsverteidigung dann nur der Rechtsmissbrauchseinwand. Da die Kosten einer gerichtlichen Auseinandersetzung um die streitgegenständlichen Unterlassungsansprüche jedoch schnell mehrere tausend Euro kosten kann, möchten viele Abgemahnte ein solches Verfahren aus nachvollziehbaren Gründen vermeiden. In einer Konstellation kann es dann angeraten sein, eine Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung mit dem Hinweis abzugeben, dass die Abgabe der Erklärung ohne Anerkennung einer diesbezüglichen Rechtspflicht, jedoch gleichwohl rechtsverbindlich erfolgt. Dies bedeutet, dass der Abgemahnte gerade nicht anerkennen will, dass die Abmahnung berechtigt war, sondern dass er lediglich eine kostenintensive gerichtliche Auseinandersetzung wegen der Unterlassungsansprüche vermeiden möchte. Der Vorteil dieser Vorgehensweise liegt darin, dass man sich anschließend noch um die Abmahnkosten streiten kann. Hierzu hat das Landgericht Berlin ausgeführt:

“Dass der Beklagte vorgerichtlich eine Unterlassungserklärung abgegeben hat, war insoweit unschädlich, da dies ausdrücklich ohne Anerkennung einer Rechtspflicht geschehen ist. Damit konnte diese Erklärung vorliegend keine präjudizielle Wirkung entfalten.”

Indizien für Rechtsmissbrauch aus der geforderten Unterlassungserklärung

Mit einer Abmahnung wird üblicherweise eine Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung gefordert. Nach unserer Erfahrung sind viele Unterlassungserklärungen jedoch zu einseitig zugunsten der Abmahner gefasst. Ob dies immer (böse Absicht) oder einfach nur Nachlässigkeit ist, ist mitunter schwer zu beurteilen. Tatsache ist jedoch, dass eine schlecht formulierte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung für den Abgemahnten ganz erhebliche Haftungsrisiken birgt. Unabhängig hiervon enthalten die von Abmahnern geforderten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärungen nach unserer Erfahrung immer wieder auch  Verpflichtungen, die zumindest diskussionswürdig sind und genau solch einen Fall hatte das Landgericht Berlin zu entscheiden. In der Sache selbst ging es um eine Abmahnung gegen über einen Anbieter, der bei eBay als privater Verkäufer aufgetreten war, obwohl er in größerem Umfange Tablet-PCs anbot. Der in dem Abmahnschreiben erhobene Vorwurf war insoweit jedoch recht wage gehalten.

“In der Folge versuchen Sie, sich u.a. Beachtung der gesetzlichen Hinweispflichten (z.B. Widerrufsrechte) zu “ersparen”.

Bereits diese Fassung des erhobenen Vorwurfes gab Anlass, die Angelegenheit näher zu betrachten.

Wie sich herausstellte, war die Unterlassungsverpflichtung in der geforderten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung nicht weniger problematisch gefasst:

“Es ab sofort zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr gegenüber Verbrauchern (…) Waren zu verkaufen, ohne den Verbraucher auf seine gesetzlichen Rechte, wie das Widerrrufsrecht hinzuweisen, ohne sonstige gesetzliche Informationspflichten zu erfüllen, jeweils wie bspw. unter eBay-Artikelnummer: … geschehen.”

Bei einer derart vagen Fassung der Unterlassungsverpflichtung stellt man sich natürlich ganz unwillkürlich die Frage, ob es nicht noch etwas unkonkreter geht. Derartige Formulierungen können wir eigentlich nur von Anwaltskollegen, die normalerweise in anderen Rechtsgebieten tätig sind. Der Rechtsanwalt des Abmahners in dem vorliegenden Verfahren tritt jedoch ausdrücklich als Anwalt für Urheber- und Medienrecht sowie gewerblichen Rechtsschutz auf. Da mögen wir dann kaum noch von Nachlässigkeit ausgehen. Das Landgericht Berlin übrigens auch nicht:

“Der Beklagte rügt darüber hinaus zurecht, dass die zu Punkt a. (Ziffer 2) vorgesehene Formulierung für die von ihm zu übernehmende Unterlassungsverpflichtung derart unscharf gefasst ist, das weitgehend offen bleibt, bei welchen Informationspflichten genau eine Nichterfüllung durch den Beklagten die vereinbarte Vertragsstrafe auslösen sollte. Hier eröffnete sich für den Kläger ein entsprechend weiter Beurteilungsspielraum, zumal die Abmahnung selbst auch lediglich auf die in den eBay-Angeboten des Beklagten fehlende Widerrufsbelehrung hinwies.”

Damit hat das Landgericht Berlin eines der zentralen Probleme zu unkonkret gefasster Unterlassungserklärungen aufgegriffen. Hätte der Abgemahnte die geforderte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung in dieser Form unterschrieben, so wäre die Reichweite der Unterlassungsverpflichtung letztlich vollkommen unklar gewesen, so dass im Falle eines Verstoßes des Beklagten gegen “gesetzliche Informationspflichten” ein Streit über die Verwirkung von Vertragsstrafenansprüchen vorprogrammiert gewesen wäre. Dieser Streit wäre für den Abmahner indes recht lukrativ gewesen, denn die geforderte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung sah eine feste Vertragsstrafe in Höhe von 7.500,00 Euro vor. Auch hierzu fand das Landgericht Berlin deutliche Worte:

“Dass es dem Kläger neben der Beseitigung des wettbewerbswidrigen Verhaltens durch den Beklagten – auch – um die Erzielung von Einnahmen ging, ergab sich vorliegend bereits aus dem Umstand, dass die der Abmahnung beigefügte, vorformulierte Unterlassungserklärung für den Fall schuldhaften Zuwiderhandlungen die Zahlung einer Vertragsstrafe von 7.5000,00 Euro vorsah. Eine Vertragsstrafe in dieser Höhe war als überhöht anzusehen, da sie die Obergrenze der üblicherweise verlangten Strafzahlungen deutlich überschreitet. Insbesondere war nicht zu erkennen, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien die Festsetzung eines solchen Betrages rechtfertigen konnten, um den Beklagten von weiteren Rechtsverstößen abzuhalten und der weiteren Funktion einer Vertragsstrafe als Realisierung eines pauschalen Schadenersatzanspruches gerecht zu werden. Zwar war der Beklagte nicht verpflichtet, eine Erklärung mit dem vom Kläger vorgesehenen Inhalt abzugeben, dieser Umstand kann jedoch nicht das Verlangen nach Abgabe einer Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung rechtfertigen, die mit einer unangemessen hohen Vertragsstrafe bewehrt ist.”

Weiteres Indiz für Rechtsmissbrauch: Unangemessen kurze Frist zur Abgabe der Unterlassungserklärung

In dem vorliegenden Verfahren datierte das Abmahnschreiben vom 10.12.2013. Die Frist zur Abgabe der Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung ist jedoch bereits auf den 13.12.2013, 16.00 Uhr, gesetzt worden. Auch hierzu fand das Landgericht Berlin deutliche Worte:

“Schließlich war als weiteres Indiz zu berücksichtigen, dass der Kläger-Vertreter dem Beklagten eine unangemessen kurze Frist zur Abgabe der Unterlassungserklärung von lediglich 2 Tagen gesetzt hat. Zwar führt eine zu kurze Frist – lediglich – dazu, dass der Lauf einer angemessenen Frist in Gang angesetzt wird. Allerdings wird der in  Anspruch genommene Verletzer durch eine sehr knapp bemessene Reaktionszeit unter Druck gesetzt und ihm wird ggf. die Möglichkeit beschnitten oder genommen, Rechtsrat einzuholen. Dieser Umstand fiel hier angesichts der Zuvielforderungen des Klägers in der vorgeschlagenen Unterlassungserklärung besonders ins Gewicht. Insbesondere wurde auch der in Abmahnung enthaltene Hinweis auf mögliche Modifikationen dieser Erklärung durch den Beklagten entwertet, da nicht unwahrscheinlich war, dass dieser aufgrund des künstlich erzeugten Zeitdruckes die vorgeschlagene Erklärung abgeben würde.”

Fazit

Eine anwaltliche Beratung zu einer Abmahnung lohnt nach unserer Erfahrung immer. Dies gilt insbesondere dann, wenn aus dem Abmahnschreiben nicht einmal ganz deutlich wird, welche Vorwürfe eigentlich erhoben werden. Das Urteil zeigt im Übrigen eindrucksvoll auf, dass ein Rechtsmissbrauch nicht nur bei einer Massenabmahnung vorliegen kann, sondern bereits bei einer einzigen Abmahnung. Das Urteil ist zwar noch nicht rechtskräftig, der Abmahner dürfte es aber schwer haben, in der Berufungsinstanz eine andere Entscheidung herbeizuführen.

Wir beraten telefonisch bundesweit Abgemahnte, selbstverständlich auch kurzfristig.

Stand: 15.09.2014

Ihre Ansprechpartner: Rechtsanwalt Johannes Richard und Rechtsanwalt Andreas Kempcke

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