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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

I ZR 222/02 Verkündet am:

16. Dezember 2004

a) Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Werbung im Internet irreführende

Angaben enthält, ist wie auch sonst auf das Verständnis eines durchschnittlich

informierten und verständigen Verbrauchers abzustellen, der der Werbung

die der Situation angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringt. Die

besonderen Umstände der Werbung im Internet wie insbesondere der Umstand,

daß der interessierte Internet-Nutzer die benötigten Informationen

selbst nachfragen muß, sind bei der Bestimmung des Grades der Aufmerksamkeit

zu berücksichtigen.

b) Ob mehrere Angaben auf verschiedenen Seiten eines Internet-Auftritts eines

werbenden Unternehmens von den angesprochenen Verkehrskreisen

als für den maßgeblichen Gesamteindruck der Werbung zusammengehörig

aufgefaßt werden, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles.

BGH, Urt. v. 16. Dezember 2004 – I ZR 222/02 – OLG Düsseldorf

LG Düsseldorf

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung

vom 16. Dezember 2004 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann

und die Richter Pokrant, Dr. Büscher, Dr. Schaffert und Dr. Bergmann

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 20. Zivilsenats des

Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 9. Juli 2002 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch

über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin vertreibt als Tochterunternehmen eines weltweit tätigen

Konzerns unter dem Namen “EPSON” neben verschiedenen Druckermodellen

auch Druckerzubehör, insbesondere Tintenpatronen für Tintenstrahldrucker.

Die Beklagte zu 2, eine AG, deren Vorstand die Beklagte zu 1 ist, vertreibt

unter dem Domain-Namen “www.toner-online.de” Verbrauchsmaterialien für Drucker und Kopiergeräte verschiedener Hersteller, und zwar sowohl solche

Verbrauchsmaterialien, die von den Herstellern der Drucker und Kopiergeräte

selbst, als auch solche, die von anderen Unternehmen hergestellt werden.

Der Internet-Auftritt der Beklagten ist so gestaltet, daß sie im Internet mit

der von der Klägerin als Anlage K 2 eingereichten “Titelseite” werben:

<Grafik>

Bei einem Klick auf den in der oberen Leiste befindlichen Link “info” erscheint

eine mit “Über toner-online” überschriebene Seite (Anlage K 3):

<Grafik>

Klickt der Nutzer dagegen auf der “Titelseite” auf den Link “Tintenstrahldrucker”,

so wird er zu einer “Herstellerliste” (Anlage K 4) geführt:

Durch einen weiteren Klick auf die Angabe “EPSON Tinte” wird er zu der

Seite “Epson Tintenstrahldrucker” (Anlage K 5) weitergeleitet:

<Grafik>

Wählt er sodann aus der auf dieser Seite enthaltenen Liste durch Anklikken

ein Produkt aus, gelangt er zu einer Seite mit der Abbildung des entsprechenden

Produkts. Beispiele solcher Produktseiten hat die Klägerin als Anlagen

K 6 bis K 8 vorgelegt, wobei die Beklagte bestritten hat, zu dem von der Klägerin

behaupteten Zeitpunkt (18.1.2001) noch in der Zeile “Geräte Ident. Nr.:” die

Original-Artikelnummern der Firma Epson angegeben zu haben:

Die Klägerin hat den Internet-Auftritt der Beklagten – neben der Geltendmachung

in der Revisionsinstanz nicht mehr anhängiger Ansprüche wegen der

Nennung der Original-Artikelnummern – als irreführende Werbung beanstandet.

Sie hat geltend gemacht, der Verkehr werde irregeführt, weil die Bezeichnung

“Epson Tinte” in der “Herstellerliste” gemäß Anlage K 4 den unzutreffenden

Eindruck erwecke, daß die nachfolgend angebotenen Tintenpatronen von der

Klägerin stammten.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagten zu verurteilen,

es zu unterlassen, im Internet Tintenpatronen für EPSON-Drucker,

die nicht von der Seiko EPSON Corporation hergestellt worden

sind, im Rahmen einer Bestelliste zu bewerben, die unter dem Link

“EPSON Tinte” erreicht werden kann.

Ferner hat sie die Verurteilung der Beklagten zur Auskunftserteilung und

die Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht begehrt.

Das Landgericht hat die Beklagten antragsgemäß verurteilt.

In der Berufungsinstanz hat die Klägerin ihren Unterlassungsantrag weiterverfolgt,

auf Anregung des Berufungsgerichts allerdings mit der Maßgabe,

“daß insbesondere eine Bestelliste in der Folge der Anlagen K 2 bis

K 6 angegriffen werde.”

Das Berufungsgericht hat die Klage auf die Berufung der Beklagten abgewiesen.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer vom Senat – hinsichtlich des

oben wiedergegebenen Unterlassungsbegehrens sowie der hierauf zurückbezogenen

Ansprüche auf Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzpflicht

– zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen.

Entscheidungsgründe:

I. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Klägerin könne ein Verbot

der Werbung mit der Bezeichnung “EPSON Tinte” auch nach Maßgabe des in

der Berufungsinstanz an der konkreten Verletzungsform ausgerichteten Antrags

nicht verlangen. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Es lasse sich für den konkreten Zusammenhang, in dem der Begriff

“EPSON Tinte” im Streitfall verwendet worden sei, nicht feststellen, der potentielle

Kunde gehe aufgrund dieser Bezeichnung davon aus, daß ihm von den

Beklagten Original-Tintenpatronen der Klägerin angeboten würden. Was zunächst

die angesprochenen Verkehrskreise betreffe, so sei von zwei Voraussetzungen

auszugehen. Zum einen komme es bei der Ermittlung des Verkehrsverständnisses

auf einen situationsadäquat durchschnittlich aufmerksamen,

informierten und verständigen Verbraucher an, wie es dem europäischen Verbraucherleitbild

entspreche. Zum andere handele es sich vorliegend um Benutzer

des Internets, von denen erwartet werden könne, daß sie insbesondere die

Technik des “Anklickens” beherrschten, mit der man sich als Kaufinteressent

die benötigten Informationen beschaffe. Der elektronische Geschäftsverkehr im

Internet sei anders als der normale Geschäftsverkehr auf einen “aktiven” Kaufinteressenten

ausgerichtet, der die benötigten Informationen nachfragen müsse.

Auch Wertungen des Gesetzgebers legten es nahe, bei Internet-Nutzern

mehr vorauszusetzen als beim Normalverbraucher. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 des

im Jahre 2001 noch geltenden Fernabsatzgesetzes habe der Unternehmer dem

Verbraucher rechtzeitig vor Abschluß eines Fernabsatzvertrags u.a. Informationen

über wesentliche Merkmale der Waren zu geben gehabt. Dazu habe es

aber schon nach den Gesetzesmaterialien ausgereicht, wenn die Informationen

in Internet-Seiten enthalten gewesen seien, aufgrund deren sich der Verbraucher zur Bestellung entschlossen habe. Vom Internet-Nutzer werde also grundsätzlich

erwartet, daß er sich über die wesentlichen Merkmale des Kaufgegenstands,

um die es auch hier gehe, anhand der gesamten Internet-Seiten des

Unternehmers informiere.

Aber auch hinsichtlich des Verständnisses der angesprochenen Verkehrskreise

gelte, daß es darauf ankomme, wie die Werbung “insgesamt” präsentiert

werde. Diesem Grundsatz stimme die Klägerin zwar zu, sie orientiere

diesen Gesamteindruck dann aber nur an einer Seite des Internet-Auftritts der

Beklagten, auf der die Bezeichnung “EPSON Tinte” vorkomme (Anlage K 4).

Ähnlich sei der – im Hinblick auf die Umstände unzulässig weit gefaßte – allgemeine

Teil des Unterlassungsantrags, der allein gestellt gewesen sei, allein auf

diesen Begriff fixiert, ohne Rücksicht darauf, in welchem Gesamtbild der Internet-

Werbung er gestanden sei. Es sei nicht zulässig, über die Eingangsseite

(Anlage K 2) oder die “info-Seite” (Anlage K 3) einfach mit der Begründung hinwegzugehen,

der Interessent werde darüber “hinwegklicken”. Diese Seiten seien

für das gesamte Bild der Werbung genauso wichtig wie diejenige, auf der die

Bezeichnung “EPSON Tinte” vorkomme.

Zum Gesamtbild der vorliegenden Internet-Werbung gehöre daher nicht

nur die Seite, auf der die Bezeichnung “EPSON Tinte” für “Epson Tintenstrahldrucker”

vorkomme. Zwar sei der Hinweis der Beklagten auf die Eingangsseite,

wo von “Zubehör, kompatibel, original” die Rede sei, nicht sonderlich überzeugend.

Denn dieser Hinweis werde wegen seines augenschädlichen Kleindrucks

am Ende der Seite tatsächlich mit großer Wahrscheinlichkeit übersehen. Beachtlich

sei aber die zweite Seite “Über toner-online” (Anlage K 2). Dort sei klar

unterschieden zwischen “Original-Produkten”, “die vom Druckerhersteller unter

seinem Namen angeboten werden”, und “kompatibel”, was ein “nicht vom

Druckerhersteller stammendes Produkt” kennzeichnen solle. Diese Hinweise wiederholten sich dann auf den Seiten, auf denen einzelne “kompatible” Produkte

angeboten würden (Anlagen K 6 bis K 8). Hinzu komme, daß die Klägerin

nicht einmal alle Internet-Seiten vorgelegt habe, von denen der Interessent vor

einer Bestellung Kenntnis habe nehmen müssen. So fehlte insbesondere die

letzte eigentliche Bestellseite; auch auf ihr könne es noch Klarstellungen gegeben

haben. Es sei gegenüber einem Internet-Nutzer, von dem angenommen

werden könne, daß er beispielsweise die “info-Seite” aufrufe, weil er mit den

Kopfzeilen “info, start, suchen, korb, zahlen” etwas anzufangen wisse, nicht

zulässig, eine “klarstellende Wirkung” allein von einer Seite zu fordern und die

übrigen Seiten des Gesamtauftritts außer Betracht zu lassen.

II. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision nicht stand. Auf der

Grundlage der bisherigen tatrichterlichen Feststellungen kann eine unlautere

irreführende Werbung (§§ 3, 5 UWG n.F.; § 3 UWG a.F.) durch die Bewerbung

von Tintenpatronen auf den unter dem Link “Epson Tinte” erreichbaren Internet-

Seiten der Beklagten nicht verneint werden.

1. Ob eine Werbung irreführende Angaben enthält, bestimmt sich, wie

das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, nach der Auffassung der

Verkehrskreise, an die sich die Werbung richtet (st. Rspr.; vgl. BGHZ 156, 250,

252 – Marktführerschaft). Dem Berufungsgericht ist weiter darin zu folgen, daß

sich die Werbung der Beklagten für die von ihr angebotenen Tintenpatronen an

den (privaten) Verbraucher richtet und demzufolge auf das Verständnis eines

durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers abzustellen ist, der

der Werbung die der Situation angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringt

(st. Rspr.; vgl. BGHZ 156, 250, 252 f. – Marktführerschaft, m.w.N.).

Anders als das Berufungsgericht wohl meint, ist von diesem Leitbild des

“Normalverbrauchers” auch bei einer Werbung im Internet auszugehen, wenn diese wie hier Waren des Bedarfs des allgemeinen Publikums betrifft. Die vom

Berufungsgericht angeführte Besonderheit des elektronischen Geschäftsverkehrs,

daß es sich beim Internet um eine passive Darstellungsplattform handelt,

bei der die angebotenen Informationen vom Nutzer “aktiv” abgerufen werden

müssen (vgl. auch BVerfG GRUR 2003, 966, 968 – Internet-Werbung von

Zahnärzten), rechtfertigt als solche nicht die Zugrundelegung eines anderen

Verbraucherleitbildes. Dem Umstand, daß der an einem Kauf interessierte Internet-

Nutzer die benötigten Informationen selbst nachfragen muß, wird vielmehr

schon dadurch Rechnung getragen, daß nicht (mehr) auf den flüchtigen

Betrachter, sondern auf denjenigen Verbraucher abzustellen ist, der sich der

betreffenden Werbeangabe mit der situationsbedingten Aufmerksamkeit zuwendet.

Bei der Bestimmung des Grades der Aufmerksamkeit sind die besonderen

Umstände der Werbung und des Vertragsschlusses im Internet zu berücksichtigen.

2. Die Beurteilung, ob eine Werbung irreführend ist, richtet sich maßgeblich

danach, wie der angesprochene Verkehr die beanstandete Werbung aufgrund

ihres Gesamteindrucks versteht (vgl. BGHZ 151, 84, 91 – Kopplungsangebot

I; BGH, Urt. v. 24.10.2002 – I ZR 100/00, GRUR 2003, 361, 362 =

WRP 2003, 1224 – Sparvorwahl; Baumbach/Hefermehl/Bornkamm, Wettbewerbsrecht,

23. Aufl., § 5 UWG Rdn. 2.88; Harte/Henning/Dreyer, UWG, § 5

Rdn. 102, 118).

a) Handelt es sich bei der fraglichen Werbung um mehrere Äußerungen,

so ist eine isolierte Beurteilung einer einzelnen Angabe geboten, wenn sie vom

Verkehr ohne Zusammenhang mit den übrigen wahrgenommen und verwendet

wird (Baumbach/Hefermehl/Bornkamm aaO § 5 UWG Rdn. 2.88). Dies kann

auch der Fall sein, wenn sich einzelne Angaben in einer einheitlichen Werbeschrift

(z.B. in einem Werbekatalog) befinden, aber weder sachlich noch äußerlich erkennbar miteinander verbunden oder aufeinander bezogen sind (vgl.

BGH, Urt. v. 13.2.2003 – I ZR 41/00, GRUR 2003, 800, 803 = WRP 2003, 1111

– Schachcomputerkatalog; Urt. v. 2.10.2003 – I ZR 252/01, GRUR 2004, 162,

163 = WRP 2004, 225 – Mindestverzinsung). Stehen die einzelnen Angaben

dagegen in einer in sich geschlossenen Darstellung, so dürfen sie nicht aus

ihrem Zusammenhang gerissen werden (vgl. BGH, Urt. v. 14.12.1995

– I ZR 213/93, GRUR 1996, 367, 368 = WRP 1996, 290 – Umweltfreundliches

Bauen). Ob mehrere Angaben innerhalb einer Werbeschrift oder einer sonstigen

(äußerlich einheitlichen) Werbedarstellung selbst bei einer gewissen räumlichen

Trennung (z.B. Abdruck auf verschiedenen Seiten eines umfangreichen

Katalogs) gleichwohl, beispielsweise wegen eines inhaltlichen Bezugs oder wegen

eines ausdrücklichen Verweises, als zusammengehörig aufgefaßt werden

oder ob dies nicht der Fall ist, richtet sich nach den Umständen des jeweiligen

Einzelfalls.

b) Diese Grundsätze gelten für die Werbung im Internet in entsprechender

Weise. Im Hinblick auf den mit dem Irreführungsverbot verfolgten Zweck,

Werbung zu untersagen, die in irgendeiner Weise die Personen, an die sie sich

richtet, täuscht oder zu täuschen geeignet ist und die infolge der ihr innewohnenden

Täuschung deren wirtschaftliches Verhalten beeinflussen kann (vgl.

Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie des Rates vom 10.9.1984 über irreführende Werbung

– 84/450/EWG, ABl. EG Nr. L 250 v. 19.9.1984, S. 17), ist auch bei der Verwendung

des Mediums Internet darauf abzustellen, ob die einzelnen Inhalte

von den angesprochenen Verkehrskreisen bei der Vornahme des in Rede stehenden

wirtschaftlichen Verhaltens als zusammengehörig angesehen und verwendet

werden. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts läßt sich weder

aus den (tatsächlichen) Besonderheiten des elektronischen Geschäftsverkehrs

noch aus den Wertungen des Gesetzgebers zum Fernabsatzgesetz allgemein

herleiten, von Internet-Nutzern werde erwartet, daß sie bei der Information über die wesentlichen Merkmale eines sie interessierenden Kaufgegenstands immer

die gesamten Internet-Seiten des anbietenden Unternehmens zur Kenntnis

nähmen. Ebensowenig wie dies für die Seiten einer gedruckten Werbeschrift

oder eines Katalogs gesagt werden kann, ist für die Internet-Werbung generell

die Annahme gerechtfertigt, daß alle Seiten des Internet-Auftritts eines im Internet

werbenden Unternehmens vom Verkehr als eine in sich geschlossene Darstellung

aufgefaßt und als zusammengehörig wahrgenommen werden.

aa) Der Umstand, daß der an einem Kauf im Internet interessierte Nutzer

die benötigten Informationen von sich aus “aktiv” nachfragen muß, rechtfertigt

nicht die Schlußfolgerung, er werde in jedem Falle sämtliche Seiten des Internet-

Auftritts des anbietenden Unternehmens zur Kenntnis nehmen. Der Kaufinteressierte

wird vielmehr erfahrungsgemäß nur diejenigen Seiten aufrufen, die

er zur Information über die von ihm ins Auge gefaßte Ware benötigt oder zu

denen er durch Links aufgrund einfacher elektronischer Verknüpfung oder

durch klare und unmißverständliche Hinweise auf dem Weg bis hin zum Vertragsschluß

geführt wird (vgl. BGH, Urt. v. 3.4.2003 – I ZR 222/00, GRUR 2003,

889, 890 = WRP 2003, 1222 – Internet-Reservierungssystem). Erhält er auf diese

Weise die aus seiner Sicht erforderlichen Angaben, hat er keine Veranlassung,

noch weitere Seiten des betreffenden Internet-Auftritts darauf zu untersuchen,

ob sie für ihn zusätzliche brauchbare Informationen enthalten.

bb) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den vom Berufungsgericht

angeführten Gesetzesmaterialien zur Regelung gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 des

Fernabsatzgesetzes. Die in der Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung

zu § 2 Abs. 2 FernAbsG enthaltene Wendung, es werde in der

Regel als rechtzeitig im Sinne dieser Vorschrift anzusehen sein, wenn die notwendigen

Informationen in Werbeprospekten, Katalogen “oder auf Web-Seiten

im Internet enthalten sind, aufgrund derer sich der Verbraucher zur Bestellung entschließt” (BT-Drucks. 14/2658, S. 38), drückt entgegen der Auffassung des

Berufungsgerichts nicht die Erwartung aus, der Internet-Benutzer werde sich

anhand der gesamten Internet-Seiten des anbietenden Unternehmens informieren.

c) Nach diesen Grundsätzen kann die Feststellung des Berufungsgerichts,

die beanstandete Werbung der Beklagten sei nicht irreführend, weil zu

ihrem Gesamtbild die auf der Seite gemäß Anlage K 3 (“Über toner-online”)

enthaltenen Angaben gehörten, aus Rechtsgründen keinen Bestand haben.

aa) Soweit das Berufungsgericht seine Feststellungen darauf gestützt

hat, zum Gesamtbild einer Internet-Werbung gehörten grundsätzlich sämtliche

Seiten des Internet-Auftritts des werbenden Unternehmens, widerspricht diese

Beurteilung, wie dargelegt wurde, der Lebenserfahrung.

bb) Das Berufungsgericht hat weiter darauf abgestellt, der Interessent

werde über die “info-Seite” (Anlage K 3) nicht “hinwegklicken”, weil diese für

das Gesamtbild der Werbung genauso wichtig sei wie die Seite gemäß Anlage

K 4, auf der sich die Bezeichnung “Epson Tinte” finde. Dem steht entgegen,

daß nach dem nicht bestrittenen Vortrag der Klägerin die “info-Seite” gemäß

Anlage K 3 nur dann aufgerufen wird, wenn der Interessent auf den auf der

oberen Leiste jeder Seite enthaltenen Link “info” klickt. Wählt der Interessent

dagegen auf der Eingangsseite (Anlage K 2) sogleich (und nur) den Link “Tintenstrahldrucker”,

kann er über den Link “Epson Tinte” auf der Herstellerliste

gemäß Anlage K 4 und über die Auswahl eines Produkts aus der auf der Seite

gemäß Anlage K 5 abgebildeten Liste zu einer Seite gemäß den Anlagen K 6

bis K 8 gelangen. Diese Seiten enthalten neben der Angabe des Preises und

der Lieferzeit für das abgebildete Produkt mit dem Link “in den Korb” die Aufforderung

zu einer Kaufentscheidung. Einen Hinweis darauf, daß vor dem Vertragsschluß über den Link “info” noch die Seite “Über toner-online” gemäß Anlage

K 3 aufgerufen werden müßte, läßt sich den Seiten gemäß den Anlagen

K 6 bis K 8 nicht entnehmen. Auch im übrigen läßt sich den vom Berufungsgericht

getroffenen Feststellungen nicht entnehmen, daß für den zum Kauf entschlossenen

Verbraucher aus anderen Gründen eine Veranlassung besteht, die

Seite “Über toner-online” aufzurufen.

cc) Zum Gesamteindruck der beanstandeten Werbung der Beklagten

gehören folglich entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht die auf

der Seite “Über toner-online” (Anlage K 2) enthaltenen Aussagen. Das Berufungsgericht

durfte schon aus diesem Grund – ungeachtet der weiteren Frage,

ob der angesprochene Verbraucher jedenfalls die Angaben auf den Seiten gemäß

den Anlagen K 4 und K 5 als mit denjenigen der jeweiligen Seite gemäß

den Anlagen K 6 bis K 8 als zusammengehörig versteht – die auf dieser Seite

gegebenen Erläuterungen, was unter “original” und “kompatibel” zu verstehen

sei, nicht bei der Feststellung berücksichtigen, wie die angesprochenen Verkehrskreise

den Begriff “kompatibel” auf den Internet-Seiten gemäß den Anlagen

K 6 bis K 8 verstehen. Seine Feststellung, der Verbraucher werde durch

die beanstandete Werbung nicht irregeführt, beruht auf den aufgezeigten Verstößen

gegen die Lebenserfahrung und kann somit keinen Bestand haben.

III. Das Berufungsurteil ist daher auf die Revision der Klägerin aufzuheben.

Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht

zurückzuverweisen. Das Berufungsgericht wird zunächst festzustellen

haben, welche Angaben auf den einzelnen Seiten des beanstandeten

Internet-Auftritts der Beklagten der angesprochene Verbraucher nach dem

sachlichen Zusammenhang sowie aufgrund der technischen Möglichkeiten des

Aufrufs (Links) als zusammengehörig auffaßt. Sodann wird es zu ermitteln haben,

wie der situationsadäquat durchschnittlich aufmerksame, informierte und

verständige Verbraucher den so festgestellten Gesamteindruck der beanstandeten

Werbung der Beklagten versteht.

Weiterhin wird im erneuten Berufungsverfahren die Auslegung des Unterlassungsantrags

mit den Parteien zu erörtern sein. Entgegen der Ansicht des

Berufungsgerichts bringt der Unterlassungsantrag auch in seiner geänderten

Fassung nicht zum Ausdruck, er richte sich nur gegen das konkret beanstandete

Verhalten. Nach dem Wortlaut des Unterlassungsantrags begehrt die Klägerin

nach wie vor ein allgemeines Verbot, im Internet Tintenpatronen für Epson-

Drucker, die nicht von Epson hergestellt worden sind, im Rahmen einer Bestellliste

zu bewerben, die unter dem Link “Epson Tinte” erreicht werden kann. Die

konkret beanstandete Art und Weise der Werbung wird durch den mit “insb, esondere”

eingeleiteten Antragsteil lediglich als Minus zu diesem umfassenderen

Unterlassungsantrag bezeichnet (vgl. BGH, Urt. v. 23.11.2000 – I ZR 195/98,

GRUR 2001, 350, 351).

Ullmann Pokrant Büscher

Schaffert Bergmann

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