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Ab dem 01.02.2017: So funktioniert die alternative Streitbeilegung in Deutschland und weshalb diese für Internethändler keinen Sinn macht

Am 25.02.2016 ist das “Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten und zur Durchführung der Verordnung über Online-Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten” (Verbraucherstreitbeilegungsgesetz – VSBG) im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden.

Eine konkrete alternative Streitbeilegung in Deutschland wird es ab dem 01.02.2017 geben.

Teil der alternativen Streitbeilegung (ADR) ist die Online-Streitbeilegungs-Plattform der EU (OS-Plattform). Die OS-Plattform, auf die Internethändler seit dem 09.01.2016 verlinken müssen, dient dazu, aufgrund einer Beschwerde eines Verbrauchers oder eines Unternehmers, eine Einigung auf eine jeweils nationale konkrete Streitbeilegungsstelle herbeizuführen. Wie die OS-Plattform genau funktioniert, haben wir bereits getestet. Somit ist die OS-Plattform für deutsche Verbraucher, die ein Problem mit einem deutschen Internethändler bspw. haben, zurzeit sinnfrei, weil die OS-Plattform der EU ihre Aufgabe diesbezüglich nicht erfüllen kann.

Bis zum 01.02.2017 besteht somit Zeit, dass sich private Verbraucherschlichtungsstellen gründen können. So wurde am 28.02.2016 im Bundesgesetzblatt die Verbraucherstreitbeilegungs-Informationspflichtenverordnung – VSBInfoV – verkündet, die die Voraussetzungen für konkrete Gründung bzw. Anerkennung von privaten Verbraucherschlichtungsstellen regelt.

Internethändler müssen sich letztlich entscheiden, ob sie an einer alternativen Streitbeilegung teilnehmen möchten. Eine Verpflichtung dazu gibt es nicht. Wir sehen eigentlich für Internethändler keine Vorteile.

Wie wird das deutsche Streitbeilegungsverfahren ablaufen?

Grundsätzlich können nicht nur Verbraucher sich über Unternehmer beschweren, es ist auch möglich, dass sich Unternehmer über Verbraucher beschweren. Letzteres wird wohl eher selten der Fall sein. Der Gesetzgeber regelt das konkrete Verfahren in Abschnitt 3 des VSBG.  So wird das AS-Verfahren ablaufen:

1. Antrag auf Durchführung eines Streitbeilegungsverfahrens

Gemäß § 11 VSBG ist ein Antrag notwendig in Textform (d.h. Email) unter Beifügung von Belegen.  Verfahrenssprache ist hierbei Deutsch. Weitere Sprachen sind möglich, wenn sich der Gegner darauf einlässt.

Es ist möglich, dass die Parteien (der Verbraucher oder der Unternehmer) sich durch einen Rechtsanwalt, etc. vertreten lassen können.

2. Liegen Ablehnungsgründe vor?

Der Streitmittler (die angerufene Verbraucherschlichtungsstelle) prüft zunächst die Zuständigkeit oder ob der Antrag offensichtlich ohne Aussicht auf Erfolg ist oder mutwillig erscheint. Unzulässig ist der Antrag auf Streitbeilegung insbesondere dann, wenn bei einer anderen Verbraucherschlichtungsstelle ein Verfahren anhängig ist oder ein Gericht in der Streitigkeit bereits eine Entscheidung getroffen hat. Eine mögliche Ablehnungsentscheidung muss innerhalb von drei Wochen nach Eingang des Antrages übermittelt werden.

Eine Aussetzung des Verfahrens ist möglich, wenn der Antragsgegner (in der Regel der Unternehmer) geltend macht, dass seit der Geltendmachung des Anspruches durch den Verbraucher in diesem Fall, ihm gegenüber nicht mehr als zwei Monate vergangen sind und der Unternehmer den streitigen Anspruch in dieser Zeit weder anerkannt noch abgelehnt hat. Auch ein Anerkenntnis des Anspruches führt zur zwingenden Ablehnung der Durchführung des Streitbeilegungsverfahrens.

3. Beendigung des Verfahrens auf Wunsch der Parteien

Wie immer in einem zivilgerichtlichen Verfahren entscheiden die Parteien, d.h. die Beteiligten über das Verfahren. Der Antragsteller kann seinen Antrag in der Zeit zurücknehmen oder der weiteren Durchführung des Verfahrens widersprechen. Auch der Antragsgegner, in der Regel der Händler, kann zum einen mitteilen, dass er an dem Streitbeilegungsverfahren nicht teilnehmen möchte, es gibt keine Verpflichtung daran teilzunehmen. Er kann auch, wenn es mittendrin unangenehm wird, mitteilen, dass er es nicht fortsetzen möchte.

4. Die Unterrichtung der Beteiligten

§ 16 VSBG regelt, dass die Parteien zu unterrichten sind über das Verfahren. Insbesondere wird es interessant, welche Informationen über die Kosten des Verfahrens mitgeteilt werden.

5. Rechtliches Gehör

Wie in einem normalen Zivilverfahren auch, haben die Parteien im Rahmen des rechtlichen Gehörs dann gemäß § 17 VSBG die Möglichkeit, sich zu der Sache zu äußern, sogar eine mündliche Verhandlung ist möglich sowie eine Mediation.

6. Das Ergebnis: Der Schlichtungsvorschlag

Ist das Verfahren ausgeschrieben, macht der Streitmittler einen Vorschlag zur Beilegung der Streitigkeit. Dieser Vorschlag muss aus der sich ergebenen Sachlage erfolgen und am geltenden Recht ausgerichtet sein. Insbesondere sollen zwingende Verbraucherschutzgesetze beachtet werden. Wie ein Urteil eines Zivilgerichtes auch, soll der Schlichtungsvorschlag mit einer Begründung versehen sein. In der Praxis bedeutet dies, dass der Streitschlichter nicht einfach so nach Gefühl entscheiden darf, sondern die Grundlage seiner Entscheidung – wie bei einem Gericht auch – schon dem deutschen Gesetz entsprechen soll.

Aus diesem Grund ist es nachvollziehbar, dass der Gesetzgeber vorgegeben hat, dass nur Volljuristen Streitschlichter sein können.

Schlichtungsvorschlag immer ein Vergleich?

Unter dem Strich geht es bei der Streitschlichtung tatsächlich um Schlichtung. Schon nach der Formulierung des Gesetzes scheint eine komplette Ablehnung oder eine komplette Stattgabe der Forderung des Beschwerdeführers nicht vorgesehen zu sein.

Wenn das Begehren des Verbrauchers komplett abgelehnt wird, wird man dies kaum Schlichtung nennen können. Wir können nur vermuten, dass das Ergebnis der Schlichtung in irgendeiner Form in der Regel ein Vergleichsvorschlag sein wird. Ein Vergleich bedeutet gegenseitiges Nachgeben. Oder anderes ausgedrückt: Ein Vergleich in guter Vergleich, wenn beide Parteien damit zufrieden oder beide Parteien damit unzufrieden sind.

Wie lange dauert das Verfahren?

Nach Eingang der vollständigen Beschwerdeunterlagen hat die Verbraucherschlichtungsstelle 90 Tage Zeit darüber zu entscheiden. Diese Frist kann bei besonders schwierigen Streitigkeiten oder mit Zustimmung der Parteien verlängert werden.

Wer zahlt das Verfahren?

§ 23 VSGB regelt, dass für den Fall, dass ein Unternehmer an einem Streitbeilegungsverfahren beteiligt ist, vom Verbraucher nur bei Missbrauch ein Entgelt von höchstens 30,00 Euro verlangt werden kann. In sonstigen Fällen kann die Schlichtungsstelle vom Verbraucher ein angemessenes Entgelt verlangen, wenn der Verbraucher auf die Kosten hingewiesen wird und der Verbraucher an dem Verfahren weiterhin teilnehmen will. Vom Unternehmer kann ein angemessenes Entgelt verlangt werden.

Wir werten dies letztlich so, dass der Unternehmer auf jeden Fall wird zahlen müssen. Ohnehin macht die Angelegenheit gebührenmäßig kaum Sinn. Bei der Universalschlichtungsstelle beträgt der Gebührenwert schon 190,00 Euro bei einem Streitwert bis einschließlich 100,00 Euro und 250,00 Euro bei Streitwerten bis 500,00 Euro.

Wie lange dauert das Ganze?

Nach Eingang des Antrages beim Streitmittler ist eine Ablehnung innerhalb von drei Wochen mitzuteilen, die Aufforderung zur Stellungnahme, wenn das Verfahren durchgeführt wird, beträgt weitere drei Wochen. Der Schlichtungsvorschlag soll innerhalb von 90 Tagen nach Eingang der vollständigen Beschwerdeakte erfolgen. Experten schätzen, dass sich die Gesamtverfahrensdauer somit auf fünf – sechs Monate erstrecken wird. Dieser Zeitraum entspricht dem durchschnittlichen Verfahren vor einem Amtsgericht in Zivilsachen. Falls die Schlichtung scheitert, kann der Beschwerdeführer immer noch zu Gericht gehen, so dass sich dann letztlich die Verfahrensdauer verdoppelt.

Wie sinnvoll ist die alternative Streitbeilegung in Deutschland für den Online-Handel?

Das Thema Streitbeilegung kommt aus der EU.

Anders als andere europäische EU-Staaten hat Deutschland ein sehr effektives und kostengünstiges Rechtssystem. Die Gerichtsbarkeit ist verbraucherfreundlich und transparent. Viele Verbraucher haben eine Rechtsschutzversicherung, es gibt die Möglichkeit zur Prozesskostenhilfe, zudem trägt der Verlierer eines zivilrechtlichen Verfahrens die Kosten des Rechtsstreites. In anderen EU-Ländern mag dies anders sein. Vor diesem Hintergrund gehen wir davon aus, dass die alternative Streitbeilegung vor einer AS-Stelle in Deutschland zumindest für den Internethandel keine besonders große Rolle spielen wird. Hinzu kommt, dass es keinerlei Verpflichtung für Internethändler gibt, in ein Streitbeilegungsverfahren einzuwilligen.
In anderen Branchen ist dies durchaus anders.

Bisher liegen nur die Kosten für ein Schlichtungsverfahren für die Universalschlichtungsstelle vor. Sieht man sich diese Zahlen an, kann man nur vermuten, dass der Internethändler im Fall eines Schlichtungsverfahrens schlichtweg draufzahlt. Hinzu kommt, dass “Schlichtung” ein zwingendes Nachgeben des Internethändlers beinhaltet. Nach unserer Erfahrung aus vielen Jahren der Beratung von Onlinehändlern ist die Rechtslage jedoch häufig eindeutig. Entweder der Verbraucher hat recht oder nicht. Wenn der Verbraucher recht hat, reagiert der Onlinehändler in den allermeisten Fällen serviceorientiert und kundenfreundlich. Das Problem hat sich dann erledigt. Die Fälle, die dann wirklich zu Gericht gehen liegen nach unserer Erfahrung daher im geringen Promillebereich. Da wir unseren Mandanten über die rechtliche Absicherung ihres Verkaufs hinaus auch für die alltäglichen rechtlichen Fragen in der Praxis zur Verfügung stehen, können wir dies gut beurteilen.

Wir sehen daher für Internethändler schlichtweg keine Vorteile, an einem Streitschlichtungsverfahren teilzunehmen.

Stand: 09.03.2016

Es berät Sie: Rechtsanwalt Johannes Richard

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