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LG Kempten: Rechtsmissbrauch bei vielen Abmahnungen unmittelbar nach Betriebsgründung und Anwaltsschriftsätzen aus Textbausteinen

Um einem Abmahner Rechtsmissbrauch nachweisen zu können, ist es nach unserer Erfahrung notwendig, ein Gesamtbild zu entwerfen, dass sich aus vielerlei Puzzlestücken zusammensetzt. Ein schönes Beispiel ist eine Entscheidung des Landgerichts Kempten (LG Kempten, Urteil vom 09.11.2016, Az: 23 O 1660/16).

Das Landgericht hatte Rechtsmissbrauch im Fall einer Vielfachabmahnung angenommen. Die einzelnen Indizien, die das Landgericht zu dieser Entscheidung führten, sind durchaus interessant.

Viele Abmahnungen unmittelbar nach Betriebsgründung

Der Abmahner hatte im Juli 2016 sein Gewerbe angemeldet. Bereits vier Monate später gab es bereits 16 Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, die vor Gericht anhängig gemacht worden waren. Das Landgericht fand die Anzahl der eingeleiteten Verfahren “äußerst ungewöhnlich”.

Weitreichende Unterlassungserklärungen

“Des Weiteren wurden hier vorliegend vorformulierte Unterlassungserklärungen in großen Mengen versandt, welche die Höhe der Vertragsstrafe in das völlige Belieben des Verfügungsklägers stellen. Der Kläger wandte in der mündlichen Verhandlung ein, dass ihm mehrfach von diversen Verfügungsbeklagten angeboten worden sei, dass die Anwaltskosten gezahlt würden, die Unterlassungserklärung aber nicht unterzeichnet würde. Er hätte auf die Zahlung der Anwaltskosten verzichtet, wäre es ihm nur um die Unterlassungserklärung gegangen. Dass ein Mitbewerber nicht aber einen Blanko-Scheck ausstellt, wobei er dem Verfügungskläger die Höhe der Vertragsstrafe nach dessen Belieben überlässt, ist naheliegend. Letzten Endes ist der Verfügungskläger auch auf die Zahlung der vorgerichtlichen Anwaltskosten nicht angewiesen, wenn er sich die Höhe der Vertragsstrafe selbst aussuchen kann.”

so das Landgericht.

Anwaltliche Textbausteine – leider durcheinander

Hier geht das Landgericht mit dem Abmahneranwalt hart ins Gericht:

“In der Gesamtbetrachtung muss auch noch mit einbezogen werden, dass die vorgelegten Anwaltsschriftsätze sich rein aus Textbausteinen zusammensetzten und somit eine Abmahnung in großem Umfang ermöglichen. So bezieht sich im vorliegenden Fall die Hauptargumentationsschiene auf Computerspiele, obwohl es sich streitgegenständlich um einen Film handelt. Außerdem scheint auf Verfügungsklägerseite mittlerweile der Überblick verloren gegangen zu sein, welche Anwälte in welchem Verfahren tätig sind. So wurde im hiesigen Verfahren vorgetragen, dass eine Abmahnung durch Rechtsanwalt … erfolgt sei. Tatsächlich ist die Abmahnung durch Rechtsanwalt … erfolgt. Im Parallelverfahren … wurden Schriftsätze durch Rechtsanwalt … vorgelegt, obwohl er in diesem Verfahren überhaupt nicht mandatiert ist.”

Das Thema Textbausteine ist uns aus unserer Beratungspraxis bei Massenabmanhnungen bekannt, insbesondere, wenn Textbausteine verwechselt werden.

Ob möglicherweise ein Rechtsmissbrauch vorliegt, überprüfen wir selbstverständlich im Rahmen der Beratung einer Abmahnung, soweit uns entsprechende Indizien bekannt sind.

Stand: 24.03.2017

Es beraten Sie: Rechtsanwalt Johannes Richard und Rechtsanwalt Andreas Kempcke

 

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