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Mein Neffe ist Anwalt: Familienbande als Indiz für Rechtsmissbräuchlichkeit bei Abmahnungen

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  • Aktuell: OLG Hamm bestätigt Rechtsmissbräuchlichkeit

     

    Das Oberlandesgericht Hamm hat mit Urteil vom 24.03.2009, Az.: 4 U 211/08 die Rechtsmissbräuchlichkeit der Abmahntätigkeit von Rechtsanwalt W. und seinem Mandanten bestätigt.

    Tatsächlich war der Rechtsanwalt der Neffe des Abmahners. Das Oberlandesgericht hat im vorliegenden Fall für eine Rechtsmissbräuchlichkeit nach § 8 Abs. 4 UWG deutliche Worte gefunden:

    “Vor allem steht der eigene Umsatz der Klägerin in keinem Verhältnis zu dieser umfangreichen Abmahntätigkeit in relativ kurzer Zeit. Unwidersprochen hat die Beklagte dargelegt, dass die Klägerin einen monatlichen Umsatz von maximal 200,00 Euro erzielt. Wenn dann noch der Anwalt der Klägerin der Neffe des Inhabers der Klägerin ist, schließt sich der Kreis, dass die Abmahntätigkeit der Klägerin nicht deshalb erfolgt, um die Wettbewerber zum Schutz ihrer eigenen Tätigkeit zu wettbewerbsrechtskonformem Verhalten anzuleiten, sondern dass die Klägerin hier nur eine gewinnbringende Beschäftigung betreiben will.”

    Der Fall zeigt im Übrigen, dass in erster Linie die Anzahl der Abmahnungen im Verhältnis zum Umsatz ein ganz wichtiger Faktor ist, um eine rechtsmissbräuchliche Abmahnung nachzuweisen. Das Oberlandesgericht geht von wohl insgesamt 12 Abmahnungen aus, diese im Vergleich zu anderen Massenabmahnungen relativ geringe Zahl war für das Gericht vor dem Hintergrund des äußerst geringen monatlichen Umsatzes Indiz genug, um eine Rechtsmissbräuchlichkeit anzunehmen.

Ein besonderer Aspekt von rechtsmissbräuchlichen Abmahnungen ist es, wenn bereits auf den ersten oder zweiten Blick eine Verbindung zwischen dem abmahnenden Rechtsanwalt und dem Abmahner augenscheinlich ist, bspw. dadurch, dass beide den gleichen Nachnamen tragen. Derartige “Familienhilfe” kann einen schalen Beigeschmack haben, derart, dass der zum Abmahner gleichnamige Anwalt wohl kaum seiner eigenen Verwandtschaft die Kosten für die Abmahnung voll und ganz in Rechnung stellen wird. Hierbei kann es sich um ein Indiz (mehr jedoch nicht) für eine rechtsmissbräuchliche Abmahnung im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG handeln. Denkbare Konstellationen sind u.a., dass Abmahner und Rechtsanwalt verheiratet sind oder bspw. Geschwister sind.

Einen derartigen Fall hat jetzt aktuell das Landgericht Bielefeld mit Urteil vom 05.11.2008, Az.: 13 O 34/08 (noch nicht rechtskräftig) entschieden. Bei diesen Abmahnungen von Herrn W., ausgesprochen durch Rechtsanwalt W. , die uns aus unserer Beratungspraxis bekannt sind, war schon augenfällig, dass offensichtlich mit allen Mitteln versucht wurde, die Namensidentität zwischen Abmahner und Rechtsanwalt zu verschleiern, indem nur die Bevollmächtigung für eine Einzelfirma angezeigt wurde, ohne dass deren Inhaber genannt worden ist. Hier musste man schon genau nachrecherchieren, um dann festzustellen, dass Abmahner und Anwalt den gleichen Nachnamen haben. In der Entscheidung des Landgerichtes Bielefeld, das Gericht hatte Unterlassungsansprüche u. a. wegen Rechtsmissbräuchlichkeit abgelehnt, waren Abmahner und Anwalt verwandt. Dies war jedoch nicht der Hauptgrund für die Annahme des Gerichtes, dass die Abmahnung rechtsmissbräuchlich war. Hauptgrund war vielmehr, dass bei einer größeren Anzahl von bekannten Abmahnungen diese in keinem Verhältnis zum geringen Umsatz standen, der sich für einen Monat im Jahre 2008 auf unter 200,00 Euro belief. Es heißt insofern in der Entscheidung:

Selbst wenn man keinen Bagatellverstoß annehmen wollte, wäre die Geltendmachung des Unterlassungsanspruches jedenfalls rechtsmissbräuchlich im Sinne von § 8 Abs. 4 UWG. Von einem Missbrauch ist auszugehen, wenn mit der Geltendmachung des Anspruchs überwiegend sachfremde Ziele wie etwa das Interesse, Gebühren zu erzielen, das die Verfahrenseinleitung beherrschende Motiv bilden; möglicherweise daneben vorhandene wettbewerbsrechtliche Absichten schaden nicht, wenn nur die sachfremden Erwägungen vorherrschen (BGH NJW-RR 2000 1644, 1645). Indizien für einen Rechtsmissbrauch können insbesondere ein systematisches, massenhaftes Vorgehen, eine enge personelle Verflechtung zwischen dem Abmahnenden und dem beauftragten Anwalt, eine weit überhöht in Ansatz gebrachte Abmahngebühr und das Fehlen eines nennenswerten wirtschaftlichen Eigeninteresses sein (OLG Naumburg NJW-RR 2008, 776, 777). Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin, der die Abmahnung verfasst hat, ist zugleich der Bruder des Betreibers des Shops. Die Klägerin  hat einen hohen Gegenstandswert von 10.000,00 Euro zugrunde gelegt; die geltend gemachten Abmahngebühren sind mehr als dreimal so hoch wie die Umsätze der Klägerin im August 2008, die sich nach dem unbestrittenen Vorbringen der Beklagten lediglich auf 184,88 Euro beliefen. Auch wenn die Umsätze in einem klassischen Ferienmonat wie August sicherlich geringer ausfallen als zu anderen Zeiten, fällt auf, dass die Klägerin keine näheren Angaben dazu gemacht hat, in welchen Größenordnungen sich ihre üblichen Umsätze bewegen. Gleichwohl  hat die Klägerin zumindest 8 weitere Mitbewerber abgemahnt. Gegen ein nennenswertes wirtschaftliches Interesse der Klägerin spricht darüber hinaus, dass ihr Angebot sich nur in Randbereichen mit dem Angebot der Beklagten deckt. Wirtschaftliche Nachteile durch die von der Beklagten früher verwendete Belehrung waren nicht ernsthaft zu befürchten. Diese Umstände sprechen bereits dafür, dass die Klägerin in erster Linie bestrebt war, Abmahngebühren zu kassieren.”

Es liegt der Verdacht nahe, dass der Abmahner hier nur vorgeschoben wurde, um ein Wettbewerbsverhältnis zu konstruieren. Auch unter Verwandten oder bei näheren Familienbanden muss sich der Abmahner so behandeln lassen, als würde er seinen Rechtsanwalt tatsächlich aus seinen Umsätzen bezahlen können.

Es lohnt daher, bei Abmahnungen, bei denen der Nachname des Anwaltes und des Abmahners identisch ist, genauer hinzuschauen.

Stand: 05/2009

Ihre Ansprechpartner: Rechtsanwalt Johannes Richard und Rechtsanwalt Andreas Kempcke, Rostock

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