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Rechtsmissbräuchliche Abmahnung: Rechtsanwälte müssen Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung leisten (AG Schöneberg)

Seit dem es den Internethandel gibt, gibt es Massenabmahnungen. Gemäß § 8 Absatz 4 UWG ist eine Abmahnung rechtsmissbräuchlich, wenn sie in erster Linie dazu dient, Kosten zu verursachen, damit der Anwalt sich bereichern kann. Gemäß § 8 Absatz 4 Satz 2 UWG kann in diesem Fall der Abgemahnte Schadenersatz geltend machen. Derartige Fälle sind eher selten, da es schwierig ist, ein rechtsmissbräuchliches Handeln des Abmahners nachzuweisen.

In eindeutigen Fällen kann es jedoch für den abmahnenden Rechtsanwalt teuer werden.

AG Schöneberg: Rechtsanwalt muss Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zahlen

Das Amtsgericht Schöneberg (Urteil vom 24.10.2014, Az.: 16 C 104/14, noch nicht rechtskräftig) hat einen bekannten Abmahnanwalt zur Zahlung von Schadenersatz von über 1.300,00 Euro verurteilt. Hintergrund war eine Abmahnung wegen einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung und einer unzureichenden Grundpreisangabe. Der Abmahner hatte vor dem Landgericht Köln eine einstweilige Verfügung erwirkt. Nach einem Widerspruch des Abgemahnten wurde diese aufgehoben. Zu dem Verhandlungstermin über den Widerspruch erschien vonseiten des Abmahners niemand. Es erging ein Versäumnisurteil, das rechtskräftig ist.

Das Landgericht hatte im einstweiligen Verfügungsverfahren erstattungsfähige Kosten in Höhe von 1.351,95 Euro festgesetzt, die durch den Abmahner jedoch nicht beglichen werden konnten. Um diesen Betrag ging es in diesem Verfahren.

Abmahner war kein Marktteilnehmer mehr

Zum Zeitpunkt der Abmahnung und zum Zeitpunkt der Beantragung der einstweiligen Verfügung war der Abmahner, dies ist Voraussetzung für eine Abmahnung, kein Marktteilnehmer mehr, so das Amtsgericht.

Der Geschäftsbetrieb war bereits seit 2012 eingestellt worden! Eine Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebes sei auch gar nicht beabsichtigt gewesen. Vielmehr war der Abmahner wohl insolvent.

Unbestrittener Massenabmahner

Nach Ansicht des Amtsgerichtes handelte es sich bei dem Abmahner um einen Massenabmahner, der unter Ausnutzung des fliegenden Gerichtsstandes einstweilige Verfügungen vor Gerichten beantragte, die eigentlich keinen Sachzusammenhang zu den Wettbewerbsangelegenheiten aufzeigten. Ein Geschäftssitz bestand ebenfalls nicht mehr.

Prüfungspflicht des abmahnenden Rechtsanwaltes

Den abmahnenden Rechtsanwälten als Organ der Rechtspflege oblag es nach Ansicht des Amtsgerichtes, die tatsächlichen Voraussetzungen eines Wettbewerbsverhältnisses zu überprüfen. Hierbei reicht es nicht aus, auf die Vollmacht des Geschäftsführers Bezug zu nehmen sowie auf einen Handelsregistereintrag und das Bestehen einer Webseite zu verweisen. Der funktionierende Bestellprozess reicht für die Annahme eines aktiven Geschäftsbetriebes nicht aus. Auch die reine Eintragung im Handelsregister begründet keinen Geschäftsbetrieb.

Eine Abmahnung auszusprechen, obwohl positive Kenntnis darüber bestand, dass der Abmahner nicht mehr Marktteilnehmer war, somit nicht aktiv legitimiert, verstößt gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden gemäß § 826 BGB. Dies ist letztlich die formal juristische Definition der sittenwidrigen Schädigung.

Der konkrete Eingriff in den Geschäftsbetrieb besteht in der Abmahnung sowie in dem anschließenden einstweiligen Verfügungsverfahren.

Extremfall

In diesem Fall stand offensichtlich Gier vor Moral.

Fälle, in denen

– massenhaft abgemahnt wird,

– der Abmahner eigentlich insolvent ist,

– der Abmahner auch keinen Geschäftsbetrieb mehr hat,

– nach außen hin der Bestellablauf jedoch noch funktioniert

– und dann abgemahnt

– und geklagt wird,

sind selten, kommen aber – wie das Urteil zeigt – durchaus vor.

Wenn dann nach Durchführung des Verfahrens beim Abmahner nichts mehr zu holen ist, wenn eine einstweilige Verfügung aufgehoben wird, können somit die abmahnenden Rechtsanwälte in Anspruch genommen werden.

Und dies ist auch gut so.

Stand: 02.12.2014

Ihre Ansprechpartner: Rechtsanwalt Johannes Richard und Rechtsanwalt Andreas Kempcke, Rostock

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