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Hilft das gegen Abmahnungen im Wettbewerbsrecht?

Streitwertreduzierung und weitere Änderungen: Bundestag verabschiedet Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken

Der Bundestag hat am 27.06.2013 das Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken beschlossen. Wir gehen davon aus, dass das Gesetz kurzfristig in Kraft treten wird (Stand 08.07.2013), es ist noch nicht im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden.

Das Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktikenbeschäftigt sich zum einen mit Tauschbörsenabmahnungen, zum anderen mit der Geltendmachung von Forderungen durch Inkasso-Büros. Gewinnspielverträge, die Verbrauchern oftmals am Telefon aufgeschwatzt werden, müssen mindestens in Textform (Email) abgeschlossen werden. Anderenfalls sind sie unwirksam.

Im Windschatten dieses Gesetzes wurde auch das Wettbewerbsrecht abgeändert. Auch hier geht es im weitesten Sinne um Abmahnmissbrauch.

Schadenersatz bei rechtsmissbräuchlicher Abmahnung

Bei einer rechtsmissbräuchlichen Abmahnung war es bisher in der Rechtsprechung umstritten, ob der zu Unrecht rechtsmissbräuchlich Abgemahnte die Erstattung seiner Aufwendungen (Anwaltskosten) geltend machen kann. Dies wird sich ändern. Es gibt eine neue Regelung in § 8 Abs. 4 UWG:

“In diesen Fällen kann der Anspruchsgegner Ersatz für seine Rechtsverteidigung erforderlichen Aufwendungen verlangen. Weiter gehende Ersatzansprüche bleiben unberührt.”

Die anwaltlichen Vertretungskosten für eine Verteidigung gegen eine rechtsmissbräuchliche Abmahnung können somit erstattet verlangt werden gegenüber dem Abmahner.

Ganz durchdacht ist diese Regelung nicht:

Oftmals stellt es sich erst in einem gerichtlichen Verfahren heraus, ob eine Abmahnung tatsächlich rechtsmissbräuchlich war oder nicht. Verliert der Abmahner ein gerichtliches Verfahren, sind die Anwaltskosten, die dem Abgemahnten im gerichtlichen Verfahren entstanden, auf jeden Fall zu erstatten. Übrig bleiben “nur noch” außergerichtliche Kosten. Aus unserer Praxiserfahrung gehen wir davon aus, dass kaum ein Abmahner bereits im außergerichtlichen Verfahren einräumen wird, in dem betreffenden Einzelfall rechtsmissbräuchlich gehandelt zu haben.

Unabhängig davon fehlte es bisher an einem eindeutigen Ansatz, die eigenen Kosten des Abgemahnten für seinen Rechtsanwalt auch geltend machen zu können.

Kommt doch nicht: Wegfall des fliegenden Gerichtsstandes

Ursprünglich hatte der Gesetzgeber eine Neuregelung des § 14 Abs. 2 UWG geplant, durch die der sogenannten fliegende Gerichtsstand ausgeschlossen werden sollte. Gerade bei Wettbewerbsverstößen im Internet gilt der sogenannte fliegende Gerichtsstand. Überall dort, wo eine wettbewerbswidrige Darstellung oder Werbung im Internet abgefragt werden kann, nämlich in ganz Deutschland, kann geklagt werden.

Folge ist, dass sich ein paar Schwerpunkt-Gerichte herauskristallisiert haben, die sich intensiv mit Wettbewerbsverstößen im Internet befassen. Von anderen Gerichten wiederum hat man bisher zu dieser Thematik wenig bis gar nichts gehört. Im Ergebnis sind es immer wieder die gleichen Gerichte und OLG-Bezirke, die sich mit Wettbewerbsverstößen im Internet befassen, nämlich Hamburg, Hamm, München und Berlin.

Der Wegfall des fliegenden Gerichtsstandes hätte eine erhebliche Unsicherheit in der Rechtsprechung bedeutet. Spezialisierte Wettbewerbskammern der einschlägig beschäftigten Gerichte hätten aufgelöst werden müssen, da es nicht mehr so viele Fälle gegeben hätte.

Es bleibt jedoch bei dem Nachteil, dass der Abmahner sich aussuchen kann, wo er klagt. Sollte es unterschiedliche Rechtsprechung zu einigen Themenbereichen geben, wird der Abmahner sich klugerweise das Gericht aussuchen, dass seine Rechtsansicht bereits einmal bestätigt hat. Für den Abgemahnten ist dies mit einem erheblichen Reiseaufwand verbunden, wenn es dann eine mündliche Verhandlung, sei es auf Grund eines Widerspruchs im einstweiligen Verfügungsverfahren oder auf Grund einer Klage gibt.

Begründet wurde der Wegfall damit, dass die Spezialisierung einzelner Gerichte hiermit entfallen würde, u. a. auch im Presserecht. Dieses Argument ist zutreffend. Der Rechtsausschuss hat den Gesetzgeber gebeten, den Sachverhalt näher zu prüfen.

Streitwertherabsetzung

§ 12 Abs. 4 und Abs. 5 UWG regelt ferner eine Streitwertherabsetzung. Dies gilt für den Fall, dass glaubhaft gemacht wird, dass die Belastung mit den Prozesskosten nach dem vollen Streitwert die wirtschaftliche Lage des Abgemahnten erheblich gefährden würde. Die Folge ist weitreichend. Nur die Partei, die dies vor Gericht glaubhaft macht, genießt den geringeren Streitwert. Derjenige, der dies nicht glaubhaft machen kann (der Abmahner in der Regel), muss nach dem hohen Streitwert zahlen.

Abmahner muss mehr zahlen als der Abgemahnte

Besonders tückisch ist für den Fall, dass das Gericht tatsächlich eine Streitwertherabsetzung annimmt, die Situation für den Abmahner:

Für den Fall, dass das Gericht den Streitwert herabsetzt, muss der Beklagte lediglich die Kosten nach einem geringeren Streitwert an den Kläger erstatten, wenn er das Verfahren verliert.

Gewinnt der Beklagte jedoch das Verfahren und der Kläger (Abmahner) hat dessen Kosten zu erstatten, hat er wiederum einen Erstattungsanspruch nach dem vollen höheren Streitwert.

Unter Umständen muss somit der Kläger im Fall, dass er das Verfahren verliert, mehr an den Beklagten erstatten als im umgekehrten Fall. Wie die Kostenerstattung bei einer Kostenquote, bspw. 1/3 zu 2/3 aussehen soll, ist ebenfalls unklar.

Inwieweit diese Regelung praktische Auswirkungen haben wird, halten wir für zweifelhaft:

Die Regelung einer sogenannten Streitwertbegünstigung gibt es bereits jetzt im Markenrecht. Nach unserer Kenntnis und unserem Eindruck wird diese Regelung im Markenrecht jedoch nur selten angewandt. Zudem, so unsere Einschätzung, nehmen viele Gerichte keine besonders hohen Streitwerte für klassische Wettbewerbsverstöße im Internet mehr an, wie bspw. einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung etc.

Neue Streitwerte bei gerichtlichen Verfahren im gewerblichen Rechtsschutz?

Ähnlich wie die neuen Regelungen im Urheberrecht, die den Streitwert erheblich herabsetzen, hat der Gesetzgeber sich entschieden, auch den Streitwert im gewerblichen Rechtsschutz neu zu regeln. Dies findet sich in § 51 Gerichtskostengesetz. Dort heißt es, dass bei Verfahren des gewerblichen Rechtsschutzes, des Patentgesetzes, des Gebrauchsmustergesetzes, des Marken- oder Geschmacksmustergesetzes etc. der Wert nach billigem Ermessen zu bestimmen ist.

Bei wettbewerbsrechtlichen Verfahren ist der Streitwert nach Bedeutung der Sache des Klägers zu bestimmen.

Neu ist die Regelung des § 51 Abs. 3 Gerichtskostengesetz (GKG):

“Ist die Bedeutung der Sache für den Beklagten erheblich geringer zu bewerten als der nach Absatz 2 ermittelte Streitwert, ist dieser angemessen zu mindern. Bietet der Sach- und Streitgegenstand für die Bestimmung des Streitwerts hinsichtlich des Beseitigungs- oder Unterlassungsanspruchs keine genügenden Anhaltspunkte, ist insoweit ein Streitwert von 1.000,00 Euro anzunehmen, auch wenn diese Ansprüche nebeneinander geltend gemacht werden.”

Die Regelung ist insofern widersprüchlich, da sich aus § 51 Abs. 2 GKG ergibt, dass der Wert sich nach der Bedeutung der Sache des Klägers ergibt und eine Korrektur dann möglich ist, wenn die Bedeutung der Sache für den Beklagten (Abgemahnten) sehr viel geringer zu bewerten ist.

Naturgemäß ist es so, dass der durch einen Wettbewerbsverstoß beeinträchtigte Abmahner einen anderen Wert zugrunde legt als der Abgemahnte, der es bspw. als vollkommen unerheblich ansieht, dass seine Widerrufsbelehrung falsch war oder er gar nicht erst über das Widerrufsrecht belehrt hatte. Regelmäßig ist es natürlich so, dass die Abgemahnten die Bedeutung der Sache sehr viel niedriger ansetzen. Wie diese unausgegorene Regelung in der Praxis umgesetzt werden wird, wird sich noch zeigen.

Wird die einstweilige Verfügung teurer?

Eine einstweilige Verfügung ist ein Eilverfahren, mit dem in Wettbewerbssachen Ansprüche schnell durchgesetzt werden können. Die Frage, inwieweit der Streitwert des einstweiligen Verfügungsverfahrens dem Wert der sogenannten Hauptsache – und damit auch der Abmahnung – entspricht, war bisher nicht abschließend geklärt. So war es bspw. ständige Rechtsprechung des Landgerichtes Hamburg, dass der Wert der einstweiligen Verfügung auch dem Streitwert der Hauptsache entspricht.

Hier ergibt sich eine Neuregelung aus § 51 Abs. 4 Gerichtskostengesetz. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist der Streitwert gegenüber der Hauptsache zu ermäßigen. Diese seit Ewigkeiten geführte Diskussion, die durch Gerichte somit höchst unterschiedlich behandelt wird, hat sich somit erledigt. Dies wird wohl zur Folge haben, dass sich die außergerichtlichen Abmahnkosten nach einem höheren Streitwert bemessen, als dem Streitwert, der im einstweiligen Verfügungsverfahren durch das Gericht festgesetzt worden ist. Falls die Gerichte sich nicht von der bisherigen Streitwerthöhe lösen, kann es für die Abgemahnten sogar noch teurer werden.

Ein Ausblick

Nach unserer Auffassung wird sich bei einer wettbewerbsrechtlichen Abmahnung auf Grund der Gesetzesänderung nicht viel ändern. Gerichte waren ohnehin dazu übergegangen, die Streitwerte in den letzten Jahren geringer anzunehmen als dies noch bspw. vor 5 bis 6 Jahren der Fall war, als Wettbewerbsverstöße im Internet nur vereinzelt gerichtlich geltend gemacht wurden.

Stand: 09.07.2013

Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Johannes Richard, Rostock

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